Donnerstag, März 28, 2024
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Das Ende einer „typisch österreichischen Gschicht“

Die Kompromisslösung der Regierung machte jeden Bürger zum Verfechter seines eigenen Rechtsverständnisses.

Mit dem Tabakgesetz hat die Politik jahrelang befördert, was sie eigentlich verhindern hätte sollen: Die Bevölkerung zu spalten

Länger als sechs Jahre besteht die Regelung, die Nichtraucher schützen sollte. Genauso lange die Posse darum. Zufrieden durfte damit eigentlich nie jemand sein. Der Nichtraucher nicht, weil er den Miesepeter geben muss und ehrenamtlich Rauchsheriff spielen darf. Der Wirt nicht, weil er ab einer Lokalgröße von

50 Quadratmetern in zwei separate Raucher- und Nichtraucherbereiche umbauen musste. Am zufriedensten durfte noch der Raucher sein; der durfte, was er immer schon durfte:

rauchen. Die Wirte rangen der Politik einen Kompromiss ab. In die Bredouille bringt dieser Kompromiss jetzt die Wirte selbst.

Mit dem grundsätzlichen Rauchverbot, das vor sechs Jahren in Kraft trat, wurde ein österreichisches Gesetz geschaffen, wie es österreichischer nicht sein könnte. Eigentlich waren es Ausnahmeregelungen mit einem daran baumelnden Gesetz, an das sich niemand hielt. Ich habe mir das vor fünf Jahren genauer angesehen. Eine Woche lang habe ich Pubs, Kaffeehäuser und Konditoreien besucht, und darüber eine Reportage für eine Wochenzeitung geschrieben. Viele Wirte warteten mit einem Umbau zu.

Einmal besuchte ich eine Konditorei am späten Nachmittag. Ein Raum, zwei Tische besetzt. Ein Nichtraucher-, ein Raucherplatz. Leicht erkennbar: Der eine Tisch im Nebel, der andere nur fast. Zwei junge Mütter nahmen mit ihren Sprösslingen den Raucherplatz ein. "Ein Kaffee ohne Zigarette ist nix für mich", sagte die eine. "Raucherdiskriminierung", sagten beide. Die Kinder sagten nichts. "Ich möchte wissen, wo hier der Nichtraucherschutz ist", sagte die Frau, die mit ihrem kleinen Sohn am anderen besetzten Tisch eine Jause aß.

Eine Wirtin erklärte: "Es läuft alles wie immer, verändert hat sich durch das Gesetz nix." Und ein Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft, der das Gesetz prüfen sollte, wusste von seiner Funktion als Prüforgan gar nichts. "Eine typisch österreichische Gschicht halt", sagte er weise und anscheinend aus Erfahrung sprechend. Aber auch abseits der Recherche war klar: Das Gesetz funktioniert nicht.

Gespaltene Bevölkerung

Die Politik hat mit dem Rauchverbotsgesetz jahrelang befördert, was sie eigentlich verhindern wollte: die Bevölkerung zu spalten. Die Kompromisslösung der Regierung machte jeden Bürger zum Verfechter seines eigenen Rechtsverständnisses. Denn: Die kontrollierenden Behörden wurde nur dann aktiv, wenn eine Anzeige einlangte. Das wiederum trennte die Bevölkerung in Rauchgegner und Rauchbefürworter. Das Gesetz, das Ordnung schaffen sollte, schaffte Unordnung. Es machte Bürger zu Gegnern. Es machte Gegner zu Rauchsheriffs.

Ein klares Gesetz hätte Klarheit geschaffen. Jetzt aber musste der beklagenswerte Nichtraucher, der sich von Rauchern gestört fühlte, zum Kläger werden. Der Staat, dem die Gastronomie (aufgrund der Umbaumaßnahmen) jetzt nicht gewährleistete Rechtssicherheit vorwirft, hat aber nicht nur den Wirten, sondern allen Bürgern Rechtssicherheit seit jeher verweigert. Mit Sicherheit konnte niemand ein rauchfreies Lokal besuchen. Geraucht wurde immer irgendwo, kontrolliert so ziemlich nie. Auch wo in zwei Bereiche getrennt war, stand die Tür zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich so weit offen, dass kein Raucher im dichten Nebel befürchten musste, wegen Luftknappheit vom Hocker zu fallen.

