Die Asylkrise wird die Haushalte im neuen Jahr stark belasten: Die Länder planen rund 17 Milliarden Euro ein. Doch selbst das dürften nicht reichen: Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 2)200.000 Flüchtlinge sind nicht einkalkuliert.
In keinem Jahr zuvor war die Haushaltsplanung für Thomas Schäfer (CDU) so schwierig wie in diesem. Spätestens im Sommer waren alle Planungen von
Hessens Finanzminister Makulatur, die Flüchtlingskrise riss neue Löcher in den Landesetat. 1,3 Milliarden Euro stellt sein Bundesland nun im nächsten Jahr für die Flüchtlingshilfe bereit – 725 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant.
Wie Schäfer geht es derzeit allen Länderfinanzministern. Zwar werden auch in diesem Jahr mehr als die Hälfte der 16 Bundesländer Haushaltsüberschüsse erzielen. Doch wegen der Flüchtlingskrise kommen Milliardenkosten auf sie zu. Allein für 2016 planen die 16 Länder nach einer Umfrage der “Welt” unter den 16 Länderfinanzministerien rund 17 Milliarden Euro an Flüchtlingsausgaben ein.
So rechnet Nordrhein-Westfalen mit rund vier Milliarden Euro an Flüchtlingskosten. Bayern kalkuliert mit 3,31 Milliarden Euro, Baden-Württemberg mit 2,25 Milliarden. Das wenigste Geld gibt das Saarland aus, das lediglich 100 Millionen Euro veranschlagt.
Bremen machte als einziges Bundesland keine Angaben, weil der Stadtstaat den Haushalt für 2016 noch aufstellt. Ohne Bremen planen die Länder für 2016 Ausgaben in Höhe von 16,5 Milliarden Euro.
Finanzhilfen des Bundes decken nur ein Viertel der Kosten
Ende des kommenden Jahres dürfte diese Zahl aber noch deutlich höher ausgefallen sein. Denn die Länder haben ihre Ausgaben auf Basis der letzten offiziellen Prognose des Bundes geplant, nach der in diesem Jahr 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Inzwischen wird aber mit mehr als einer Million Flüchtlingen in diesem Jahr gerechnet.
Der historische Zustrom stellt die Länder vor große finanzielle Herausforderungen. Zwar hat der Bund auf dem Flüchtlingsgipfel im September zugesagt, den Ländern im kommenden Jahr 670 Euro pro Flüchtling je Monat zu zahlen. Doch die Länderfinanzminister monieren, noch immer den Löwenanteil der Kosten schultern zu müssen.
Hessen etwa rechnet derzeit in seinem Haushalt 2016 mit einem Bundeszuschuss von 300 Millionen Euro – was weniger als ein Viertel der Flüchtlingskosten in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro abdecken würde. Ähnlich ist es in NRW: Gegenüber 2015 verdoppeln sich die Flüchtlingsausgaben im nächsten Jahr von zwei auf vier Milliarden Euro. Gleichzeitig sinkt der Anteil des Bundeszuschusses an den Flüchtlingskosten laut NRW-Finanzministerium von 22,1 auf 19,6 Prozent.
Die Schuldenbremse soll weiter gelten
Wie viel die Länder genau für Flüchtlinge ausgeben, ist aber nur schwer abzusehen und nur bedingt vergleichbar. Rheinland-Pfalz etwa summiert unter diesem Haushaltsposten nur die Kostenerstattung für Kommunen und die Erstunterbringung. Andere Länder wie Brandenburg bilanzieren auch Personalkosten für Lehrer, Polizisten und Richter. Auch der Bundesanteil ist oft nicht eindeutig zu beziffern.
Fest steht nur: Auf die Länder kommen hohe ungeplante Ausgaben zu. An der Schuldenbremse, die ab 2020 eine Null-Neuverschuldung vorsieht, wollen die Ministerpräsidenten aber vorerst nicht rütteln. Es gibt allerdings vorsichtige Versuche, temporäre Ausnahmeregelungen zu etablieren, durch die Flüchtlingskosten separat betrachtet werden sollen. Auch kursiert in einigen Staatskanzleien die Idee, die Schuldenbremse notfalls erst nach 2020 greifen zu lassen.
