Samstag, April 20, 2024
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BKA spioniert Handys aus – „Trojaner-Gesetz muss überprüft werden“

Das BKA hat damit begonnen, den umstrittenen Staatstrojaner für Smartphones einzusetzen. „Das Problem ist, dass damit nicht mehr in die Kommunikation eingegriffen wird“, erklärt Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise. „Sondern dort, wo die Kommunikation noch nicht verschlüsselt ist: also im Gerät, im Smartphone selbst.“

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR wird der Staatstrojaner, auch Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) genannt, für Smartphones und Tablets bereits in aktuell laufenden Ermittlungsverfahren verwendet, um auf Daten und Dokumente von verdächtigen Personen zuzugreifen. Dadurch, dass der Staatstrojaner auf dem Smartphone selbst eingesetzt wird, besteht die Möglichkeit, nicht nur auf die Kommunikation zuzugreifen, sondern auch auf sämtliche andere Inhalte, die im Smartphone oder im sonstigen Endgerät gespeichert sind. Weichert vom Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e. V. (DVD) betont im Sputnik-Interview:

„Da jetzt eine saubere Differenzierung vorzunehmen, was eine reine Kommunikation ist, die per Richtervorbehalt überwacht werden kann, oder was dann vielleicht sonst noch gespeichert ist – wo dann unter Umständen hochsensible Informationen, intime Bilder oder Ähnliches dann dabei sein können – das gilt es dann zu unterscheiden. Das ist sehr schwierig. Dass das Bundeskriminalamt (BKA) jetzt den Trojaner einsetzt, ist nachvollziehbar, nachdem die gesetzlichen Regelungen geändert wurden, sorgt aber für große Verunsicherungen bei den jeweiligen Smartphoneinhabern.“

Strafverfolger beklagen sich schon länger darüber, dass sie nicht mehr in der Lage sind, effektiv im Internet zu ermitteln. BKA-Vizepräsident Peter Henzler sagte bei einer Anhörung im Bundestag, es komme „zu teils erheblichen Überwachungslücken“.

Im Interesse der „Waffengleichheit“ von Kriminellen und Polizei müsse es auch für die Polizei eine Möglichkeit geben, in diese besonders geschützte Kommunikation einzugreifen, erklärt der ehemalige Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein Weichert. Das dürfe natürlich nicht heißen, dass jetzt auch die Polizei kriminell vorgeht. Sie müsse sich aber der gleichen Instrumente bedienen können, die auch Kriminelle nutzen: ganz klassische Hacking-Methoden.

Im Sommer 2017 hatte die Bundesregierung in einem Gesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Trojanern klarer geregelt. Auch habe der Bundestag im Sommer beschlossen, die Sache noch einmal beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüfen zu lassen. Weichert hält dies für absolut sinnvoll. Der Jurist erklärt, dass das Gesetz ganz klar dazu geeignet sei, einen Eingriff in das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme vorzunehmen. Dieses Grundrecht wurde vom BVerfG im Februar 2008 neu formuliert. In diesem Urteil sei auch ganz klar definiert, unter welcher Voraussetzung solche Eingriffe zulässig seien. Weichert meint:

„Ob da jetzt wirklich hinreichend den Anforderungen genügt wird, da habe ich meine ganz großen Zweifel. Eine einmalige Genehmigung öffnet hier Haus und Tor für die Überwacher. Meines Erachtens ist es unbedingt notwendig, dass da noch zusätzliche Absicherungen stattfinden. Wenn das vom BVerfG noch gefordert würde, würde ich das sehr begrüßen.“

Die Bürgerrechtsorganisation „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ plant, gegen das Staatstrojaner-Gesetz Verfassungsbeschwerde zu erheben. Derzeit werde an einer Beschwerdeschrift gearbeitet.

Der Erfolgsaussichten dieser Verfassungsbeschwerde hält Weichert für nicht voraussehbar, da die Praxis des BKA überhaupt noch nicht bekannt sei. Man wolle beispielsweise aus „einsatztaktischen Gründen“ keine Auskünfte erteilen, wie oft die Software bereits eingesetzt wurde.

Andererseits liege hier schon die Rechtsprechung zum Trojaner aus dem Jahr 2008 vor. Weichert geht davon aus, dass im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens, oder der Gerichtsverfahren generell, jetzt noch mehr bekannt werden müsse, um dann wirklich eine saubere Bewertung vornehmen zu können. Er sehe aber angesichts der gesetzlichen Grundlagen schon eine gewisse Chance, dass hier die Kläger durchkommen und dass das Gesetz, die gesetzliche Erlaubnis für Quellen-TKÜ, gründlich nachgebessert werden muss.

Interview mit Thilo Weichert

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