Vor allem auf Seiten der SPD hält das neue Bundeskabinett einige Überraschungen parat. Während der bisherige Justizminister Heiko Maas Deutschlands neuer Chefdiplomat wird, verfolgt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihre ganz eigenen Pläne. Welche politische Linie verfolgen die neuen GroKo-Minister? Entspannung oder Eskalation?
Das künftige Bundeskabinett überrascht mit einer Reihe neuer Gesichter. Altgediente Minister mussten ihren Platz räumen, wie Thomas de Maizière und Hermann Gröhe von der CDU oder Sigmar Gabriel von der SPD. Innen- und außenpolitisch könnte sich damit einiges für Deutschland ändern – positiv und auch negativ. Was sich schon jetzt abzeichnet, ist ein Richtungsstreit zwischen Union und SPD.
Der Außenminister: Wohin soll die Reise gehen?
Damit hätte der bisherige Justizminister Heiko Maas vor einigen Monaten wohl selbst nicht gerechnet. Nachdem Ex-Parteichef Martin Schulz durch Druck der SPD-Basis vom Posten des Außenministers Abstand nehmen musste und sich Sigmar Gabriel mit der Parteispitze überworfen hatte, rückt nun Maas an die Spitze des Auswärtigen Amts. Damit tritt er in große Fußstapfen, denn sein Vorgänger Gabriel war zuletzt laut Umfragen der beliebteste Bundespolitiker.
Als Außenminister ist Heiko Maas bisher jedoch ein unbeschriebenes Blatt. Er hat als Justizminister zwar Kontakte zu Amtskollegen in anderen Ländern aufgebaut, Erfahrung im Umgang mit Staats- und Regierungschefs hat er hingegen nicht. Als Saarländer hat er von Hause aus eine besondere Verbindung zu Europa und dem Nachbarland Frankreich. Deshalb könnte er eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung der EU spielen. Das kommt der SPD sehr gelegen: Noch immer ist die Forderung von Ex-Parteichef Martin Schulz nach „Vereinigte Staaten von Europa“ den Genossen in Erinnerung.
Verteidigung: Mit Pauken und Trompeten
Sie wurde jüngst sogar als kommende Nato-Generalsekretärin gehandelt. Zunächst aber wird Ursula von der Leyen eine weitere Legislaturperiode an der Spitze der deutschen Truppe stehen. Die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht (CDU), ist seit Dezember 2013 Bundesministerin der Verteidigung und damit die erste Frau auf diesem Posten.
Mit großen Reformvorschlägen ist die damalige Familienministerin in das Verteidigungsressort gewechselt. So wollte sie die Bundeswehr konkurrenzfähiger machen, personell und technisch besser ausstatten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in der Truppe besser verankern. Seitens des Ministeriums heißt es nun, diese wichtigen Vorhaben seien angeschoben und teils auch umgesetzt. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, sieht das entschieden anders. Er spricht von der „kleinsten Bundeswehr aller Zeiten“ und einer dramatisch schlechten Einsatzbereitschaft.
Vor wenigen Tagen hat das scheidende Bundeskabinett die Verlängerung von sechs Auslandsmissionen beschlossen, an denen insgesamt etwa 2600 Soldaten beteiligt sind. So sollen die Bundeswehrtruppen in Afghanistan und Mali aufgestockt werden. Deutschland soll außerdem Soldaten im Irak ausbilden. Man brauche Geduld und einen langen Atem, so von der Leyen. Ein weiteres großes Projekt der 59-Jährigen: Die Vernetzung internationaler Armeen, bis hin zur europäischen Verteidigungsunion Pesco.
Paragraphenreiter: Justiz und Verbraucherschutz
Durch den Wechsel von Heiko Maas ins Außenamt suchte die SPD-Spitze nun nach einem erfahrenen Juristen als Nachfolger für das Amt des Justizministers. Mit Katarina Barley scheint diese Person gefunden. Die 49-Jährige arbeitete bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht und als Richterin am Landgericht in Trier. Auch als Referentin im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Mainz konnte Barley Erfahrung sammeln.
