Freitag, März 29, 2024
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Das Bürgermeister-Duell: Berlin ist keine funktionierende Stadt

Michael Müller von der SPD hält sich in Berlin für einen besseren Bürgermeister, als Oberbürgermeister Palmer von den Grünen in Tübingen. Das ergibt sich aus seiner Reaktion auf Boris Palmers Schmähreden hinsichtlich unserer Hauptstadt, auf die doch das ganze Land so stolz ist. Was Boris Palmer über Berlin gesagt habe, sei frei von jeder Sachkenntnis, erwiderte der erboste Müller nun. Der Tagesspiegel berichtete. Die Kurzform: Ich bin Michi der Checker, und Palmer ist ein Milchbubi.

Hieße der grüne  Oberbürgermeister von Tübingen mit Nachnamen Trump, hätte er Berlin sogar als „sh*thole city“ bezeichnet. Zum Chef der Kloake wollte Regierender Bürgermeister Michael Müller medial aber nicht auch noch werden. Boris Palmer musste partout Contra bekommen.

Wer die Zustände in Berlin kennt, der vermutet unwillkürlich, daß der Regierende Bürgermeister der letzte sein könnte, von dem man erwarten darf, daß er sich vor dem Reden überlegt, ob er wohl einen Stich machen wird. Da wurde schon bisher planlos im Nebel herumgestochert, wie Boris Palmer scharfsichtig bemerkt hatte. Müllers Amoklauf im Tagesspiegel gegen die nüchterne Analyse des Grünen sind der Beweis. Der Regierende von der SPD zieht zum Schaden nun auch den Spott noch an wie ein Magnet.

Berlin ist eine Stadt, die funktioniert. In einigen Punkten noch nicht gut genug – aber sie funktioniert„. Man ist geneigt, unangekündigte Drogentests bei Politikern zu fordern, um ein Zeichen zu setzen im Kampf gegen die Verwirrung. Die Gründung Berlins erfolgte im Jahr 1237. Was soll das heißen, die Stadt „funktioniert in einigen Punkten noch nicht gut genug“? Wir haben Ende 2018. Was will Michi der Checker dem Leser denn weismachen? Daß es „nach vorne“ geht, seit er Regierender Bürgermeister ist? Weil „hinter“ ihm alles noch viel schlimmer gewesen ist? Weil in der Stadt weniger Leichen die Straßen pflastern als 1945?  – Keine Ahnung. Man weiß es noch nicht gut genug.

Der Grünen-Politiker hatte von dem Gefühl gesprochen, den „funktionierenden Teil Deutschlands“ zu verlassen, wenn er in der Hauptstadt aus dem Zug steige. In Berlin funktioniere überhaupt nichts, so Palmer unter Verweis auf Kriminalität, Drogenhandel und bittere Armut lakonisch.

Müller schrie vor Schmerzen: „Was Boris Palmer sagt, ist frei von jeder Sachkenntnis. Offenbar lässt er sich von knalligen Überschriften mehr beeindrucken als von der Realität.“ In Berlin lebten schließlich fast vier Millionen Menschen gut zusammen. Es fehlte nur noch, daß Müller behauptet hätte, die vier Millionen liebkosen sich, weshalb auch 40.000 Weitere jedes Jahr dazukämen, die in einer „tollen  Stadt“ mit vielen guten Arbeitsplätzen und einer riesigen Wissenschaftslandschaft einen liebevollen Umgang miteinander pflegen wollen.

Es ist realiter so: Von den vier Millionen, die in Berlin gut zusammenleben, überleben das jedes Jahr immer weniger Leute unerstochen. Eine Stadt jedoch, in der immer mehr Berliner erstochen werden und die Kriminalitätsrate generell recht hoch ist, obwohl man das durch eine andere Politik durchaus ändern könnte, ist keine tolle Stadt. Lachen kann über Michi den Checker trotzdem niemand. Man lacht ja auch nicht über Drogenopfer.

