Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitikDeutschlands neues Kabinett – Wer steht wofür? (Teil 1)

Deutschlands neues Kabinett – Wer steht wofür? (Teil 1)

Rund ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl stehen die künftigen Ministerposten für Deutschland fest. Mit Bundeskanzlerin Merkel sitzen 15 Ministerinnen und Minister am Kabinettstisch.

Wer steht für welche Politik? Vor allem bei den neuen Gesichtern kündigen sich Veränderungen an. Auch die eine oder andere Fehlbesetzung zeichnet sich bereits ab.

Das Grundgehalt eines Ministers in Deutschland beläuft sich auf mindestens 240.000 Euro im Jahr – steuerfreie Aufwandspauschalen für Büros und Fahrten nicht mitgerechnet. Dass diese Posten im politischen Berlin äußerst begehrt sind, verwundert kaum. Nicht zuletzt kann man dem jeweiligen Ressort seinen individuellen Stempel aufdrücken. Was bedeutet die Neubesetzung des Kabinettstisches nun also für die künftige Politik der Bundesregierung und für jeden einzelnen Bürger? Wir haben die führenden Köpfe des neuen Bundeskabinetts für Sie beleuchtet.

Die alte und neue Kanzlerin

© Foto: Quelle Foto: Deutscher Bundestag

Es wird die vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin. Seit 2005 hat die gelernte Physikerin das Amt nun inne. Während Angela Merkel im Ausland einen guten Ruf genießt und als eine der mächtigsten Frauen der Welt gilt, schwindet ihr innenpolitischer Einfluss zusehends. Zwar hat die CDU-Vorsitzende in all den Jahren viele Kritiker aus dem Weg geräumt, wie beispielsweise Roland Koch oder Friedrich Merz. Doch nach der jüngsten Hängepartie bei den Koalitionsverhandlungen bröckelt Merkels Alleinherrschaft.

Wofür steht Angela Merkel? Innenpolitisch scheint sie nunmehr lediglich die Rolle des Vermittlers zwischen der Schwesterpartei CSU und den Sozialdemokraten zu haben. Ihren Alleingang in der Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 nehmen ihr selbst viele Unionskollegen noch übel. Deshalb setzt Merkel jetzt auf mehr Sicherheit durch einen „starken Staat“, eine konsequente Abschiebepolitik und eingeschränktes Recht auf Asyl. Die Umsetzung wird sie in der kommenden Legislaturperiode größtenteils der CSU überlassen.

Außenpolitisch steht die Kanzlerin weiterhin für Sanktionen gegenüber Moskau, wenngleich sie ankündigte, eine Rückkehr zu einem vertrauensvollen Verhältnis mit Moskau anzustreben. Die Politik des US-Präsidenten Donald Trump sieht Merkel kritisch. Mit Konsequenzen drohte das Kanzleramt bisher aber nicht. In der EU will die 63-Jährige dagegen Stärke zeigen und gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron politische, wirtschaftliche und militärische Projekte vorantreiben. Ansonsten wird die Außenpolitik der kommenden vier Jahre eher eine sozialdemokratische Handschrift tragen.

Das Kanzleramt: Herr über die Geheimdienste

© Foto: Quelle Foto: Deutscher Bundestag

Er koordinierte als Staatsminister seit 2013 im Bundeskanzleramt Bund und Länder in der Bewältigung der Flüchtlingskrise: der Gießener Helge Braun. Nun beerbt er seinen Vorgänger Peter Altmaier als Bundesminister und Chef des Bundeskanzleramts. Braun ist Doktor der Medizin, verheiratet und seit 1989 Mitglied der CDU. Wenn man ihn nach seinen Hobbies fragt, so antwortet er stets: „Politik ist Hobby und Beruf zugleich.“

Für die breite Öffentlichkeit ist Braun weitgehend unbekannt. Dabei hat der 45-Jährige durchaus Einfluss: Als Deutschland den G7- und G20-Vorsitz innehatte, setzte sich der Mediziner erfolgreich für eine international bessere Bekämpfung von Seuchen wie Ebola in Afrika ein. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD war Braun für die Digitalisierung zuständig – neben der Gesundheitspolitik sein zweites Lieblingsthema.

Als Chef des Bundeskanzleramts wird Braun künftig auch für die Koordinierung der deutschen Geheimdienste zuständig sein. Welche Richtung er dabei einschlagen wird, ist noch unklar. Der enge Vertraute von Angela Merkel ist politisch schwer zu verorten. Mit deutlichen Äußerungen lehnte er sich bislang nicht aus dem Fenster. Vermutlich gefällt gerade das der Kanzlerin besonders.

Der Finanzminister: Kassenwart der Republik

© Foto: Quelle Foto: spd.de / Dominik Butzmann

Anfang der 2000er Jahre war Olaf Scholz als SPD-Generalsekretär noch der Aktentaschenträger von Gerhard Schröder und Franz Müntefering. Nun schlägt seine große Stunde. Hamburgs Erster Bürgermeister hätte nicht für weniger als das Finanzministerium und den Posten des Vizekanzlers die gemütliche Hansestadt verlassen. Bis zum nächsten SPD-Bundesparteitag ist Scholz außerdem kommissarischer SPD-Chef und damit der aktuell mächtigste Mann der Sozialdemokraten.

Scholz gilt als Anhänger des eher konservativen Flügels der SPD. Während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders setzte er sich für dessen Agenda 2010 ein. Vor der Bundestagswahl 2009 nannte er die Unterschiede zwischen seiner Partei und Die Linke als „größer als zu allen anderen Parteien“. Große Kritik erntete Scholz im Zuge der G20-Proteste in Hamburg, bei denen er nachgewiesene Polizeigewalt als „Denunziation“ zurückwies.

