Donnerstag, April 18, 2024
StartPolitikEU„Die EU kann einpacken, wenn …“

„Die EU kann einpacken, wenn …“

Bis Freitag tagt in Brüssel der letzte Gipfel der Europäischen Union in diesem Jahr. Auf der Agenda: Der Brexit und die Anti-Russland-Sanktionen. „Die EU schaut aktuell auf die CDU unter AKK“, sagt Politologin Almut Möller am Mittwoch auf einer internationalen Pressekonferenz in Berlin. Sie nennt Schwächen der EU. Sputnik war vor Ort.

„Das wird ein Gipfel sein, wo man versuchen wird, mit Großbritannien ruhig umzugehen und gleichzeitig die Stärke und den Zusammenhalt der EU-27 zu unterstreichen“, sagte Almut Möller, Leiterin des Berliner Büros des „European Council on Foreign Relations“ (ECFR) auf einer Pressekonferenz vor internationalen Medienvertretern am Mittwoch im Büro des ECFR in Berlin.

Der ECFR sieht sich als angeblich unabhängige Denkfabrik, die laut ihrer Satzung eine „kohärentere und stärkere“ Außenpolitik der EU fördern wolle. Der Think Tank wurde 2007 gegründet mit Hauptsitz in London und Vertretungen in Berlin, Madrid, Paris und weiteren europäischen Hauptstädten. Er sei angeblich weder institutionell noch organisatorisch mit dem US-amerikanischen Think Tank „Council on Foreign Relations“ (CFR) verbunden. Diesem informellen Gremium wird seit Jahrzehnten von vielen Experten weltweit ein heimlicher Einfluss auf die Außenpolitik der USA vorgeworfen.

„Kein Entscheidungsdruck beim Brexit“

„Die Erwartungen an diese europäischen Treffen sind häufig ein wenig übersteigert“, meinte die Politlogin. „Letztlich sind EU-Gipfel Kabinettsitzungen auf europäischer Ebene. Die kommen zusammen zu Themen, die längere Perspektiven haben.“

Beim Brexit gebe es aktuell für die EU immer noch „keinen Entscheidungsdruck“, analysierte Politikwissenschaftlerin Möller. „Es gibt keinen Erwartungsdruck beim Thema Migration.“ Aus ihrer Sicht werde der bis Freitag tagende EU-Gipfel in Brüssel „keine richtungsweisende Entscheidungen“ hervorbringen. Sie rechne zudem mit keiner weiteren Verschärfung der Russland-Politik der EU. 

Keine Zuspitzung in Russland-Politik?

„Es gibt aktuell keine akuten Fragen zur Russland-Politik für die EU“, analysierte die Politikwissenschaftlerin – trotz der anti-russischen Wirtschaftssanktionen wegen der Ukraine-Krise, die die EU wohl auf dem Gipfel per Entscheid verlängern wird.

„Die Russland-Politik ist noch nicht so zugespitzt. Es gibt natürlich eine klare Position der EU, was die Sanktionen angeht und auch die Verurteilung der Entwicklungen im Asowschen Meer. Aber es gibt aus meiner Sicht jetzt keine Zuspitzung in dem Sinne, dass Handeln akut im internationalen Rahmen, zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat, erfordert ist.“

Die EU sei auf der Suche nach einem „Kompromiss zwischen Sanktionsgegnern wie Italien und Ungarn und Befürwortern wie Polen oder Litauen“, meldet die Nachrichtenagentur DPA. Als sicher gelte, dass die im Januar auslaufenden Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland nochmals verlängert werden.

Hat Europa „Angst vor deutscher Stärke“?

Die Erwartungen der Europäer an „ein stabiles Deutschland, an eine stabile Bundesregierung“ seien seit jeher hoch.

„Es ist immer wieder bemerkenswert, wie viele angsterfüllte Fragen hinsichtlich der Zukunft der deutschen Stabilität häufig von außen kommen“, sagte die Politologin. „Die Sorge ist real in anderen Hauptstädten der EU, dass möglicherweise in Berlin eine Unübersichtlichkeit entsteht – bei allen Problemen, die man (andere EU-Staaten, Anm. d. Red.) manchmal auch hat mit der deutschen Stärke und der deutschen Position.“ Dennoch habe die EU Bedenken, dass „die Deutschen nicht mehr so stark auftreten könnten.“

Es gebe Stimmen, die sagen, „dass Deutschland (in der EU, Anm. d. Red.) ganz viel gespalten hat. Zum Beispiel bei der Frage der Migration. Sie haben alle gesehen, wie die Länder Mittel- und Osteuropas in erster Linie reagiert haben. Die Tatsache, dass jetzt die Bundesregierung angeregt hat, von den Quotenregelungen bei der Verteilung der Flüchtlinge abzulassen, zeigt, dass man erkannt hat, wie wichtig dieses Thema für die Identität der Menschen und Gesellschaften in Europa ist.“

Das Thema Migration sei auch für die frischgewählte neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer „ein sehr wichtiges.“

So würde EU-Politik unter Kanzlerin AKK aussehen

Am vergangenen Freitag wurde „AKK“ auf dem Parteitag in Hamburg zur neuen CDU-Chefin gewählt. „Das Ergebnis des Parteitags ist für ihre Position etwas Positives“, bewertete Politikwissenschaftlerin Möller.

