Donnerstag, April 25, 2024
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„Ehe für alle“: Wie FDP und AfD die Sache sehen

Wolfgang Kubicki (FDP) begrüßt die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben als wichtigen Schritt gegen die Diskriminierung von Homosexuellen. Nach der zivilrechtlichen Gleichstellung wünscht er sich auch gesellschaftliche und kirchliche Akzeptanz. Alexander Gauland sieht dagegen die AfD als letzte Bastion für konservative Werte.

Ehe für alle, Stimmung, Bundestag
© AP Photo/ Markus Schreiber

Im Ergebnis richtig sei die Zustimmung zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gewesen, findet Wolfgang Kubicki, Vorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein. Jedoch hätte er sich gewünscht, dass es im Vorhinein eine breite gesellschaftliche Debatte darüber gegeben hätte, bei der man den Teil der Bevölkerung hätte miteinbeziehen können, der weiterhin an den traditionellen Vorstellungen von der Ehe als einer Institution für Mann und Frau festhalte. Auch sei das Thema viel zu sensibel, um es machttaktisch zu benutzen, kritisiert er. „Aber es ist passiert und es ist gut so. Darüber sollten wir uns alle freuen. Auch die Verfassung sagt in Artikel 3 unseres Grundgesetzes, dass niemand wegen seines Geschlechtes – und damit auch wegen seiner sexuellen Orientierung – benachteiligt oder bevorzugt werden soll. Ich finde, Deutschland ist jetzt endlich vollendet bei der Frage der Rechtsstaatlichkeit, dass niemand diskriminiert werden darf.“

Er verstehe nicht, was die Kanzlerin geritten habe, der Abstimmung zuzustimmen, sagt hingegen Alexander Gauland, Spitzenkandidat der AfD.

„Wahrscheinlich möchte sie völlig frei sein in künftigen Koalitionsverhandlungen, um keine Wertebasis mehr in die Verhandlungen einbringen zu müssen. Deshalb hat sie sich sozusagen ganz schlank gemacht, bei der CDU kommt es auf irgendwelche Inhalte nicht mehr an.“

Dass einige CDU-Politiker für die Öffnung der Ehe gestimmt haben, zeige nur die konsequente Entwicklung der CDU zu einer sozialdemokratischen Partei, die keinerlei wertkonservative Inhalte mehr vertrete.

In der AfD sei die Ehe für alle und das damit verbundene uneingeschränkte Adoptionsrecht kein Thema und auch Spitzenkandidatin Alice Weidel, die mit ihrer Partnerin zusammen in einer homosexuellen Beziehung lebt und zwei Söhne erzieht, fordere keine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau. Gauland betont, seine Partei diskriminiere jedoch keine Homosexuellen.

„Wir treten dafür ein, dass die Menschen leben können, wie sie wollen. Es stellt sich allein die Frage, ob eine Beziehung zwischen zwei Homosexuellen eine Ehe ist und die Privilegien der Ehe erhalten soll. Das hindert mich nicht, jedem Glück und Zufriedenheit zu wünschen, der in einer anderen Partnerschaft lebt.“

Das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare lehne die AfD ab, so Gauland.

Wolfgang Kubicki erklärt, bei Fragen der Kindererziehung stehe das Kindeswohl an erster Stelle. „Ich kenne aus eigener Erfahrung Fälle, wo Kinder sich sehr wohl fühlen, dass sie in einer Partnerschaft von gleichgeschlechtlichen Partnern aufwachsen können. Entscheidend ist, dass sich Menschen um die Kinder kümmern und sorgen, da spielt das Geschlecht keine Rolle. Ich kenne auch Vorgänge aus meiner anwaltlichen Tätigkeit, wo heterosexuelle Eltern ihr Erziehungsrecht nicht wahrgenommen haben — zulasten der Kinder. Ich bin sicher, dass Kinder genauso gut in einer gleichgeschlechtlichen Ehe aufwachsen können, wie in einer heterosexuellen.“

Angela Merkel im Bundestag (Archivbild)
© AFP 2017/ Tobias Schwarz

Wolfgang Kubicki verstehe und respektiere diejenigen Abgeordneten, die mit „Nein“ gestimmt hätten und es gebe durchaus auch gute juristische Gründe, die den ein oder anderen zu dieser Entscheidung bewogen hätten. Man könne ihre Entscheidung keinesfalls mit Diskriminierung gegen Schwule und Lesben gleichsetzen. Auch die Frage, ob eine Verfassungsänderung notwendig sei, bleibe noch offen. Jedoch sei es wichtig gewesen, mit dem Gesetz diesen letzten Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen und damit zur Rechtsstaatlichkeit zu gehen.

