Donnerstag, März 28, 2024
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Die neue deutsche Arroganz

Foto: Heiko Wagner  / pixelio.de

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in Kooperation mit dem US-Militärgeheimdienst NSA massenhaft E-Mails aus Österreich sowie aus Luxemburg und der Tschechichen Republik abgefangen und gespeichert. Dies geht aus einer internen E-Mail eines für die Zusammenarbeit mit Geheimdienst und Polizei zuständigen Mitarbeiters der Deutschen Telekom AG hervor, die der österreichische Nationalratsabgeordnete Peter Pilz veröffentlicht hat. Demnach hat der BND von der Telekom schon Anfang Februar 2005 grünes Licht für den Zugriff auf eine Glasfaserleitung erhalten, über die die Internetkommunikation zwischen Luxemburg einerseits und Österreich sowie zahlreichen weiteren Staaten andererseits läuft. Damals lag die Zuständigkeit für den Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3)BND in letzter Instanz bei Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD). Betroffen war laut Berichten auch Österreichs Inlandsgeheimdienst. Wer Kenntnis über dessen Kommunikation habe, wisse “fast alles über das politische Leben in dieser

Republik”, urteilt Pilz. Ernsthafte Proteste der betroffenen Regierungen bleiben in der deutsch dominierten EU bisher aus. Die Bundesregierung hingegen setzt die technologische Aufrüstung des BND fort, die die deutsche Spionage letztlich “auf Augenhöhe” mit der NSA bringen soll – auch im Internet.

Ausgeleitet und dupliziert

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in Kooperation mit dem US-Militärgeheimdienst NSA Einwohner und Regierungsstellen von mindestens vier engen EU-Verbündeten sowie vermutlich diverse in Wien ansässige internationale Organisationen wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ausspioniert. Dies geht aus einer internen E-Mail eines Mitarbeiters der Deutschen Telekom AG hervor. Der Telekom-Mitarbeiter teilt darin seinem BND-Kontaktmann mit, man habe soeben eine neue Glasfaserleitung von Frankfurt am Main nach Luxemburg freigeschaltet, über die nun “kein nationaler Verkehr mehr” geführt werde. Für den BND, der als Auslandsgeheimdienst deutsche Staatsbürger theoretisch nicht ausforschen darf, war dies ein Signal, künftig freie Hand beim Zugriff auf die Leitung zu haben, die unter anderem nach Wien führt. “Die Daten der Telekom Austria wurden am Internetknoten Frankfurt über das BND-Büro in der Deutschen Telekom AG ausgeleitet, dupliziert, nach Pullach in die BND-Zentrale weitergeleitet”, schildert Peter Pilz die deutsche Maßnahme; dann seien sie “von der Technischen Aufklärung (TA) … für den automatisierten Zugriff zugänglich gemacht” worden.

Spionageziel: Internationale Organisationen

Pilz’ Enthüllung offenbart bereits den zweiten Fall umfassender Internetspionage gegen Österreich. Schon im März war bekannt geworden, dass die NSA den Internetprovider UPC (früher: chello.at) auf einer Liste von insgesamt 35 Spionagezielen führte – unter anderem neben den französischen Providern Alcatel-Lucent und Wanadoo. Deren Daten würden abgeschöpft, indem sie “an einem Absaugknoten” vorbeigeführt würden, hieß es damals; dies geschehe “mit der Hilfe von privaten Telekomkonzernen” und deren Glasfaserkabeln. “Der Großteil” werde dabei in den Vereinigten Staaten abgesaugt; jedoch befänden sich “auch acht Vorrichtungen außerhalb von US-Territorium”. Die BND-NSA-Kooperation am Knotenpunkt DE-CIX in Frankfurt am Main sorgt schon seit geraumer Zeit immer wieder für Schlagzeilen. Bereits im März mutmaßten Beobachter anlässlich der Ausforschung von UPC, einem Unternehmen, das ungefähr 464.000 Kunden in Österreich hat, das besondere Interesse an der Ausforschung österreichischer Kommunikation könne auf “die Vielzahl an internationalen Organisationen in Wien” zurückzuführen sein. Ausdrücklich genannt wurde die IAEO, in deren Netzwerk bereits zuvor die Spionage-Malware “Regin” gefunden worden war, die der NSA zugeschrieben wird.

