Donnerstag, April 25, 2024
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Deutschland: Justizminister contra Justiz?!

Das könnte die Quintessenz sein, wenn man die dubiosen Vorgänge um Heiko Maas, seines Zeichens aktuell Bundesjustizminister, und die seinerzeitigen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen zwei Blogger des Rechercheportals netzpolitik.org zusammenfasst.

Jedenfalls tauchen gerade in den Medien ganz erhebliche Zweifel an der Rolle des SPD-Ministers auf, die Fragen an dessen geforderter Amtsführung begründen und stattdessen nahelegen, dass er eine ganz andere Rolle gespielt hat. Welche das sein könnte ist Thema des vorliegenden Artikels. Wir fragen: Hat der Justizminister das Recht gebeugt? Von Volker Hahn.

Schwere Belastung von Heiko Maas

Die Belastung kommt nicht von irgendeinem Denunziant, sie entstammt internen Dokumenten der Bundesanwaltschaft, wie jetzt die renommierte Wochenzeitschrift ZEIT aufgedeckt hat: „Demnach wurde von mehreren Staatsanwälten protokolliert und dokumentiert, wie Maas den Generalbundesanwalt über seine Staatssekretärin Stefanie Hubig mehrfach und unter Androhung der sofortigen Entlassung massiv bedrängt haben soll, die Ermittlungen gegen die beiden Blogger einzustellen.“ (1)

Das wäre nach erster Einschätzung ein Justizskandal ersten Ranges, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen hatte Generalbundesanwalt Harald Range damals genau diesen Vorwurf bereits erhoben und zum anderen hatten Maas und sein Ministerium das stets abgestritten.

Ergebnis: Das Verfahren wurde eingestellt, Range verlor sein Amt, der Justizminister blieb. Das könnte sich jetzt als echter Pyrrhussieg entpuppen, wenn die erhobenen Vorwürfe stimmen (Merkel vor NSA-Untersuchungsausschuss: So viel Naivität geht gar nicht).

Landesverrat oder Rechtsbeugung?

Landesverrat ist nach §94 des Strafgesetzbuches ein schweres Verbrechen. Logisch, es geht schließlich um die Sicherheit unseres Landes und den Schutz unserer aller Freiheit. Danach begeht zum Beispiel Landesverrat, wer etwa fremden Mächten Staatsgeheimnisse mitteilt oder diese öffentlich bekannt macht – was den Bloggern vorgeworfen wurde.

Im Zentrum der aktuellen Diskussion aber steht gar nicht mehr diese Frage, sondern die, ob der derzeitige Bundesjustizminister etwas getan hat, was er nicht darf.

Denn der oberste ministerielle Hüter der Justiz sollte den Rechtsstaat schützen und nicht ad absurdum führen. Der vom damaligen Generalbundesanwalt beauftragte Rechtsgutachter Jan-Hendrik Dietrich sollte prüfen, ob es sich bei den Blogger-Veröffentlichungen über Cyber-Abwehrpläne des Verfassungsschutzes tatsächlich um die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen handelte.

Dietrich durfte damals seine Untersuchung noch nicht einmal beenden! Seine Expertise heute: Ja, es handele sich teilweise um Staatsgeheimnisse. (2)

 

Maas als Sicherheitsrisiko

Wenn der Verrat von Staatsgeheimnissen deshalb so schwer bestraft wird, weil damit die Sicherheit unseres Landes aufs Höchste gefährdet ist – was ist denn dann ein deutscher Justizminister, der solche Ermittlungen behindert oder torpediert? Doch wohl ein extremes Sicherheitsrisiko, sagt der gesunde Menschenverstand! Wurde hier also der falsche Mann seines Amtes enthoben?

Dieser Verdacht liegt mehr als nahe und es führt kein Weg daran vorbei, die ganze Sauerei gründlichst nachzuermitteln – und zwar unabhängig und ohne Ansehen einer Person.

Wenn das nicht geschieht, dann darf sich Deutschland nicht auf der anderen Seite hinstellen und als Oberlehrer faktisch diktatorische Staaten wie die Türkei über das Wesen der Demokratie belehren!

Die ganze Sache wird dadurch im Übrigen noch schlimmer, dass auch noch andere Stellen im Sicherheitsapparat und in der Regierung in den dubiosen Fall verwickelt zu sein scheinen. Dazu gehören der Bundesinnenminister ebenso wie das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Schon vor geraumer Zeit wurde die Frage gestellt, wer in dieser undurchsichtigen Affäre eigentlich aus welchen Gründen welche Rolle gespielt hat. (3) Auch das muss alles restlos aufgeklärt werden!

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz macht einen auf Gerechtigkeit, SPD-Justizminister Heiko Maas schützt den Rechtsstaat. Beide haben derzeit das gleiche Problem: Allzu viele Menschen glauben ihnen nicht.

Wenn rauskommt, dass Maas die Öffentlichkeit über seine Rolle bei den Ermittlungen belogen hat, dann könnte sich das für die komplette SPD besonders desaströs auswirken.

Das umso mehr, als dass jetzt gerade ein neues Gesetz der Bundesregierung heftig unter Beschuss gerät: Ein neuer Straftatbestand der Datenhehlerei stellt den Umgang mit Daten unter Strafe, die rechtswidrig erworben wurden – zahlreiche Journalisten klagen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. (4)

Soll etwa jetzt – wie in der Türkei, in Russland oder in Amerika – die unabhängige Presse mundtot gemacht werden, oder welchen Sinn soll dieses Gesetz sonst haben? Gibt es etwa einen Zusammenhang mit den unbequemen Veröffentlichungen zu der Rolle des Bundesjustizministers in der Landesverrats-Affäre?

  

Wenn Deutschland auch auf dem Weg zu einer Aushöhlung der Demokratie ist, dann sollten wir schleunigst dagegen aufstehen und den Verantwortlichen die Rote Karte zeigen!

Fazit: Bundesjustizminister Heiko Maas ist Recht und Gesetz in ganz besonderem Maße verpflichtet. Wenn es sich tatsächlich bewahrheitet, dass er die Öffentlichkeit in der Landesverrats-Affäre belogen und das Recht gebeugt hat, dann ist er als Minister nicht länger tragbar und muss umgehend zurücktreten. Und dann hätte die SPD ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem.

Literatur:

Der Mann im Schatten sein: Wie man sich vor staatlicher Überwachung und staatlichem Zugriff schützen kann (The Advisor) von The Advisor

Big Data: Büchse der Pandora von Martin Malirsch

Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald

NSA, BND & Co.: Die Möglichkeiten der Geheimdienste: Technik, Auswertung, Gegenmaßnahmen von Gilbert Brands

Beitragsbild: PublicDomain/watergate.tv

Quellen: PublicDomain/watergate.tv am 28.02.2017

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