Als neuer Finanzminister wird Scholz vermutlich ebenfalls eine konservative Linie fahren. Die von der Union erreichte „schwarze Null“ im Bundeshaushalt gilt somit auch unter dem SPD-Minister als sicher. Dennoch sollen die Länder vom Bund laut Koalitionsvertrag bis 2021 insgesamt acht Milliarden Euro für die Bewältigung von Flüchtlingskosten erhalten. Auch will die SPD einen höheren Beitrag Deutschlands zum EU-Haushalt leisten. Es bleibt also abzuwarten, wo der Finanzminister diese Mittel an anderer Stelle einsparen wird.

Arbeit, Arbeit, Arbeit …

© Foto: Quelle Foto: Deutscher Bundestag

Es ist ein klassisches Ressort für die Sozialdemokraten: Hubertus Heil wird neuer Bundesminister für Arbeit und Soziales. Es ist der erste Ministerposten für den Hildesheimer, der bisher bereits zweimal das Amt des SPD-Generalsekretärs und damit auch den Job des Wahlkampfmanagers bekleidete – Letzteres allerdings eher erfolglos. 2009 und 2017 war Heil für die Unterstützung der Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz verantwortlich – mit jeweils verheerenden Wahlergebnissen für die SPD.

Dennoch gilt Hubertus Heil als guter Verhandler, so auch in den vergangenen Koalitionsgesprächen. Dieses Geschick wird er auch in Zukunft nutzen müssen, denn SPD-Arbeitsminister haben in der Regel ein eher konfrontatives Verhältnis zu den Koalitionspartnern CDU und CSU.

Zu den ersten Aufgaben von Hubertus Heil, der erklärter Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens ist, gehört das erklärte Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland. Vor allem Menschen, die bereits sehr lang arbeitslos sind, soll eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden. Die SPD drängte vehement auf die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen. Der Kompromiss sieht nun kein allgemeines Verbot vor, kündigt aber an, die Möglichkeiten zur Befristung einzuschränken. Auch am neuen „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ wird Heil federführend beteiligt sein.

Verkehr – auch außerhalb von Bayern

© Foto: Quelle Foto: Deutscher Bundestag

Lange Zeit galt Andreas Scheuer nur als folgsamer Schatten von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Dabei wird häufig vergessen, dass der bisherige CSU-Generalsekretär bereits seit 2002 Mitglied im Deutschen Bundestag ist. Dort war er seit 2013 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Während Scheuer den Arbeitsbereich „Bau“ nun an seinen einstigen Chef Horst Seehofer abgibt, übernimmt er als Bundesminister das verbliebene Verkehrsministerium.

Schauer machte bisher vor allem von sich reden, indem er die Armutszuwanderung kritisierte und sich für eine Kürzung von Sozialleistungen für Zuwanderer aussprach. Im Dezember 2014 nannte Scheuer die Wahl des Linkspolitikers Bodo Ramelow zum thüringischen Ministerpräsidenten einen „Tag der Schande für das wiedervereinigte Deutschland“. In der Flüchtlingskrise setzte sich der gebürtige Passauer dafür ein, dass Flüchtlinge zwingend die deutsche Leitkultur anerkennen müssten, die er als christlich-jüdisch-abendländische Kultur beschreibt.

Als Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur ist Scheuer nun unter anderem für die drohenden Fahrverbote aufgrund von zu hohen Schadstoffwerten in der Luft zuständig. Eine „Blaue Plakette“ für saubere Dieselautos, wie sie das Umweltbundesamt vorgeschlagen hatte, lehnt Schauer aber ab. Der 43-Jährige will Kommunen und Autobauer an einen Tisch holen, um über Lösungen zu diskutieren. Nach eigenen Angaben will Scheuer auch die Mobilität der Zukunft vorantreiben, ohne Arbeitsplätze in der Autobranche aufs Spiel zu setzen.

Gesundheit. Danke!

© Foto: Quelle Foto: Deutscher Bundestag

„Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher“ – diesem Zitat aus dem Film „Der Pate“ muss wohl die Bundeskanzlerin gefolgt sein, als sie Jens Spahn für den Posten des Gesundheitsministers auswählte. Der Münsteraner gilt als großer innerparteilicher Kritiker Angela Merkels und Vertreter des konservativen Wirtschaftsflügels der CDU. Der 37-Jährige dürfte sich jedenfalls freuen, in der Bundespolitik nun ein gehöriges Wörtchen mitzureden.

Im Vorfeld seiner Ernennung profilierte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete immer wieder als Widersacher der Kanzlerin. So sprach er etwa auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise von „einer Art Staatsversagen“. Doch auch in Sachen Gesundheit und Medizin trat Spahn bereits in Erscheinung. So etwa im Jahr 2013, als er mit dem Satz „Solche Pillen sind schließlich keine Smarties“ eine Rezeptpflicht für die sogenannte „Pille danach“ forderte.

Die Pharmalobby dürfte bei Spahns Ernennung jubeln. Von 2006 bis 2010 war der CDUler an einer Lobbyagentur für Pharmaklienten beteiligt, während er gleichzeitig Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages war. Zu den jetzigen Aufgaben Spahns zählt die Regelung des Pflegenotstandes. Hier kündigte er bereits eine Erhöhung von Ausbildungskapazitäten und eine bessere Bezahlung von Pflegepersonal an. Eine Bürgerversicherung wird es mit Spahn definitiv nicht geben – auch weil ihm gute Kontakte zum Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) nachgesagt werden.

Lesen Sie in Teil 2 von „Deutschlands neues Kabinett“ ab Samstag, wie die Außenpolitik der neuen GroKo aussehen wird und welche militärischen Pläne das Bundesverteidigungsministerium verfolgen will.

Marcel Joppa

Quelle!

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