Freitag, März 29, 2024
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Deutscher Kapitalmarkt auf der Titanic

Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck
Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck
 

 

Prof. Schiereck: Ende der börsennotierten Aktie droht
Frankfurt am Main – Ein pessimistisches Bild der Kapitalmarktentwicklung hat der Darmstädter Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck http://bit.ly/10VDZ3u auf der 16. Konferenz des Deutschen Investor Relations Verband (DIRK) http://dirk.org am Dienstag in Frankfurt gezeichnet. Trotz Höhenflug des DAX: Der deutsche Aktienmarkt befindet sich in einer Abwärtsspirale, die Emittenten und Investoren gleichermaßen trifft. Der Anleihemarkt sei indessen weit entfernt von einer Institutionalisierung. Die jüngsten Maßnahmen der EZB unterstreichen, dass die Finanzkrise nicht vorüber sei. Im Gegenteil:…

Da werde sogar die Basis für ein neues schweres Beben gelegt.

Massiver Kursverfall befürchtet

Schiereck verglich in seinem Vortrag die Situation der Aktie mit dem aussterbenden Sumatra-Tiger und die gesamtwirtschaftliche Lage – bedingt durch die Flutung der Märkte mit Geld durch die Zentralbanken – mit der Fahrt am Oberdeck der Titanic. Alle starrten wie gebannt auf den Eisberg, doch anstelle ihn zu umfahren wollten alle möglichst nahe an dem Ereignis teilnehmen. Schierick rechnet mit einer massiven Korrektur – mit einem Kursverfall – in den nächsten zwei bis drei Jahren. Das wird auch die börsennotierten Gesellschaften treffen, denn die Bindung der (überwiegend ausländischen) Aktionäre zu diesen Unternehmen sei besorgniserregend schwach.

Schiereck wundert sich nicht über das schlechte Image der Aktie bei Privatanlegern. Denn die Wahrscheinlichkeit, mit Aktien Geld zu verlieren, war auch in der Vergangenheit gering – seinen Berechnungen zufolge seit 1970 nur bei rund 50 Prozent. Der auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Wissenschafter gab einen Überblick über die Entwicklung an den deutschen Börsen. Nicht nur die Zahl der börsennotierten Gesellschaften sinkt, auch die Verweildauer nimmt ab und die Zahl der Aktionäre geht massiv zurück. Der Umsatz an den Börsen sei allein in den vergangenen fünf Jahren 20 bis 30 Prozent eingebrochen. Der eigentliche Sinn – die Wachstumsfinanzierung für Unternehmen über die Aktie – sei nicht mehr gegeben.

Ära der börsennotierten Anleihe?

Umgekehrt gewinnt die Unternehmensanleihe an Interesse. "Kapital gibt es im europäischen Anleihemarkt derzeit ja zum Schnäppchenpreis", sagte Schiereck. Allein 2012 wurden Unternehmensanleihen in Europa in Höhe von 390 Mrd. Euro platziert, zumeist als Substitution von Bankkrediten, aber auch wegen dem niedrigen Zinsniveau und der starken Investorennachfrage. Das Durchschnittsvolumen von Anleihen (Corporate Bonds) lag bei 370 Mio. Euro. Insbesondere die EWU-Kernländer und größere Mittelständler profitierten davon. Viele Emittenten zielen allerdings immer noch vorrangig auf Privatanleger ab. Dauerhaft etablieren werde sich dieser Markt nur, wenn auch institutionelle Anleger gewonnen werden können.

Kater nach der Sause

Das gesamtwirtschaftliche Umfeld charakterisierte Schiereck kritisch. Durch das von der EZB getriebene Niedrigzinsumfeld und die negativen Realzinsen herrscht derzeit Anlagenotstand – mit der Konsequenz, dass sich Private-Equity-Firmen wieder öfter Ausschüttungen über Kreditaufnahmen finanzieren lassen, Unternehmen verstärkt Buybacks planen und internetbasierte Kreditplattformen, Crowdfunding und Anleiheemissionen von "Hans & Franz" fröhliche Urständ feiern.

Branchenkenner Schiereck rechnet fest damit, dass der nächste Schuldenschnitt in Griechenland bevorsteht. Die romanischen Volkswirtschaften in der EU sind seiner Auffassung nach nicht in der Lage, Haushaltsdisziplin zu entwickeln. Daher werde der Euro in seiner jetzigen Form auch nicht überleben und die Staatsschulden mittelfristig weginflationiert. "Das Nachsehen hat die deutsche Mittelschicht, die ihr Vermögen in Geldvermögen angespart hat. Sie wird langfristig verarmen", so Schiereck abschließend.

(Ende)

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