Mittwoch, April 24, 2024
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CSU: Horst Drehhofer und die Scheinkonservativen

Das Wort „Radfahrer“ bezeichnet nicht nur Jemanden, der gerade radelt, sondern es ist außerdem ein Synonym für „Opportunist“. Nicht umsonst ist „Ja, mia san mi´m Radl da“ ein volkstümliches Stimmungslied aus Bayern. Die vormals Konservativen von der CSU sind inzwischen sogar Rennradlfahrer, so schnell, wie sie heute die eine Position gegen eine andere tauschen, wenn es ihnen opportun scheint.

Der Gottvater der Christsozialen, Franz Josef Strauß (1919 – 1988), rotiert in seiner Gruft zu Rottach-Egern, wenn ihm Sendboten des Himmels die Nachrichten aus der Bayerischen Staatskanzlei vorlesen. Die Herren Seehofer und Söder sind gerade dabei, sein Lebenswerk, die in Bayern unangreifbare CSU, in Grund und Boden zu radeln.

Von Horst Seehofer ist man dieses Destruktivradeln schon lange gewöhnt, von Markus Söder eher nicht. Vor Kurzem galt er noch als der Lordsiegelbewahrer der heiligen Berechenbarkeit, weswegen er auch als die „Alternative zum Horst“ begriffen worden ist. Einen „konservativen Aufbruch in der CSU“, der hin und wieder von sich hören machte, hat es letztes Jahr auch noch gegeben, aber dieses Jahr scheint der Aufbruch zusammengebrochen zu sein, so mucksmäuschenstill bleibt es.

Horst Seehofer zählte sich seit jeher selbst zu den Herz-Jesu-Sozialisten. Das ist zu keiner Zeit ein Geheimnis gewesen. Dass er in der sozialprotestantischen Angela Merkel sein ökumenisches Ergänzungsstück gefunden hat, ist daher keine große Überraschung. Trotzdem ist es für den Konservatismus der CSU natürlich tödlich gewesen. Heute rächt sich, dass die vormals Konservativen in dem Glauben, man müsse die Leute dort abholen, wo sie stehen – und in der Furcht, parteipolitisch bedeutungslos zu werden -, von der sozialdemokratistischen Ära der Siebziger Jahre bis heute einem Zeitgeist hinterhecheln, welchem sie selbst kein einziges seiner Merkmale verpasst haben. Deswegen wirken die Christsozialen und die Christdemokraten heute auch so unauthentisch, was man von der Linken beim besten Willen nicht behaupten kann. Niemand weiß heutzutage mehr so ganz genau, wofür die christlich Unierten eigentlich stehen.

Die Liste von Seehofers orientierungslosen Wendemanövern ist ellenlang. So lang ist sie, dass nicht Wenige den Opportunismus inzwischen für den politischen Markenkern der CSU halten. Zuletzt pinselte Seehofers Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsienten, Markus Söder, bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ottobeuren den Bauch der Gastrednerin Merkel, was selbst die Skeptischsten unter den Söderkritischen noch vor Jahresfrist für ausgeschlossen gehalten hätten. Den Bayern droht nach der kommenden Landtagswahl am 14. Oktober gar eine schwarz-grüne Koalition. Und nur die Gläubigsten unter den bayerischen Konservativen beten noch dafür, dass ein Wunder in Form der Auferstehung von Franz-Josef Strauß, der dann, sitzend zur Rechten, richtend die Verräter und die wortbrüchigen Verwahrlosten, geschehen möge.

Ohne eine verbindliche Obergrenze werde es keine Fortsetzung der GroKo mit Beteiligung der CSU geben, verkündete Seehofer großspurig bereits im Februar 2017. Darauf angesprochen im August 2017, einen Monat vor der Bundestagswahl, dann die drehhoferische Erklärung, so einfach sei Politik auch wieder nicht, als dass man ihn auf seine Ankündigungen von früher festnageln dürfe. Es sei schon ein CSU-Erfolg, dass das Thema Obergrenze Einzug in die politische Debatte gehalten habe. Nach der Bundestagswahl dann Seehofers und Merkels gemeinschaftlicher Betrugsversuch, dem Wähler einen konsequenzenlos niedergeschriebenen Durchschnittswert der jährlichen Einwanderungszahlen im Koalitionsvertrag als erfolgreiches Ergebnis zäher Verhandlungen anzudienen. Diesem Propagandamanöver machte dann ausgerechnet der hart vom Wähler abgestrafte Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, ein öffentliches Ende, indem er freimütig ausplauderte, worum es sich bei der „zäh verhandelten Obergrenze“ in Tat und Wahrheit handelte: Um heiße Luft nämlich.

