Dienstag, April 23, 2024
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Brennpunkt Alex: Warum knallt es hier immer wieder?

Körperverletzungen, Taschendiebstahl, Alkohol, Drogen: Immer wieder gerät der Berliner Alexanderplatz in die negativen Schlagzeilen. Trotz vieler Maßnahmen der Polizei. „Mehr Polizeipräsenz“, fordern Vertreter von Polizeigewerkschaft und Politik im Gespräch – und geben Tipps gegen Diebstahl.

„Ganz ehrlich: Ich würde es begrüßen, wenn es mehr Polizei hier gäbe“, sagt eine Jugendliche auf dem Alexanderplatz gegenüber Sputnik am Donnerstagabend. „Weil es hier schon viele Angriffe gab, auch auf Homosexuelle, wo die Polizisten nichts getan haben. Uns wird praktisch nicht geholfen. Die fahren hier einmal Streife, die gucken da nur, die machen nicht mal was. Es gibt hier 12-jährige Jugendliche, die Drogen nehmen und Alkohol trinken – und da wird einfach nichts gegen gemacht.“

„Es kann nicht sein, dass wir hier so viel Kriminalität haben“, kommentierte ein weiterer Jugendlicher vor Ort. „Nur weil die Polizei nichts tut. Also ich bin auch für mehr Polizei und dafür, dass sie auf die Probleme achtet. Ich schlage Zivilpolizisten vor, weil die nicht auffallen.“ Eine andere junge Erwachsene berichtete: „Hier gibt es auch viele Diebstähle durch Ausländer. Ich fühle mich auch oft belästigt von denen.“

Ein häufiges Problem auf dem Platz seien zudem gewalttätige, teilweise mit Messern ausgeführte Übergriffe von Neo-Nazis auf Migranten und andere Bürger, schilderten einige Jugendliche.

Der „Alex“: Schon immer ein Hotspot für Kriminelle

Verbrechen und Übergriffe auf dem Platz seien „kein neues Phänomen“, sagt Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Berlin, im Sputnik-Interview. „Der Alexanderplatz hatte immer schon als zentraler Platz in Berlin hohe Kriminalitätszahlen.“ Die Hauptstadt sei gewachsen, die Touristenzahlen ebenso. „Es laufen heute mehr Leute über den Alexanderplatz, als es noch vor Jahren der Fall war.“ Das schaffe Tatgelegenheiten für Kriminelle.

Ein „Zelt-Dorf“ der Obdachlosen im Berliner Tiergarten
© Sputnik/ Alexander Boos

Etwa 350.000 Menschen laufen täglich über den Alexanderplatz (auch: „Alex“) in Berlin-Mitte. Darunter Einwohner der Stadt, Touristen, Pendler und Straßenhändler, aber auch Jugendliche und Migranten. Sie alle nutzen den öffentlichen Platz am Fernsehturm als Treffpunkt – und können dort immer wieder Opfer von Verbrechen werden. „Bei der Mehrzahl der registrierten Fälle handelt es sich um Betrug, Körperverletzungsdelikte, Taschen- und Ladendiebstähle, Beförderungserschleichungen und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz“, teilte Michael Gassen von der Pressestelle des Polizeipräsidenten in Berlin gegenüber Sputnik mit.

„Jugendgruppen prallen aufeinander“: Das passiert auf dem Alex

„Insbesondere erlebnisorientierte Jugendliche und Heranwachsende und seit 2016 vermehrt Gruppen jugendlicher, heranwachsender und erwachsener Geflüchteter nutzen den Bereich als Treffpunkt“, so der Polizeisprecher weiter. „Spontane und möglicherweise bewusst gesuchte Begegnungen und Konfrontationen jeglicher Art bedingen die zu beklagenden gewalttätigen Auseinandersetzungen.“ Der Konsum von Alkohol oder Drogen innerhalb dieser Gruppen setze außerdem die Hemmschwelle zusätzlich herab.

