Der Sieg von Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen in der Türkei stößt vielen in Deutschland bitter auf. Denn die hier wahlberechtigten Türken bzw. Deutschen mit türkischen Wurzeln haben nicht nur in größerer Zahl als zum Verfassungsreferendum mitgewählt, sondern auch zu beinahe zwei Dritteln für Erdogan gestimmt.
Deutschland ist mal wieder erschrocken und fassungslos, auch empört.
Dabei ist das wirklich Erschreckende die unverdrossene Realitätsverweigerung deutscher Politik und vieler Medien. Das betrifft sowohl die Realitäten in der Türkei als auch in der türkischen Community in Deutschland.
In der veröffentlichten Meinung gibt es mehrheitlich immer noch ein idealisiertes Türkeibild.
Dabei zeigte schon die Präsidentschaftswahl 2014 überdeutlich, dass selbst Istanbul eben nicht die Türkei und eben nicht die pro-westliche Hochburg ist, zu der sie immer wieder gemacht wird. Wahrscheinlich ist Istanbul noch nie so westlich gewesen, wie viele romantisierend annehmen. Schon 2014 gewannen in Istanbul nicht die pro-westlichen Kräfte, sondern Erdogan. Spätestens nach dem Verfassungsreferendum 2017 hätte man hierzulande aufwachen können. Ein Blick auf eine Türkeikarte mit den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen 2014 und 2018 sowie des Verfassungsreferendums zeigt, dass die Türkei stabil dreigeteilt ist. Der liberale westliche Rand, der kurdisch orientierte Südosten, aber die übergroße Mehrheit ist klar in der Hand der AKP und damit Erdogans. Selbst die Touristenhochburgen Antalya und Alanya haben für Erdogan gestimmt. Nur Deutschland will das einfach nicht wahrhaben.
Und warum wird in dieser Hinsicht nicht endlich ein wirklich ernsthafter und ehrlicher Dialog mit der türkischen Gemeinde in Deutschland gesucht, der im Zweifel auch klar unabdingbare Erwartungen beider Seiten benennt?
Solange Deutschland in dieser Hinsicht nicht endlich aufwacht und grundlegend umsteuert, so lange wird es eben die Wahlergebnisse geben, wie sie nun wieder zu Tage getreten sind.