Dienstag, April 23, 2024
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Elefantenrunde auf ATV: Eine angriffige, emotionale Debatte

In der zweiten TV-Debatte der Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl gingen die Wogen hoch – vor allem zwischen Christian Kern und Sebastian Kurz

Christian Kern braucht das Bier wohl dringend, vor allem nach einem Tag wie diesem: Wenige Stunden nach seinem Auftritt im Bundeskanzleramt (siehe Seite 1) wird er gestern, Sonntag, ins ATV-Studio geladen. Gemeinsam mit den anderen Spitzenkandidaten zur Nationalratswahl diskutiert der Bundeskanzler und SPÖ-Chef in der zweiten von insgesamt drei Elefantenrunden.

Nach einer halben Stunde wird den Kandidaten also auf Sendung besagtes Bier serviert – und zwar je nach Größe des versprochenen Entlastungsvolumen der Bevölkerung in den Parteiprogrammen. Allerdings alkoholfrei. Kern macht seinem Frust an diesem Abend aber ohnehin rhetorisch Luft. Er schaut zuerst auf sein Glas, mit 5,3 Milliarden Entlastung beschriftet, dann auf den Krug von ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit 14 Milliarden Euro. Man erkenne daran den Unterschied zwischen einem seriösen und einem unvernünftigen Konzept, sagt Kern. Bei zu vielen Einsparungen müsste man Spitäler schließen.

>> Liste Pink sieht fern: Aus Alle gegen Kurz wurde Alle gegen Kern

Ganz allgemein ist Kern in der Debatte teilweise grantig, jedenfalls weitaus angriffiger als eine Woche zuvor. Bei der Diskussion auf Puls 4 gab er noch den staatstragenden Bundeskanzler. Am gestrigen Abend ist davon nur noch wenig zu sehen. Bei der derzeitigen Situation der SPÖ hätte diese Taktik aber sowieso nicht funktioniert.

Und die Situation, also die Causa Silberstein, wird eine gute halbe Stunde besprochen. Kern findet die Sache „widerlich, ich ärgere mich grün und blau“, sagt er. „Ich ärgere mich auch für Sebastian Kurz, das ist nicht akzeptabel.“ Aber ganz reumütig gibt er sich dann doch nicht, denn er ortet auch „merkwürdige Zustände“ und Schmutzkübelkampagnen gegen sich und seine Familie.

„Sie brauchen den Nebel“

Im Laufe des Abends teilt er gegen die Runde aus, wie er es vor einer Woche noch nicht getan hat: „Sie brauchen den Nebel, ihre politischen Inhalte will niemand haben“, ruft er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu.

Nach eineinhalb Stunden kommt es sogar zu einem heftigen Schlagabtausch mit Kurz: Auf europäischer Ebene „haben Sie nur Interviews gegeben, bravo!“, sagt Kern zu Kurz. „Ich war hingegen sogar mit Fieber bei den Reden.“ Dann wirft er ihm auch „beachtliches Insiderwissen“ über die Causa Silberstein vor, da Kurz von zwölf Mitarbeitern der Dirty-Campaigning-Truppe gesprochen habe. Tatsächlich dürfte es sich um „ein halbes dutzend“ Mitarbeiter gehandelt haben und Kurz diese Info missverstanden habe. Zuvor hatte Kern ihm schon zugerufen: „Alte ÖVP, neue ÖVP, das kann ich nicht mehr hören.“ Nachsatz: „Ich glaube Ihnen das genauso wenig wie ich Ihr Steuerkonzept glaube.“ Bei Kerns kleiner Wutrede rutscht Matthias Strolz sogar ein zustimmendes „Jawoll“ heraus. Der Neos-Chef ist übrigens der einzige, der an dem Bier am Pult vor sich kurz nippt.

Strolz kommt spät zu Wort („Ich bin ja für meine Geduld bekannt“, sagt er nicht ganz unironisch) und versucht den Stand der Dinge für sich zu nutzen. Genau diesen schlechten Stil habe er schon vor fünf Jahren beobachtet, als er noch als Zuseher vor dem Fernseher saß. Dann habe er die Neos gegründet: „Ich hab mir gedacht: Das drucken wir sonst nicht durch.“ Peter Pilz gibt daraufhin den Strolz der Nationalratswahl 2017, nur weniger aufgedreht: „Diese Debatte hier ist genau das, was die Menschen nicht wollen.“

Strache nutzt die Gelegenheit, um einen Witz anzubringen: Pilz solle doch für die Aufklärung der Causa engagiert werden. „Der wird das gut machen und hat nach dem 15. Oktober sicher viel Zeit.“ Weil er beim ersten Mal nicht so wirklich aufgeht, bringt er den Scherz später noch einmal. Dann warnt er noch vor einer Neuauflage von Rot-Schwarz, allerdings mit einem SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil.

Lunacek: Schwarz-blau ist ausgemacht

Und Lunacek? Die kommt wie vor einer Woche vergleichsweise selten zu Wort und geht in der Debatte eher unter. Einmal überlässt ihr Kern sogar das Wort. Sie glaubt jedenfalls, dass Schwarz-Blau schon „eine ausgemachte Sache ist, so oft wie Sie sich einig sind“. Sie spricht sich im Themenblock Flüchtlinge jedenfalls für bundeseinheitliche Regelung zur Mindestsicherung aus. Bei der Kürzung dieser Sozialleistungen in Niederösterreich seien auch Österreicher betroffen. Kurz wirft sie vor, nicht genügend Deutschkurse für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt zu haben.

Der Gewinner dieser Runde? Schwer zu sagen. Man ist jedenfalls geneigt zu sagen: Der Zuseher eher nicht. Die Debatte ist weitaus angriffiger als eine Woche zuvor, das Klima deutlich angespannter. Sich ein Bild der thematischen Bandbreite der Kandidaten zu machen ist weitaus schwieriger. Allerdings ist es nach den Geschehnissen am Wochenende wohl auch deutlicher schwieriger.

Beitragsbild: APA/GEORG HOCHMUTH

Quelle: http://diepresse.com/home/innenpolitik/nationalratswahl/5295322/index.do

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