Sooft Seehofer in den letzten drei Jahren Etwas behauptet hat, musste er hernach zurückrudern. Sooft er Etwas gefordert hat, musste er hernach klein beigeben. Sooft er eine Überzeugung äußerte, musste er hernach behaupten, er sei nicht ganz richtig verstanden worden. Den Vogel schoss der radelnde „Drehhofer“ aber in der causa Maaßen ab. Zunächst stellte er sich hinter den Chef des Bundesamtes für den Verfassungsschutz. Als Nächstes trat er, noch immer hinter Maaßen stehend, insofern etwas zur Seite, als dass er der grundlosen Versetzung des Spitzenbeamten ins Innenministerium unter der Bedingung einer Beförderung zum Staatssekretär zustimmte. Und selbst das konnte Drehhofer nicht über die Ziellinie bringen. Maaßens Beförderung fiel aus. Er wird nun lediglich Sonderberater im Innenministerium und die avisierte Gehaltserhöhung unterbleibt. Das wiederum deswegen, weil sich Drehhofer von der greinenden SPD-Chefin Nahles und einer herrschsüchtigen Angela Merkel die Nachverhandlung einer an sich schon stehenden Vereinbarung aus dem Kreuz leiern ließ. Nahles hatte wegen ihrer Zustimmung zu Maaßens Beförderung Zunder von der eigenen Partei bekommen. Betrübtes Frauensvolk seiner Person wegen ist aber das Letzte, was ein Herz-Jesu-Sozialist aushalten kann, ohne sich dabei wie Einer, der die örtliche Marienstatue mit obszönen Graffiti beschmiert hat, vorzukommen. Also knickte Drehhofer wieder ein, um den Preis seiner eigenen – und der Lächerlichmachung der CSU.

Die vormals Konservativen aus Bayern gelten inzwischen bundesweit als politische Leichtgewichte in Merkelschen Matrosenanzügen. Auch um ihr wenig schmeichelhaftes Image wissen sie ganz genau. Von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt geblieben ist nämlich die verräterische Diskrepanz zwischen ihren Worten und ihren Taten. Die Quittung am 14. Oktober wird sein, dass die CSU seit über 60 Jahren zum ersten Mal nicht aus eigener Kraft den bayerischen Ministerpräsidenten stellen kann, sondern auf das Wohlwollen eines Koalitionärs angewiesen sein wird. Dass es sich dabei ausgerechnet um die Grünen, jenen Haufen, dem F.J. Strauß bereits 1986, zwei Jahre vor seinem plötzlichen Tod, attestiert hatte, dass die Bundesrepublik unter ihrer Beteiligung zu einem Narrenschiff verkäme, handelt, ist der größte Schandfleck, mit dem man einen vormals konservativen Trachtenjanker überhaupt bekleckern kann.

Wie impotent die heutige CSU ist, lässt sich ausgerechnet an einem SPD-Wahlplakat zur Bayernwahl ablesen. Der fränkische Landtagskandidat Harry Scheuenstuhl klebt in seinem politischen Beritt, dem Umkreis von Nürnberg/Fürth/Erlangen, Plakate mit folgendem Slogan: „Einer von hier. Einer für uns.“ Trotz der Merkwürdigkeit, dass gerade in SPD-Kreisen ein solches Plakat, hätte es die politische Konkurrenz geklebt, als ultranationalistisch, fremdenfeindlich und heimatbesoffen bezeichnet würde, unterlässt es die heutige CSU sogar, in genau diese Wunde Salz zu streuen.

Die ehemaligen Strauß-Jünger sind evident vom Glauben abgefallen. Dieser Glaubensabfall ist in den Herren Seehofer und Söder, die sich zu allem Überfluss auch noch als inhaltliche Partei-Kontrahenten begreifen, personifizierte Sichtbarkeit geworden. Und genau das wird der CSU das Genick brechen. Im Fall der CSU lässt sich nur noch sagen: Vor dreißig Jahren, nach dem Tod des Parteigehirns vom Kurs abgekommen, und bis heute nicht wieder in die richtige Spur zurückgefunden. Mit den Grünen koalieren zu müssen, um den Konservatismus der AfD in die Opposition zu zwingen, ist in Bayern so, als würde man sich in seinem BMW von einem schwäbischen Elektromercedes überholen lassen – und ein freundliches Gesicht dazu machen müssen. Eine einzige Schande ist das. Und Seehofer ist ihr Gesicht.

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