Donnerstag, April 25, 2024
StartWirtschaftBörseEuropa schaut in die Röhre: Russland leitet Gas nach China um

Europa schaut in die Röhre: Russland leitet Gas nach China um

Russische und chinesische Unternehmen sollen bis Jahresende einen Vertrag über Gaslieferungen über die westliche Route unterzeichnen, wie der russische Vizepremier Dmitri Kosak am Montag nach einer Sitzung der russisch-chinesischen Regierungskommission berichtete.

Laut dem Chef der Staatlichen Energieverwaltung Chinas, Nur Bekri, der ebenfalls an dieser Sitzung teilgenommen hatte, will China im Falle einer Einigung zum westlichen Korridor mindestens 80 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland beziehen – über alle Pipelines und Routen, darunter Kraft Sibiriens, Altai und Flüssiggas-Lieferungen.

Vor dem Hintergrund der ständigen Auseinandersetzungen um die westlichen russischen Pipelines wurde den Lieferwegen in der östlichen Richtung bisher kaum Beachtung geschenkt. Der chinesische Staatschef Xi Jinping beauftragte nun seine Untergeordneten, in kurzer Zeit alle Formalitäten für den Bau der Pipeline Altai bzw. Kraft Sibiriens 2 zu erledigen. Dieser Auftrag wurde unmittelbar beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin während des Östlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok gegeben.

Das sagt wohl vieles.

Die Lieferungen über die westliche Route würden rund 30 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr ausmachen. Denn China entwickelt sich aktiv und verzichtet auf Kohle als Basis-Energieträger. Das heißt, dass der Bedarf Chinas an „reiner Energie“ (Projekt „Großer Ring“) und Atomenergie (woran sich Rosatom aktiv beteiligt, obwohl China auch eine eigene Atomindustrie hat) wächst.

Der Erdgasverbrauch lag in China im vergangenen Jahr bei 237 Milliarden Kubikmeter, allein in der ersten Jahreshälfte dieses Jahres stieg er um 17-18 Prozent.

Es gibt einen weiteren interessanten Aspekt.

Die US-Flüssiggaslieferungen nach China gingen im Juli auf 130.000 Tonnen zurück – der niedrigste Wert in diesem Jahr (im März waren es 445.000 Tonnen). China gibt den Partnern eindeutig zu verstehen, dass es in Zukunft die US-Flüssiggaslieferungen stark reduzieren bzw. komplett darauf verzichten kann. Das ist ein voraussagbares Element des amerikanisch-chinesischen Handelskriegs. Für China ist dies ein Teil seiner Energie- und Wirtschaftssicherheit. Sicherheit spielte im Reich der Mitte stets eine große Rolle.

Peking ist also am russischen Gas interessiert, besonders an Rohrgas. Ebenso ist Russland daran interessiert, dieses Gas an China zu verkaufen. Obwohl die Pipeline Altai rund 450 Kilometer länger (also auch teurer) als die Pipeline Kraft Sibiriens ist, ist russisches Gas für Chinesen billiger als amerikanisches Flüssiggas.

Russland hat eine enorme Ressourcenbasis. Doch sie ist leider nicht unbegrenzt. In diesem Jahr soll die Gasfördermenge von Gazprom bei 495 Milliarden Kubikmeter liegen.

In der Branche wird jedoch dem Flüssiggas deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Dies ist besonders aktuell vor dem Hintergrund der Erschließung der Arktis-Vorkommen – der Nordostpassage.

Sie ist einfach gewinnbringender.

Es wurde die Aufgabe gestellt, den Anteil Russlands am Flüssiggasmarkt auf 23 Prozent zu erhöhen. Dabei sollen die Investitionen in die Produktion der russischen Anlagen zur Flüssiggasproduktion laut Novatek-Chef Leonid Michelson bei mindestens 80 Milliarden Dollar liegen.

Die gemeinsame Ausrichtung auf den Schelf, darunter in der Arktis und im Fernen Osten, ist klar. Aus der Sicht der Logistik und der Preise ist die Produktion von Flüssiggas viel attraktiver, auch aus der Sicht des Verkaufs.

Russland verdrängt schon jetzt dank dem niedrigen Selbstkostenpreis und der einfacheren Logistik die Konkurrenten in Südostasien. Südkorea erhöhte seine russischen Flüssiggaskäufe trotz der historischen US-Schutzherrschaft in diesem Jahr fast um 20 Prozent. Die russischen Flüssiggaslieferungen nach Japan wachsen ebenfalls. In Sotschi wurde vor kurzem ein Vertrag mit Vietnam unterzeichnet. Hinzu kommt China, wohin jetzt fast ein Fünftel des Gazprom-Flüssiggases exportiert wird.

Dabei wird Gas von den westsibirischen Vorkommen, die zuvor „europäisch“ ausgerichtet waren, nach China gepumpt.Das Fazit: Russisches Rohrgas wird auf den Weltmärkten mittelfristig zur Mangelware. Gerade deswegen macht sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel so beharrlich für Nord Stream 2 stark. Gerade deswegen sind Putin die kaspischen Pipelineprojekte und auch das ukrainische Transit-Rohr relativ egal – wenn sie annehmbare Transitbedingungen bereitstellen, dann wird Russland Gas liefern, wenn nicht – dann eben nicht.

Denn nur in den Medien wird es so dargestellt, als ob Gazprom sein Gas aufdrängen will. Die Realität ist eine ganz andere.

* Die Meinung des Autors muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen.

Quelle!:

Empfohlene Artikel
- Advertisment -
Translate »