„Wenn Herr Merz die Wahl gewonnen hätte, dann wäre stärker die Frage aufgetreten: Wie verhalten sich die beiden zueinander?“ Natürlich sei auch der EU und seinen Mitgliedsregierungen klar, dass „nun auch so langsam das Ende der Amtszeit von Angela Merkel gekommen ist. Ich glaube, die beiden handelnden Personen (AKK und Merz, Anm. d. Red.) haben eine gute Arbeitsbeziehung und werden ein Interesse daran haben, in der deutschen Europa- und Außenpolitik zu halten, was Deutschland in den letzten Jahren tun konnte: Nämlich aus einer Position der Stärke heraus mit anderen EU-Staaten zu versuchen, Europa und die globale Ordnung, die keine mehr ist, zu gestalten.“

Die Frage sei: „Wie weit kann man eigentlich gehen als EU-Mitgliedsstaat? Wie geht man mit Ungarn um? Wird man Herrn Orbán irgendwann aus der EU rausschmeißen?“ Sie beantwortete die Frage gleich selbst: „Das wird man wohl nicht.“

„Diese Problemfelder muss Brüssel lösen“

Letztlich gebe es in Brüssel und den führenden EU-Regierungen „die feste Überzeugung, dass nur der Binnenmarkt der EU-27 uns wirklich auch bestehen lässt in den internationalen Beziehungen“, sagte Möller.

„Wenn die EU nicht in der Lage ist, ihren Binnenmarkt und ihre Handelspolitik stark und gestaltend in der Welt zu projizieren, dann kann eigentlich die EU als Verbund einpacken. Das ist das Kernfeld.“ Vermutlich werden die Themen Wirtschaftspolitik und Welthandel in den nächsten Jahren noch stärker für Brüssel in den Vordergrund rücken. „Aufgrund der internationalen Lage“, meinte sie mit Blick auf die US-Regierung und China sowie dem schwelenden Handelskonflikt zwischen den drei Parteien.

Streitsache „EU“ in der CDU

Zum Abschluss der Veranstaltung blickte die Politologin erneut auf die deutsche Regierungspartei CDU. Die Frage sei, inwieweit könne Deutschland – vielleicht auch unter einer Kanzlerin AKK – einen Beitrag für die EU Migration leisten. Werde sie Entscheidungen treffen, die die EU „eher spaltet?“ Oder wieder in einigen Fragen zusammenführt. AKK könne hoffentlich Deutschland „auf internationaler Bühne mehr Stabilität“ verschaffen. „Die konstante deutsche Europa-Politik ist bei AKK ausgeprägter als sie wahrscheinlich mit Herrn Merz wäre“, meinte Möller.

„Das war schon in den letzten Tagen innerhalb der CDU zu spüren. Die Abstimmung war sehr knapp. Es gibt Frustration, angekündigte und vollzogene Parteiaustritte.“ Die Partei werde kritischer. „Wenn die CDU und Frau AKK anfangen, im europäischen Verbund auch wieder mehr über Werte zu reden, dann werden sie in der schwierigen Situation sein und sehen, dass das eigentlich Spaltungsthemen sind.“

AKK müsse schauen, wie sie das in Einklang bringe. Das Thema „Werte“ werde für die CDU wieder wichtiger. „Was sich in den Themen Migration, Identität und Integration abbildet. Man braucht eine Ehrlichkeit bei diesen Fragen, weil Menschen Orientierung suchen, auch hinsichtlich der Europa-Wahl. Da wäre meine Erwartung, dass eine Parteivorsitzende AKK die Dinge schon mal klarer formuliert. Das erkennt man daran, weil sie sich jetzt schon häufiger positioniert hat und nicht so eine abwartende Haltung hat wie Bundeskanzlerin Merkel.“

Oettinger will „europäische Lösung“

Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen ab Donnerstag in Brüssel zu „ihrem letzten Gipfel in diesem Jahr zusammen“, wie der „DeutschlandFunk“ berichtet. Dort berät die EU-Spitze über den „europäischen Finanzrahmen“, über eine mögliche Verlängerung der Anti-Russland-Sanktionen sowie über Vorschläge von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU).

Er fordere im Streit um eine Digitalsteuer eine „europäische Lösung“, wie DPA meldet. Zudem habe Oettinger vorgeschlagen, Gelder für Landwirte sowie strukturschwache Regionen zu kürzen. Er wolle die immensen EU-Agrarsubventionen kürzen, um stattdessen Investitionen in den Bereichen Forschung, Jugend und Digitalisierung zu fördern.

Quelle!: #zaronews

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