Samstag, April 20, 2024
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„America First“: 200 Milliarden Verlust für VW, Siemens und Co. Wird’s noch härter?

Nach dem Abgasskandal droht dem größten deutschen Arbeitgeber Volkswagen weiterer Ärger in den USA. Nicht nur die deutschen Autobauer spüren den rauen Wind der „America First“- und Sanktionspolitik, auch Bayer und Siemens haben in diesem Jahr Milliarden verloren.

Bernhard Schwarz

Der Abgas-Skandal im vorigen Jahr hat dem Volkswagen-Konzern die wohl schwerste Krise der Unternehmensgeschichte beschert. Alleine in den USA musste VW 500.000 Diesel-Fahrzeuge zurückkaufen und akzeptierte die geforderten Schadensersatzzahlungen in Höhe von 14,7 Milliarden Dollar. Mit den dazu entstandenen Rechtskosten musste der VW-Konzern im Vorjahr 25 Milliarden für Entschädigungen und Strafen in den USA verbuchen.

300.000 dieser Fahrzeuge sollen jetzt nach einem Software-Update wieder auf den Markt gebracht werden, doch Verbraucherschützer laufen gegen den Abverkauf der Fahrzeuge Sturm: „Käufer aufgepasst – VW bringt Schummel-Dieselfahrzeuge zurück auf den Markt“ und „Volkswagen – Betrug, Verschwörung, Korruption“ ist in Anzeigen zu lesen, die in der Washington Post, in der New York Times und im Wall Street Journal erscheinen. Ein Wolfsburger Manager vermutet, ein verprellter Geschäftspartner könnte womöglich hinter der Aktion stecken.

Für VW kommt diese Kampagne zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – denn die Wolfsburger hatten gehofft, nach einem turbulenten Jahr endlich mit dem Abgasskandal abschließen zu können. Selbst für einen Riesen wie VW mit einem Umsatz von 230 Milliarden Euro und 650.000 Mitarbeitern sind die Strafzahlungen und der Imageverlust nicht einfach wegzustecken. „Klar geht bei uns die Angst um. Jeder hofft, dass das dicke Ende ausbleibt“, erklärt ein besorgter Mitarbeiter in Wolfsburg.

 Nicht nur VW…

Nicht nur VW wird in den USA genau ins Visier genommen. Im Zuge des Zollstreits zwischen der USA und der EU hat Donald Trump die Chefs von Daimler und BMW ins Weiße Haus zitiert. Es ist nicht das erste Mal, dass die US-Regierung versucht, den Einfluss der Autobosse auf die deutsche Politik auszunutzen. Bereits im Sommer hatte der amerikanische Botschafter in Berlin die deutschen Autobosse zu sich geladen und eine „Nulllösung“ angeboten – also einen kompletten Verzicht auf Autozölle von Seiten der EU und der USA. Von dieser Lösung ist Donald Trump aber wieder abgerückt und versucht nun bessere Bedingungen für die amerikanischen Autobauer auszuhandeln. Nach dem Ausstieg aus dem Klimaschutz-Abkommen darf bezweifelt werden, dass die Emissionswerte der Dieselmotoren ein Problem für Donald Trump darstellen. Doch er wird nicht davor zurückschrecken, die Abgasskandal-Karte auszuspielen, um sie als Drohung zu verwenden. Im vorigen Jahr kritisierten Mitarbeiter der deutschen Außenhandelsstelle die „Untätigkeit und mangelnde Unterstützung“ Angela Merkels in den USA während des Abgasskandals.

Bayer kauft Monsanto: Ärger statt Profit

Monsanto ist seit jeher eines der meist kritisierten Unternehmen und hat einen schlechten Ruf. Es ist für zwei Produkte bekannt, die sich gegenseitig ergänzen. Das erste ist das Pflanzengift Round-Up. Es enthält Glyphosat, verhindert, dass Unkraut auf den Feldern wächst und tötet sämtliche Zellen einer Pflanze ab. Das zweite Produkt sind diverse Pflanzensamen. Sie sind gentechnisch so verändert, dass ihnen Glyphosat nichts anhaben kann. Die internationale Krebsforschungsagentur IACR hat Glyphosat als „womöglich krebserregend“ eingestuft.

Nach dem Nachweis von  Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln wurde in der EU über ein komplettes Verbot diskutiert. Auch in den USA gab es zahlreiche Klagen von Krebspatienten gegen Monsanto, jedoch wurden diese stets von US-Richtern zurückgewiesen. Trotz der Risiken entschied der größte deutsche Pharma-Konzern Bayer, das amerikanische Unternehmen für 63 Milliarden Dollar zu erwerben. Der größte Zukauf eines deutschen Konzerns war perfekt.  „Mit dieser Transaktion schaffen wir erheblichen Wert für die Aktionäre, unsere Kunden, Mitarbeiter und für die Gesellschaft insgesamt“, erklärte der Bayer-Chef Werner Baumann, als er den Deal 2016 besiegelte.

