Freitag, März 29, 2024
StartPolitikAggressionEU-Armee: Großmachtfantasien oder Emanzipation gegen „Schurkensupermacht“?

EU-Armee: Großmachtfantasien oder Emanzipation gegen „Schurkensupermacht“?

Präsident Emmanuel Macron fordert die Errichtung einer europäischen Armee. Ein „europäisches Imperium“ will der französische Finanzminister Bruno Le Maire. Brauchen wir tatsächlich eine EU-Armee? Oder Erwachen hier Großmachtfantasien von europäischen Staatsmännern?

„Wir brauchen ein Europa, das sich selbst verteidigen kann, ohne sich völlig auf die USA zu verlassen“, zitierte die Agentur Reuters den französischen Staatschef Emmanuel Macron vergangenen Dienstag. Macrons strebt damit eine sogenannte europäische Armee an.

Als überzeugter Verfechter der Europäischen Union findet Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr, Jürgen Rose, die Idee einer europäischen Streitkraft „charmant und notwendig“. Gegenüber Sputnik erklärt der Friedensaktivist vom „Arbeitskreis Darmstädter Signal“ das gegenwertige Problem der aktuellen militärischen Situation in der Europäischen Union:

„Wir haben lauter nationale Armeen im Nato-Bündnisrahmen versammelt. Wir als Europäer unterhalten quantitativ mehr Truppen als die USA. Allein das macht schon den ganzen Wahnsinn des Nato-Projekts deutlich.“

Eine EU würde hingegen jede Menge „Synergieeffekte“ bieten, um den Umfang von Streitkräften deutlich zu reduzieren und auch die Ausstattung so zu standardisieren, dass man nicht jedes Jahr mehr Geld für die Rüstung ausgeben müsse, so Rose. Er fordert daher eine weitgehende „Entnationalisierung von Streitkräften“. Um auch weiterhin die Souveränität der Staaten zu gewehrleisten schlägt er vor, „Nationalgarden“ zu bilden — also Sicherheitskräfte, die zwischen der regulären zivilen Polizei und einem „Bundesgrenzschutz“ anzusiedeln wären. Ansonsten gebe es volleinsatzbare, klassische Streitkräfte — mit Marine-. Luftstreitkräfte und Heeresverbänden. „Das gibt es nur noch voll integriert im Rahmen einer europäischen Armee. Über jeden Einsatz soll gemeinsam im EU-Parlament entschieden werden. Im Gegensatz zur heutigen Konstruktion der Nato, wo man ja jederzeit in der Lage sei, diese „ad hoc-Koalitionen“ der Willigen zu bilden, wäre das ein deutlicher Fortschritt im Hinblick auf eine Friedenssichernde Qualität dieser Streitkräfte, unterstreicht der Oberstleutnant a.D.: „Dieser unhaltbare Zustand in der Nato wäre damit beendet.“„Emanzipation in der EU“

Seit Jahren kritisiert Rose die Politik des nord-atlantischen Militärbündnisses und glaubt, dass die Nato „dringend entsorgt“ werden müsse. Das Bündnis werde von der einzig verbliebenen Supermacht, den USA, angeführt, „die seit über 200 Jahren nichts anderes tut, als die Welt mit Krieg zu überziehen“, bemängelt der Nato-Kritiker.

Für die Europäer sieht der ehemalige Bundeswehroffizier daher eine „dringende Notwendigkeit“, sich endlich von der „Schurkensupermacht“ USA zu emanzipieren. „Wenn sie die Fernsehbilder gesehen haben, als der Durchgeknallte aus dem Oval-Office dem Präsidenten Macron den Handschlag verweigert hat, nur weil er es gewagt hat von einer europäischen Armee zu sprechen und damit die Präponderanz der USA in Frage zu stellen, sagt das schon alles. Wenn man weiterhin Vasal der USA bleiben will, dann muss man so weiter machen, wie bisher“, warnt Rose.

„Vertragswidrige Militarisierung Europas“

Den Aufbau einer EU-Armee verurteilt hingegen der Friedensforscher, Reiner Braun vom „International Peace Bureau“ (IPB). Eine europäische Armee sei nicht als Alternative zu all den bestehenden Streitkräften gedacht, sondern als eine zusätzliche, mit anderen Armeen synergetisch verbundene  Armee und von daher bedeutet es weitere Aufrüstung überall in Europa. Das wäre ein weiterer Schritt in der vertragswidrigen Militarisierung Europas. Trotzdem werde die Militarisierung massiv vorangetrieben. Ein „No“ sei das einzig richtige zu einer europäischen Armee, sagt Reiner Braun im Sputnik-Interview.

Er befürchtet, dass es dabei nur um „innerimperialistischen Konkurrenzkampf“ geht. Das sei jedoch für „friedensbewegte Menschen“ abzulehnen. „Es geht um die Neuordnung des Einflusses in der Welt. Da geht es auch um die Frage, welche Rolle Europa in Konkurrenz zu den anderen Mächten spielt, die die Welthegemonie oder maßgeblichen Einfluss auf die Welt anstreben.“ Es sei im Denken unserer Staatsmänner noch üblich, in militärischen Kategorien zu denken, bemerkt Braun: „Man braucht starke Armeen und noch bessere Kriegsführungsfähigkeit, wenn man eine wichtige Macht auf dieser Welt sein will“. Deswegen komme auch Macron zu einer verstärkten Überlegung, eine europäische Armee zu gründen. Und deswegen sei auch Trump so dagegen, „weil er auf die alleinige Stärke der USA setzt“, erklärt der Abrüstungsexperte.

Europäisches Imperium?

Dass es sich bei den Plänen Macrons um imperialistische Machtbestrebungen handelt, zeigen auch die Aussagen des französische Finanzminister Bruno Le Maire. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ fordert Le Maire die Schaffung eines rechtsstaatlichen „europäischen Imperiums“. Es gehe darum, dass Europa „eine Art Empire“ werden müsse, wie es China und die USA sei, fordert der Minister.

Dem widerspricht jedoch Reiner Braun. „Eine imperiale europäische Großmacht kann schon deswegen grundsätzlich nicht rechtsstaatlich sein, weil sie permanente mit ihren Interventionskriegen, die sie führen muss, um ihre imperiale Rolle in dieser Welt zu behalten, gegen das Völkerrecht verstößt.“ Weil heute die Eingriffe Frankreichs und Deutschlands in Mali völkerrechtswidrig seien, weil das Engagement in Libyen völkerrechtswidrig gewesen sei, setzte der IPB-Friedensaktivist zwischen Rechtsstaatlichkeit und imperialer Politik drei große Fragezeichen.

EU-Armee? – „Langwieriger Prozess“

Trotz seiner erklärten Notwendigkeit, eine EU-Armee aufzubauen, zeigt sich Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose „sehr skeptisch“, dass eine europäische Streitkraft in den nächsten Jahren überhaupt entstehen könne. „Das wäre ein sehr langwieriger Prozess.“ Das Gebiet der Sicherheits- und Außenpolitik sei das letzte verblieben Reservat, wo sich die nationale  Souveränität austoben könne. Und es sei ungeheuerlich schwierig Nationalstaaten dazu zu bringen, auf den letzten Rest von Souveränität zu verzichten, bemerkt der Militärexperte.

Quelle!:

Empfohlene Artikel
- Advertisment -
Translate »