Die Mieten in Berlin explodieren, und wo die Miete einen immer größeren Teil des Monatseinkommens auffrißt, der Strom ständig teurer wird und Energie generell viel kostet, handelt es sich ebenfalls nicht um eine tolle Stadt. Berlin ist also eine Stadt mit knapp vier Millionen Einwohnern, in welcher die Kriminalität ansteigt, Gewaltverbrechen zunehmen, wo Armut herrscht und die Mieten explodieren. Und eine „saubere Stadt“ sieht außerdem auch anders aus. Also nochmal: Berlin ist ein versifftes Drecksloch von vier Millionen potentiellen Verbrechensopfern, die vor lauter Armut bald kein Dach mehr über dem Kopf haben werden. Durch Übertreibung zur Erkenntnis. Boris Palmer hat recht.

Müller gibt aber noch nicht auf. Mit Blick auf die Kriminalitätsentwicklung bermerkt er, Berlin sei noch nicht der Gipfel an Kriminalität und Drogenhandel. Voll der Konzilianz räumt er allerdings ein: „Wir haben Probleme, aber wir gehen sie an.“ Mit anderen Worten: Michi der Checker möchte Applaus dafür haben, daß er etwas angeht, anstatt untätig zu bleiben. Vielleicht weiß er nicht, wofür er sein Geld bekommt. Vermutlich würde es ihm aber auch nichts ausmachen, gar keinen Applaus dafür zu erhalten, daß er überhaupt nichts tut. Solange er Regierender Bürgermeister bleibt, natürlich.

Aber auch Tagesspiegel-Redakteur Bernd Matthies versucht, Boris Palmer als einen, auf den Schultern von Melanchthon und Hegel stehenden, schwäbischen Provinzler aus Tübingen zu outen. Allein die Berliner Stadtteile Marienfelde und Mariendorf hätten so viele Einwohner wie Tübingen – und keinen eigenen Bürgermeister. Vier Millionen seien nicht so leicht zu verwalten wie 88.000. Dann mutmaßt er, daß Palmer es nie verwunden haben könnte, als 18-Jähriger den schwäbischen Mief nicht verlassen und nach Berlin umgezogen zu sein, wo es den ach-so-begehrten Duft der weiten Welt zu schnuppern gegeben hätte. Und daß er einfach deswegen herumzickt.

Meine Perspektive, deine Perspektive

Den Berliner Herren Matthies und Müller sei nun Folgendes gesagt: Es spielt keine Rolle, ob Boris Palmer oder der Räuber Hotzenplotz etwas über Berlin gesagt hat. Es ändert nämlich an Berlin gar nichts. Wenn eine Aussage evident stimmt, dann ist die Qualifikation des Redners egal. Aus welchen Gründen in Berlin bald vier Millionen leben, wie schwierig das zu organisieren ist, warum es Armut, steigende Mieten und den ganzen anderen Mist gibt, ist absolut irrelvant hinsichtlich der Frage, ob Berlin eine funktionierende Stadt ist.

Berlin ist keine funktionierende Stadt und sie ist deshalb auch keine tolle Stadt. Diese Aussage steht für sich. Sie ist wahr. Die Gründe dafür, warum sie wahr ist,  sind wieder ein ganz anderes Thema. Auch, wenn es für Linke und SPDler schier unmöglich sein dürfte, das zu glauben: Es kommt nicht darauf an, wer die Dinge wie sieht und beschreibt, sondern darauf, wie sie sind. Michael Müller hat, typisch SPD, wieder einmal sich selbst und alle anderen in die Tasche gelogen. Berlin ist keine funktionierende Stadt. Das müsste nicht sein.

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Rudolph Giuliani, Bürgermeister von New York 1994 – 2001 – Foto: Imago

New York ist auch schon einmal keine funktionierende Stadt mehr gewesen. Doch dann wurde Rudolph Giuliani Bürgermeister. Wenig später war New York wieder eine funktionierende Stadt. Müßig zu erwähnen, daß Rudy Giuliani nicht gerade das ist, was man sich gemeinhin unter einem deutschen Sozialdemokraten vorstellt. Besonders grün ist er allerdings auch nicht.

@jouwatch

Quelle!: #zaronews

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