Donnerstag, April 25, 2024
StartPolitikAggression„Diplomatische Landung“: USA fassen Fuß in syrischen Kurdengebieten

„Diplomatische Landung“: USA fassen Fuß in syrischen Kurdengebieten

Die USA haben die Zahl ihrer Diplomaten in den von Kurden kontrollierten Gebieten Syriens laut US-Verteidigungsminister James Mattis nahezu verdoppelt.

Dabei funktioniert die US-Botschaft in Damaskus schon seit mehr als fünf Jahren nicht mehr – und niemand hat vor, sie wiederzueröffnen, obwohl es in der syrischen Hauptstadt keine Probleme mit der Sicherheit gibt: Washington hatte gleich zu Beginn des Syrien-Konflikts erklärt, die Behörden um Präsident Baschar al-Assad wären illegitim.

Aber wieso intensivieren die Amerikaner jetzt ihre diplomatische Arbeit, und zwar in den Gebieten, die sich unter Kontrolle der Kurden befinden? Welche Folgen könnte das für Syrien haben? Und wie könnte das Russland bei seinen Bemühungen um die Regelung der Krise behindern?

Diplomatische Hilfe für Militärs

„Unsere Diplomaten befinden sich vor Ort, und ihre Zahl hat sich verdoppelt“, teilte Mattis mit. „Je weniger Militäreinsätze es werden, desto mehr können die diplomatischen Bemühungen ausgebaut werden.“

Um welche Zahl von Mitarbeitern des Außenministeriums es sich handelt, präzisierte der Pentagon-Chef nicht. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf anonyme Quellen in Washington, dass sie sich mit der Organisation von humanitärer Hilfe befassen würden.

Die erwähnten US-Diplomaten befinden sich nämlich östlich des Euphrat, wo die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte das Sagen haben, die überwiegend aus kurdischen Kämpfern bestehen. Im Dezember 2017 hatte Mattis eine Erhöhung der Zahl der amerikanischen Diplomaten auf diesem Territorium angekündigt. Die Kurden selbst betrachten das Vorgehen Washingtons als ein positives Signal, denn ihre aktuelle Kooperation mit den USA geht über den Rahmen nur der IS-Bekämpfung hinaus.Natürlich brauchen die östlichen Gebiete Syriens humanitäre Unterstützung – die Infrastruktur dort wurde bei Luftangriffen der von den USA angeführten internationalen Koalition so gut wie total vernichtet. Aber es wäre auch durchaus möglich, dass sich die US-Diplomaten dort nicht nur mit diesen Fragen befassen werden. Denn im Grunde bemühen sie sich um die diplomatische Präsenz der USA in Gebieten, die von den syrischen Behörden nicht kontrolliert werden, und vervollkommnen dadurch die militärische Präsenz Washingtons. Und die Kurden werden diese Situation sicherlich ausnutzen.

Tendenz zur Absonderung

Das Zusammenwirken der USA mit den Kurden begann vor drei Jahren – fast gleichzeitig mit dem Start des Syrien-Einsatzes der russischen Luft- und Weltraumtruppen. Moskaus intensives Vorgehen zeigte klar und deutlich, dass die Vernichtung der IS-Kämpfer nur eine Frage der Zeit war – auch wenn sie viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Und vor diesem Hintergrund haben die Amerikaner nach Einschätzung mancher Experten ihre Strategie korrigiert.

Anstatt nur schweigend zuzuschauen, wie die Terroristen die Positionen der syrischen Regierungstruppen angreifen, setzten sie auf die Kurden und schlossen sich quasi dem Kampf gegen die Terroristen an. Das Ergebnis ist allgemein bekannt: Östlich des Euphrat sind jetzt viele US-Stützpunkte entstanden. Und jetzt schließen sich Diplomaten den Militärs an.

Die Kurden haben davon natürlich auch profitiert. Nach der Verdrängung der Terroristen von diesem Territorium haben sie ihren Einflussraum wesentlich erweitert, unter anderem durch Gebiete mit überwiegend arabischer Bevölkerung. Das krasseste Beispiel dafür ist die frühere syrische „Terroristen-Hauptstadt“ Rakka.

Dabei ging es nicht nur um die Eroberung von neuen Gebieten, sondern auch um die Etablierung von Behörden, die unabhängig von Damaskus waren bzw. sind. Im März 2016 verkündeten die Kurden die Bildung ihrer eigenen föderalen Region. In der zweiten Jahreshälfte 2017 fand dort eine ganze Reihe von Kommunalwahlen statt, und für Anfang 2018 war eine „Parlamentswahl“ geplant.