„Wir hatten in Schleswig-Holstein in unserer Koalitionsvereinbarung mit CDU und Bündnis 90/ Grüne vereinbart, dass wir das durchsetzen wollen. Und ich sage das ein bisschen scherzhaft: Wir sind kaum einen Monat im Amt und schon kann man feststellen, wie wir gewirkt haben. Es ist auf Bundesebene Gesetz geworden.“

Alexander Gauland hingegen fragt sich, welche Konsequenzen die Öffnung der Ehe auf lange Sicht haben wird. „Wenn ich es Ehe für Alle nenne und den Ehebegriff völlig inhaltsleer gestalte, dann kann ich auch die muslimische Vielehe akzeptieren. Warum eigentlich nur die Beziehung zwischen zwei Männern oder zwei Frauen, warum nicht eine Ehe zu fünft oder zu sechst mit einem Mann und vielen Frauen? Auch irgendwelche anderen Beziehungen von engen Verwandten – auch das kann man zur Ehe stilisieren. In dem Fall ist einer sogenannten gesellschaftlichen Modernisierung Tür und Tor geöffnet und wir können noch nicht absehen, was daraus werden wird.“

Mit Positionen der AfD möchte sich der FDP-Politiker Kubicki nicht auseinandersetzen. Er glaubt, die Partei werde über kurz oder lang von der politischen Bildfläche verschwinden.

„Angesichts der politischen Größenordnung der AfD sollten wir deren Aussagen auch nicht zu ernst nehmen.“

Die Christdemokraten haben es vorgemacht – werden die Christen in der Bevölkerung folgen?

Mit dem Gesetz zur Gleichstellung der homosexuellen Ehen sei die Diskussion noch lange nicht vom Tisch, sagt Wolfgang Kubicki. Diskriminierung habe weniger mit der rechtlichen Seite, als mit der gesellschaftlichen Achtung zu tun. Er respektiere die Menschen, die eine traditionelle Auffassung von Ehe und Familie hätten, doch müsse noch an der gesellschaftlichen Gleichstellung von Homosexuellen gearbeitet werden.

„Die Katholische Kirche ist nach wie vor nicht bereit, eine Ehe unter gleichgeschlechtlichen Partnern zu akzeptieren. Auch die Evangelische Kirche war bisher nicht bereit, Paare zu trauen, sondern hat sie nur gesegnet. Das wird sich jetzt ändern müssen, denn nach der zivilrechtlichen Gleichstellung muss jetzt auch die gesellschaftliche Gleichstellung vollständig erfolgen.“

Alexander Gauland sieht gerade bei der konservativen christlichen Bevölkerung mögliche neue Wähler für seine Partei. „Ich nehme schon an, dass es verstärkt Wähler im katholischen Bereich, im konservativ-evangelischen Bereich gibt, die sich zumindest überlegen werden, AfD zu wählen, weil bestimmte Positionen nur von der AfD vertreten werden.“Derzeit erwägt die AfD eine Verfassungsklage gegen das Gesetz zur Ehe für alle. Weil sie keine Fraktion im Bundestag stelle, könne sie es aber allein nicht schaffen, erklärt Gauland. Man müsse überlegen, ob man sich mit anderen Kritikern zusammentue.

Am Freitag haben die Abgeordneten im Bundestag mit einer Mehrheit von 393 zu 226 für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gestimmt. Vier Abgeordnete haben sich enthalten, sieben weitere haben ihre Stimme nicht abgegeben.

Ilona Pfeffer

Quelle: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/ 

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