Die Macht der Gewohnheit

Das Rauchverbot erinnerte immer so ein wenig an das Gewaltverbot gegen Kinder, das vor 26 Jahren in Kraft trat. Der Lehrer durfte seine Schüler körperlich nicht mehr züchtigen. Wenn er es aber trotzdem tat, schrie auch keiner auf. Auch beim Rauchverbot gab es zwar eine gesetzliche Grundlage, aber niemand schrie anfangs auf, wenn er sein Schnitzel in dichtem Nebel verspeisen musste. Die Macht der Gewohnheit verflog in den letzten ein, zwei Jahren. In Internetforen entwickelten sich unter Artikeln zum Rauchverbot regelrechte Schlachten um die Meinungshoheit.

Eigentlich wäre die Debatte schnell erledigt. Zahlreiche Studien und Ärzte bescheinigen die Schädlichkeit von Passivrauchen. Es befördert Erkrankungen. In Ländern, die ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt hatten, gingen Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch zurück. Es gibt viele Debatten, die mit offenem Ausgang geführt werden können. Die Debatte um die Sinnhaftigkeit eines Rauchverbots gehört nicht dazu.

Chillige Genussmenschen und unchillige Süchtige

Immer wieder argumentieren Rauchverbotsgegner mit ihrer Freiheit, die nun beschnitten würde. Nämlich der Freiheit, zu entscheiden, wann und wo sie rauchen wollen. Dabei vergessen sie, dass sie zur Ausübung ihrer Freiheit immer auch die Freiheit anderer benötigten.

Immer wieder argumentieren Rauchverbotsgegner auch mit ihrer Vernunft, die den Gesetzeskompromiss doch rechtfertige. Es gibt natürlich vernünftige Raucher. Chillige Genussmenschen, die sich auf die Terrasse stellen und ein, zwei Genusszigaretten in den Wind blasen. In Lokalen beobachtet man aber meistens das Gegenteil. Unchillige Süchtige, die sich mit der einen die andere Zigarette anzünden, ohne zu fragen, ob das irgendjemanden nur ansatzweise stören könnte.

Trotzige Rauchverbotsgegner argumentieren aktuell, dass sich das Rauchen jetzt in die Privaträume verlagern werde – dorthin, wo auch Kinder sind. Sehr vernünftig lässt auch das den Rauchverbotsgegner nicht erscheinen. Oft wird auch damit argumentiert, dass eine zivilisierte Gesellschaft dazu in der Lage sein müsse, ein Miteinander untereinander zu regeln. Die vergangenen Jahre sind so etwas wie ein Gegenbeweis dafür.

Regierung korrigiert nun ihren Fehler

Die Politik hat ein Rauchverbot, das ohne Wenn und Aber seine Berechtigung hat, jahrelang verschleppt und korrigiert nun ihren Fehler. Verärgert sind jetzt vor allem Wirte, die umgebaut haben und zu großen Teilen auf ihren Kosten sitzen bleiben. Verärgert sind auch die Raucherverbotsbefürworter, weil man den Wirten bis 2018 Zeit gibt, um die Aschenbecher wegzuräumen. Und verärgert sind die Rauchverbotsgegner, denen weiterhin logische und klare Argumente fehlen.

Nach sechs Jahren Rauchverbotskompromiss soll nun in drei Jahren eine kompromisslose Lösung in Kraft treten. Ein Jahrzehnt ging dabei ins Land. Die Politik hat es verabsäumt, der Bevölkerung rechtzeitig die eindeutige Faktenlage zu erklären, die unlogische Argumentation der Rauchverbotsgegner zu entwirren und der Klientelpolitik – mit Wirten, die ein Wirtesterben gegenüber einem Passivrauchersterben als Argumentation durchbrachten – eine Absage zu erteilen.

(Gerald Gossmann, derStandard.at, 14.4.2015)

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