CSU-Chef Horst Seehofer hatte kurz vor Weihnachten noch eine andere Idee ins Spiel gebracht: Bayerns Ministerpräsident stellte wegen der Asylkrise die bis 2030 geplante Abschaffung des Solidaritätszuschlags infrage und brachte einen “Flüchtlings-Soli” ins Spiel.
Derzeit bringt der Soli jährlich rund 15 Milliarden Euro an Einnahmen. Das Geld steht zwar ausschließlich dem Bund zu. Doch das Kalkül Seehofers und anderer Landeschefs: Wenn der Bund finanziell besser ausgestattet ist, wird für die Länder davon schon etwas abfallen.
Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die bayerische Regierung unterstützt, kommt von seinem Stellvertreter Kritik. “Das Denken in langen Linien ist nicht die Stärke von Horst Seehofer. Solche Spielereien sind weder hilfreich noch konsistent”, sagte Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) der “Welt”. “Es bringt nichts, die Flüchtlinge als Vorwand für den Erhalt des Soli zu missbrauchen.”
Allerdings spricht sich auch Schmid, der bei Baden-Württembergs Landtagswahl im März als SPD-Spitzenkandidat antritt, für eine Beibehaltung des Soli aus: “Wir brauchen den Soli nicht für Flüchtlinge, sondern um die Zukunftsaufgaben in Bund, Ländern und Gemeinden zu bewältigen.”
Wirtschaftsweiser fordert Abschaffung des Soli
Eine Abschaffung des Soli fordert dagegen der Wirtschaftsweise Lars Feld. “Die Forderung, den Solidaritätszuschlag in einen Flüchtlings-Soli umzuwandeln, ist ein durchsichtiges Manöver”, sagte der Ökonom. Bayern gehe es bei diesem Vorschlag vor allem um die Absicherung des vom Freistaat maßgeblich getragenen Vorschlags zum Länderfinanzausgleich.
Die Länder fordern in den Verhandlungen ab 2020 rund 9,6 Milliarden Euro mehr vom Bund pro Jahr. “Die Steuerzahler spielen in diesem Gerangel zwischen Bund und Ländern keine Rolle”, sagte Feld. Wenn der Staat dauerhaft mehr Geld brauche, solle er andere Steuern wie die Einkommens- oder die Mehrwertsteuer erhöhen, fordert der Finanzwissenschaftler. Aber: “Die CSU wäre dann mitverantwortlich für den Bruch des Wahlversprechens, keine Steuern zu erhöhen.”
Die geplante, dann aber von Bayern verhinderte Integration des Soli in die Einkommensteuer “wäre ehrlicher gewesen, als eine Ergänzungsabgabe bis Sankt Nimmerlein verlängern zu wollen”, sagte Feld.
Länder fordern volle Kostenübernahme vom Bund
Kurzfristig hilft die Soli-Diskussion den Ländern ohnehin nicht weiter. Sie fordern deshalb andere Maßnahmen. “Wir gehen nicht davon aus, dass die Kostenerstattung des Bundes ausreichend sein wird, und fordern vom Bund eine vollständige Übernahme der Kosten für Asylbewerber”, heißt es etwa aus dem sächsischen Finanzministerium.
Das Bundesfinanzministerium blockt solche Vorschläge mit Verweis auf die Zusagen auf dem vergangenen Flüchtlingsgipfel ab. Doch ob der Bund am Ende nicht doch mehr Geld dazuschießen muss, ist offen. Planungssicherheit gibt es derzeit für keinen Finanzminister.
“Da niemand die weitere Dynamik der Flüchtlingszahlen vorhersagen kann”, heißt es auch aus dem Haus von Hessens Finanzminister Schäfer, “ist es nicht absehbar, ob es 2016 womöglich einen Nachtragshaushalt geben wird”.