Diese fand allerdings nie statt, denn am 20. Januar begann die Türkei ihren Einsatz „Olivenzweig“ gegen die Kurden. Danach schien der „kurdische Stern“ niedergegangen zu sein: Ankara verdrängte die Syrischen Demokratischen Kräfte aus Afrin (im Nordwesten Syriens) und zwang de facto die USA zu einem Abkommen über Manbidsch (westlich des Euphrat). Im Sinne des im Juni von Ankara und Washington vereinbarten „Fahrplans“ sollten alle kurdischen Kräfte aus der Stadt geführt werden.Die Kurden spürten offenbar, dass sie in diesem Spiel nichts als eine „Wechselmünze“ waren, und wollten nicht abwarten, bis ihr Schicksal ohne ihre eigene Beteiligung entschieden wird – und bemühten sich dann um Kontakte mit der einzigen Seite, mit der sie damals Kontakte aufnehmen konnten, nämlich mit Damaskus. Im Juli besuchte eine kurdische Delegation die Hauptstadt und verhandelte dort über die Perspektiven für die Regelung der Kontroversen. Gemeinsame wirtschaftliche Aktivitäten auf den von den Kurden kontrollierten Territorien wurden vereinbart.

Es folgte noch eine Verhandlungsrunde, doch dann fand diese Geschichte ein Ende: Die USA spürten offenbar, in welche Richtung der Wind sich dreht, und intensivieren jetzt ihre Arbeit unter den syrischen Kurden – und diese kommen ihnen entgegen in der Hoffnung, zu Damaskus wieder auf Distanz gehen zu können. Eine Wiederaufnahme des Dialogs mit den syrischen Behörden wäre nur dann möglich, wenn die türkische Okkupation der syrischen Gebiete beendet würde, wie der Co-Vorsitzende der kurdischen Partei „Demokratische Union“ Schapus Hassan am 1. Oktober sagte.

Mit anderen Worten, die Spaltungsprozesse werden jetzt wohl nur noch intensiver werden, zumal die  Kurden in der vorigen Woche die Bildung eines „föderalen Ministeriums“ verkündeten, das aus neun „Teilministerien“ bestehen soll. Die Exekutive wird die Gebiete östlich des Euphrat verwalten.

Türkei gegen Kurden

Auf dem Weg der Kurden würde es jetzt wohl überhaupt keine Hürden geben, wenn es die Türkei nicht geben würde, die in Syrien zwei Einsätze gegen sie durchführte und die USA zum Manbidsch-Abkommen gezwungen hat.

Jetzt reden die Türken offen über die Bildung von Sicherheitszonen östlich des Euphrat. Und den Abzug der türkischen Militärs aus Syrien machte Präsident Erdogan von „fairen Wahlen“ dort und von der Vernichtung der terroristischen Gefahr abhängig, die vom IS, der al-Nusra-Front und anderen Gruppierung ausgehe

Egal wie, aber Ankara lässt sich überhaupt keine Aktivitäten der Kurden gefallen – nicht einmal die Überlassung einer kulturellen Autonomie an sie, damit sie in ihrer Muttersprache lernen könnten (dafür plädierte einst Russland). Außerdem ist die Türkei äußerst skeptisch in Bezug auf die Teilnahme der Kurden an politischen Prozessen.

Moskaus Initiative zur Einbeziehung der Kurden in den Genfer Dialog wurden nicht umgesetzt, und am Kongress des syrischen nationalen Dialogs, der im Januar in Sotschi stattfand, nahmen sie nicht als einheitliche politische Kraft teil, sondern kamen auf persönliche Einladungen nach Russland.

Ohne besondere Aktivitäten

Russland spielt in diesen Prozessen keine besonders aktive Rolle, bleibt aber auch nicht absolut passiv. Am 2. Oktober besuchte die Vorsitzende des Exekutivkomitees des „Rates des demokratischen Syriens“ (sprich der kurdischen Region), Ilcham Achmad, Moskau, wo sie sich mit dem russischen Vizeaußenminister und Präsidentenbeauftragten für den Nahen Osten, Michail Bogdanow, traf.

Man kann nur raten, was auf der Tagesordnung ihres Treffens stand, aber der russische Diplomat erinnerte höchstwahrscheinlich daran, dass solche „Spielchen“ mit den USA oft schlimme Folgen hätten, wobei die Amerikaner selbst immer den Kopf geschickt aus der Schlinge ziehen würden.Egal wie, aber die Seiten haben sich auf die Wiederherstellung der Souveränität und territorialen Integrität Syriens geeinigt, wie dazu auf der Website des russischen Auswärtigen Amtes mitgeteilt wurde.

Dabei hat Moskau offenbar der Türkei die Auseinandersetzungen mit den Kurden – und gleichzeitig auch mit den USA – überlassen. Vorerst baut Washington seine militärische und diplomatische Präsenz östlich des Euphrat aus. Aber Ankara gab ihm schon öfter zu verstehen, dass es sich das nicht gefallen lässt.

Also werden die Amerikaner jedenfalls zwischen zwei Verbündeten lavieren, die füreinander gehasste Feinde sind. Ob aber Syrien nach all diesen Auseinandersetzungen der Türken, Amerikaner und Kurden ein einheitliches Land bleiben wird, steht in den Sternen.

Quelle!:

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