„Weil da natürlich viele Jugendgruppen aufeinanderprallen, vor allem auch Jugendgruppen mit Migrationshintergrund“, kommentierte der Berliner Polizeigewerkschaftssprecher. „Viele unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die dort aufeinanderprallen. So ehrlich muss man sein. Und es ist schon so, dass es nicht zu einer Massenschlägerei kommt, wenn irgendwo Licht ist.“

Laut ihm hätten sich die neuen Beleuchtungsanlagen der Polizei, die sogenannten Lichtgiraffen, bewährt bei der Verdrängung von Delikten durch Jugendliche. Nach Aussagen der Berliner Polizeipressestelle werden die Lichtgiraffen „situativ im Einsatzraum Rathausforum eingesetzt.“ Die Polizei erreiche durch die Lichtgiraffen bereits eine gewisse Verdrängung der Kriminalität.

Neue Alex-Wache: Das unternimmt die Berliner Polizei

Seitens der Polizei gibt es schon immer wieder Versuche, die Lage auf dem Alex zu beruhigen. Auch durch mehr Überwachungstechnik und Sonstiges. So ist für Dezember 2017 die Fertigstellung der Kombi-Wache auf dem Platz geplant. Jendro begrüßt die Idee:

„Weil es hier darum geht, Landespolizei, Bundespolizei und Ordnungsamt letztlich in ein Gebäude zu bringen und damit die Zusammenarbeit zu verbessern. Aber man muss ganz ehrlich sein: Alleine die Wache wird es nicht bringen.“ Die Kombi-Wache könne eine Hilfe sein, aber nur „in Unterstützung mit einer dauerhaften Polizei-Präsenz und einer dauerhaften Nutzung von moderner Technik am Alexanderplatz.“

Die geplante Kombi-Wache sei ein Baustein zur „dauerhaften Senkung der andauernd hohen Kriminalitätsbelastung“,  betont Polizeisprecher Gassen. Hierzu zähle die Einrichtung einer Alex-Wache, „die voraussichtlich im Dezember 2017 an die Polizei Berlin übergeben wird. Die Alex-Wache wird rund um die Uhr besetzt sein. Ziel ist die Schaffung einer bürgernahen, serviceorientierten Ansprechstelle für die Bürger, Touristen und Nutzer des Alexanderplatzes“

Berliner Innenexperte übt Kritik

Dem widerspricht Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. „Ich habe da keine hohe Erwartung“, sagt er im Sputnik-Gespräch. Es sei reine Symbol-Politik. Die Stadt brauche mehr Polizeibeamte, die in ausreichender Zahl Präsenz zeigen.

„Die Tatsache, dass dort irgendeine Wache steht, ändert überhaupt nichts, was die Sicherheit angeht. Darum geht es nicht. Was wir brauchen, ist Polizeipräsenz. Und dazu gehören auch die Initiativen, die wir jetzt in der Haushaltsplanberatung (im Abgeordnetenhaus) unternommen haben. Da haben wir gesagt: Wir wollen 240 zusätzliche Verwaltungskräfte für die Polizei haben. Und zwar deshalb, weil die sofort verfügbar wären und wir sie einsetzen könnten, auf die Straße zu gehen, dort Präsenz zu zeigen. So schaffen wir auch Sicherheit an Orten wie dem Alexanderplatz“, so FDP-Innenpolitiker Luthe.

So schützen Sie sich vor Diebstahl: Tipps für Alex-Besucher

Polizeigewerkschafter Jendro riet:

„In erster Linie geht es darum, dass jeder auf seine Geldbörse und Papiere aufpasst. Ich muss die nicht frei herumtragen und damit winken, wenn ich gerade sehr viel Geld von der Bank abgehoben habe. Es ist immer von Vorteil, die Geldbörse im geschützten Körperbereich zu haben. Beispielsweise unter der Jacke.“

Die Bürger sollten aber auch nicht „in ständiger Unsicherheit“ über den Platz laufen, dass „hier ständig was geklaut wird.“ Außerdem seien Zivilcourage und mitmenschliches Verhalten untereinander wichtig.

Quelle!   Autor:  Alexander Boos

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