Nach zwei Jahren Untersuchungen durch die Kartellbehörden wurde Monsanto in diesem Jahr in den Bayer-Konzern eingegliedert und bereitet seither nur Ärger. Es scheint so als würden sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten. Denn kurz nach der offiziellen Übernahme wurde Bayer zu einem Schadensersatz von 289 Million Dollar für einen Krebspatienten verurteilt. Auch der Antrag, Roundup in Kalifornien von der Liste krebserregender Chemikalien zu nehmen, wurde endgültig abgelehnt. Die Bayer-Aktie brach daraufhin ein, verlor nach dem Höchststand von 145 Euro im Jahr 2015 vor der Monsanto-Ankündigung mehr als die Hälfte an Wert und fiel auf 62 Euro. Das entspricht einem Verlust von über 40 Milliarden Euro an Börsenwert.

Ein Ende der Talfahrt ist kaum in Sicht. Denn wegen der Auflagen des US-Justizministeriums war Bayer der Zugang zu detaillierten internen Informationen von Monsanto bisher verwehrt. Auf die Frage, ob es noch weitere böse Überraschungen geben könnte, antwortete der Fondsmanager Markus Manns: „Das ist nicht zu hoffen, doch es bleibt eine Tatsache, die Sorgen bereitet.“ Die deutsche Bundesregierung half dabei, die Glyphosat-Verlängerung in der EU durchzuboxen. Doch zur Klagewelle in den USA gibt es bis jetzt keinen Kommentar.

Russland und Iran-Sanktionen: USA profitieren, EU steckt Verluste ein

Neben Klagewellen aus den USA setzen den deutschen Konzernen auch die von den USA initiierten Russland und Iran-Sanktionen zu. Siemens hatte eine Lizenzfertigung für Gasturbinen und Lokomotiven im Iran vereinbart und auch eine Absichtserklärung zur Modernisierung der Bahn-Infrastruktur wurde unterzeichnet. Nach den US-Sanktionen erklärte Siemens, die Betätigungsfelder im Iran schrittweise aufzulösen, um alle Vorschriften „einschließlich US-amerikanischer Sekundärsanktionen“ einzuhalten. US-Botschafter Richard Grenell erklärte dazu stolz: „Siemens hat mir mitgeteilt, dass sie sich aus dem Iran zurückziehen, um US-Sanktionen zu erfüllen“.

Neben Siemens wird sich auch die Deutsche Bahn, Daimler und die Deutsche Telekom aus dem Iran zurückziehen. Die Gesamtexporte der deutschen Industrie betrugen im Jahr 2017 knapp 3 Milliarden Euro, doch nach den zunächst aufgehobenen Sanktionen 2016 erhoffte sich vor allem Siemens mehr. Die hohen Investitionssummen müssen nun von der Bilanz abgeschrieben werden. Obwohl die neuen US-Sanktionen nicht von der EU mitgetragen werden, sind die deutschen Konzerne der US-Politik aufgrund der Machtstellung des Dollars hilflos ausgeliefert.

Neben dem Iran macht Siemens auch in Russland seit 165 Jahren gute Geschäfte. Siemens verdient an der Modernisierung der veralteten russischen Kraftwerke, verkauft Elektro-Loks, liefert Kompressoren an die Rohstoffunternehmen, die diese für ihre Bohrlöcher benötigen. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 3000 Mitarbeiter in Russland, Tendenz seit den Russland-Sanktionen rückläufig. Nach Schätzung des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft ist die Marke von 100 Milliarden Euro Verlusten aufgrund der Sanktionen  in diesem Jahr durchbrochen worden.

„Dass wir diesen hohen Preis dauerhaft zahlen, ohne dass es echte Fortschritte im Friedensprozess gibt, führt zu einer wachsenden Frustration in der Wirtschaft“ sagte der Geschäftsführer des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Michael Harms.

Neben Siemens, den deutschen Autobauern und Adidas leiden vor allem auch österreichische Schwergewichte wie Raiffeisenbank, Strabag und Voest unter den Strafmaßnahmen. Nach einer aktuellen Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft schaden die Sanktionen nur zu 60 Prozent Russland. 40 Prozent der Handelsverluste müssten die 37 Länder tragen, die die Sanktionen beschlossen hätten – darunter alle EU-Mitglieder und die USA. Unter den westlichen Staaten entfielen die Hälfte der Verluste auf Deutschland und Österreich.

An die 200 Milliarden Euro hat die „America First“-Politik den deutschsprachigen Unternehmen gekostet. Mit der deutschen Telekom plant ein weiterer Großkonzern eine Übernahme in den USA. Rein von der Logik her sollten die Risiken genau abgewogen werden, aber… Der Altkanzler Gerhard Schröder forderte jüngst ja nicht umsonst „eine europäische Antwort auf die „America First“-Politik, denn sonst könnten Millionen deutsche Arbeitsplätze in Gefahr sein.

Quelle!    #zaronews

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