Katarina Barleys künftiger politischer Kurs ist noch unklar. Vermutlich wird sie die Linie ihres Vorgängers Heiko Maas fortführen. Einige Projekte wurden im Koalitionsvertrag bereits festgehalten. So sollen unter anderem 2000 neue Richterstellen und weiteres Justizpersonal für einen handlungsfähigen Rechtsstaat sorgen. Auch soll die Strafprozessordnung modernisiert und Strafverfahren somit beschleunigt werden. Geplant ist außerdem, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Landwirtschaft und Ernährung: Das schmeckt nicht jedem
Über 20 Jahr ist es her, dass Julia Klöckner zur Weinkönigin in Rheinland-Pfalz gewählt wurde. Nun wechselt die 45-Jährige von der Landes- auf die Bundesbühne. Als stellvertretende Vorsitzende der CDU gilt Klöckner als enge Vertraute Angela Merkels. So manch einer in der Partei sieht die Bad Kreuznacherin bereits als potentielle Kanzlerkandidatin in einigen Jahren.
In der Vergangenheit machte Klöckner bereits bundesweit mit diversen Äußerungen auf sich aufmerksam. Sie ist erklärte Abtreibungsgegnerin, lehnt die Stammzellenforschung ab, ebenso die steuerliche Gleichstellung eingetragener homosexueller Partnerschaften. Im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 verlangte Klöckner für Flüchtlinge eine gesetzliche Pflicht zur Integration sowie Gesetzes- und Verfassungstreue.
Nun wird Julia Klöckner Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung. In diesem Ressort konnte sie zwischen 2009 und 2011 bereits als Parlamentarische Staatssekretärin Knowhow gewinnen. Im Koalitionsvertrag sind bereits einige Projekte in dem Ressort vorgesehen: Verbraucher sollen Fleisch aus besserer Haltung an einem staatlichen Tierwohllabel erkennen können. Mit dem Massentöten männlicher Küken soll bis Ende 2019 Schluss sein, die Verbreitung des Wolfs durch Abschussquoten eingedämmt werden. Auch soll die Nutzung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat so bald wie möglich enden, auch wenn sich die CDU bei diesem Thema bisher schwer getan hatte.
Jenseits von Afrika: Die Entwicklungshilfe
Intern gilt im politischen Berlin der Posten des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als sehr komfortabel: Wenig Verantwortung und zahlreiche Auslandsreisen, bei denen einem internationale Bittsteller in froher Erwartung auf die Schulter klopfen. Trotz einiger verbaler Fehltritte hält die CSU an Gerd Müller als Leiter dieses Ressorts auch in der kommenden Legislaturperiode fest. Seine Äußerung von 2016, afrikanische Männer gäben ihr Gehalt vor allem für Alkohol, Drogen und Frauen aus, führte damals fast zu einer diplomatischen Krise.
Auch in den kommenden Jahren wird Müllers Lieblingsthema Afrika im Fokus seiner Arbeit stehen. Die große Koalition will ein Mittelstandsförder- und Startup-Programm aufsetzen, um mehr Arbeitsplätze auf dem afrikanischen Kontinent zu schaffen. Maghreb-Staaten wie Tunesien, Algerien und Marokko sollen schrittweise in den europäischen Wirtschaftsraum integriert werden. Auch kann sich Gerd Müller auf ein höheres Budget für sein Ministerium freuen: Der Etat für Entwicklungshilfe soll künftig steigen.
Lesen Sie in Teil 3 von „Deutschlands neues Kabinett“ ab Sonntag, wie die neue GroKo Massenmigration stoppen will, was vom neuen Heimatministerium zu erwarten ist und warum Berlin-Neukölln Vorbild für Deutschland sein wird.