Donnerstag, April 18, 2024
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Bosbach: „Was ich jetzt sage, gilt als uneuropäisch, ist aber die Wahrheit“

Nach dem Fall Anis Amri streiten sich CSU und CDU um ein Konzept im Umgang mit Flüchtlingen und der Bekämpfung des Terrorismus. Ein Zentralproblem: Nach wie vor weiß niemand, wer über die offenen Grenzen nach Deutschland kommt. Sputnik hat darüber mit dem Innenexperten Wolfgang Bosbach (CDU) gesprochen.
Zu Beginn geht es um die Obergrenze. Bei diesem Begriff gehe es laut Bosbach um eine wichtige politische Frage: „Nämlich, wie können wir in Zukunft verhindern, dass die Aufnahme- und Integrationskraft unseres Landes überfordert wird, so wie das spätestens ab Sommer 2015 der Fall war.“ Es gebe zwar weder in der Verfassung noch im internationalen Völkerrecht eine Ziffer für eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen, aber kein Land, auch Deutschland nicht, habe eine unbegrenzte Aufnahme- und Integrationskraft. Das wolle die CSU im Wahlprogramm verankern. Dass die Kanzlerin mit dem Begriff Obergrenze nicht viel hält, sei bekannt.
s gehe konkret darum, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Deutschland zukünftig „wirklich schutzbedürftige Menschen“ aufnehmen soll. Für Bosbach sind dafür zwei Dinge entscheidend: Zum einen müssen es Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten sein, die politisch verfolgt werden. Zum Zweiten müssten Identität und Nationalität geklärt sein: Sie müssen sich ausweisen können.

Im „Fall Amri“ sei genau das das Hauptproblem gewesen: Sein Heimatland Tunesien habe sich wegen seines fehlenden Passes zunächst geweigert, ihm Ausreisepapiere auszustellen. Diese seien erst nach dem Anschlag in Deutschland angekommen, weil Amris Identität so lange ungeklärt war. Durch den fehlenden Pass habe Amri in Deutschland 14 verschiedene Identitäten annehmen können.

„Das passiert, indem man Menschen einfach einreisen lässt. Es ist natürlich alles rechtswidrig“, sagt Bosbach. Aber man müsse die Rechtslage mit der Praxis abgleichen: „Wenn jemand einreist und irgendeine Nationalität oder Identität angibt, dann kann ich das nicht mit Fingerabdrücken abklären.“
Der CDU-Abgeordnete kritisiert das aktuell praktizierte System und bringt den Sputnik-Reporter mit ins Spiel: „Wenn man ihnen Fingerabdrücke abnimmt, könnte man die nur vergleichen, wenn es sie schon in irgendeiner Datei gibt. Wenn es bei den Abdrücken Differenzen gibt, sind Sie genau so schlau wie zuvor: Stimmt die eine oder die andere Identität? Oder stimmen beide nicht?“ Der Innenexperte lässt keinen Zweifel, dass diese Art der Identifikation unzureichend ist.

Dazu kämen die offenen Grenzen in der EU. „Da vagabundieren leider auch Ganoven quer durch den Schengen-Raum — mit unterschiedlichen Identitäten und Nationalitäten“, warnt der 64jährige. Schon bei einem Einzelnen hätten es die zuständigen Behörden schwer, den Sachverhalt aufzuklären.

Sputnik spricht Bosbach auf die Aussagen des Braunschweiger Polizeikommissars Ulf Küch an. Dieser hatte berichtet, es gebe Banden junger Männer, die mit bis zu 30 Identitäten ausgestattet systematisch in Deutschland auf Diebestour gingen. „Das ist keine neue Erkenntnis, allerdings weitestgehend tabuisiert. Der Rheinländer kennt da einen schönen Satz: Von nichts kütt nichts!“ zitiert Bosbach nicht ohne Sarkasmus. Das sei eine Folge der EU-Grenzen, die durchlässig seien wie nie – bei gleichzeitiger Abschaffung von Binnengrenzkontrollen. Das führe nun einmal zu einem Verlust von Sicherheit. „Was ich jetzt sage, gilt als uneuropäisch, ist aber die Wahrheit. Wenn wir sagen, wir nehmen jeden auf, der einen Asylantrag stellt. Und dann prüfen wir in langwierigen Verfahren, ob er hier bleiben kann oder nicht. Dann nutzen eben viele die Gelegenheit, um sich den Zugriff der Behörden zu entziehen und reisen einfach.“

Mehr: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/

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