Fast alles über Österreich

Schwer wiegt zudem, dass der BND offenbar auch Österreichs Inlandsgeheimdienst abgeschöpft hat. Laut Recherchen des ARD-Magazins “Fakt” ist mit dem nicht näher bezeichneten österreichischen “Bundesamt”, das Berichten zufolge ins Visier der BND-NSA-Internetspionage geraten ist, das “Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung” gemeint. Dort “gibt es Daten über zehntausende Personen”, erklärt der Nationalratsabgeordnete Pilz: Wer auf sie Zugriff habe, wisse “fast alles über das politische Leben in dieser Republik”.

Start unter Rot-Grün

Technisch grünes Licht für das massenhafte Abschöpfen österreichischer Kommunikationsdaten erhielt der BND ausweislich der E-Mail aus der “Regionalstelle für staatliche Sonderaufgaben” (ReSA) der Deutschen Telekom in Frankfurt am Main am 3. Februar 2005 – also noch zur Amtszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier. Für Aktivitäten des BND war damals ganz wie heute in letzter Instanz der Kanzleramtschef zuständig.

Erste Priorität

Dabei betrifft das Abschöpfen der Daten offenkundig nicht nur Österreich, sondern auch weitere EU-Verbündete. Ausweislich der ReSA-E-Mail durchliefen gleich vier Kommunikationsströme der “ersten Prioritätenliste” des BND die neue Glasfaserleitung der Deutschen Telekom: neben Luxemburg-Wien auch Luxemburg-Prag, Ankara-Luxemburg und Luxemburg-Moskau. Damit gerieten zumindest auch Daten aus Luxemburg und der Tschechischen Republik systematisch in die Speicher des BND. Schon vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst auch Daten aus Frankreich abschöpfte und dabei sogar die Kommunikation französischer Regierungsstellen ausspionierte. Ob Vergleichbares auch in der luxemburgischen Heimat von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und in Prag geschah, ist bislang nicht bekannt. Wenig überraschend ist hingegen die Ausforschung von Kommunikation mit Personen oder Institutionen in Russland und in der Türkei.

Kein offizieller Protest

Ernsthafte Proteste kommen bislang lediglich aus der französischen und aus der österreichischen Opposition. Der österreichische Oppositionsabgeordnete Peter Pilz spricht von einem “glatten Rechtsbruch”, fordert die Telekom Austria auf, rechtliche Schritte gegen die Deutsche Telekom in die Wege zu leiten, und spricht sich für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Wien aus. Bereits kürzlich hat der französische Oppositionelle Jean-Luc Mélenchon, Präsidentschaftskandidat des “Front de gauche” im Jahr 2012, eine “neue deutsche Arroganz” konstatiert, die nicht zufällig “zu dem Zeitpunkt” zutage trete, zu dem Berlin “Europa dominiert”. Die französische Regierung hingegen verzichtet bislang auf jeden offiziellen Protest; Österreichs Innenministerin hat lediglich eine Strafanzeige “gegen unbekannt” gestellt. Aus Luxemburg und der Tschechischen Republik sind bislang keinerlei Beschwerden gegen die europäische Hegemonialmacht zu hören.

Eine größere Rolle in der Welt

Unterdessen treibt Berlin den Ausbau der BND-Internetspionage voran. Im Rahmen einer “Strategischen Initiative Technik” hat die Bundesregierung dem Auslandsgeheimdienst in einem ersten Schritt fast eine Drittelmilliarde Euro zur Verfügung gestellt, um seine Fähigkeiten in puncto E-Mail- und Onlinespionage zu verbessern und nach Möglichkeit “auf Augenhöhe” mit der NSA zu gelangen. “Will Deutschland eine größere Rolle in der Welt spielen”, heißt es dazu in der führenden Zeitschrift der Berliner Außenpolitik-Eliten, der “Internationalen Politik”, “führt an einem Ausbau der Kapazitäten kein Weg vorbei.” Über eine Milliarde Euro gibt die Bundesrepublik aus, um den BND aus Pullach nach Berlin zu holen, wo er engere Beziehungen zu Ministerien und Parlament aufbauen soll. Erst kürzlich hat die Bundesregierung eingeräumt, dass die ursprünglich auf 720 Millionen Euro veranschlagten Kosten für den Neubau der Berliner BND-Zentrale schon jetzt auf über eine Milliarde Euro gestiegen sind. Die Gesamtkosten für den Umzug werden mittlerweile auf 1,588 Milliarden Euro beziffert. Die Stärkung des nationalen Geheimdienstes, der noch die engsten EU-Verbündeten ausforscht, gehört untrennbar zur Konsolidierung der deutschen Dominanz über Europa und zur neuen deutschen Weltpolitik hinzu.

 

Quelle: German-Foreign-Policy.com

 

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