Donnerstag, März 28, 2024
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Ex-Verfassungsrichter: Ungestrafte Köln-Übergriffe lassen Vertrauen in Rechtsstaat schwinden

Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio zeigt sich besorgt über die schleppende juristische Aufarbeitung der Übergriffe in der Silvesternacht in Köln. Auf 1200 weibliche Opfer kommen derzeit lediglich vier Verurteilungen von Tätern. Dies komme einer Duldung des Rechtsbruchs gleich und untergrabe das Vertrauen der Bürger in die staatliche Friedensordnung, äußerte Di Fabio über die Situation.Ein halbes Jahr nach dem Vorfall in Köln, kam es jetzt zu vier Verurteilungen – bei insgesamt 1200 Opfern. Die schleppende juristische Aufarbeitung der Übergriffe in der Silvesternacht, bereitet Udo Di Fabio Kopfzerbrechen. Im Interview mit „Der Zeit“ warnte der ehemalige Verfassungsrichter vor einer „Erosion“ des Rechtsstaats in Deutschland.

„Vollzugsdefizite und erkennbare Überforderung, Duldung des Rechtsbruchs untergraben das Vertrauen der Bürger in die staatliche Friedensordnung“, so Di Fabio.

Es bestehe ein Unvermögen des Rechtsstaats, Straftaten zu ahnden. Und dies „erzeugt Sorgen und Ängste, die sehr ernst genommen werden müssen.“ Die Tatsache dass bei 1200 Opfern von sexuellen Übergriffen, bislang nur vier Täter verurteilt worden seien, sei sehr beunruhigend, so der 62-jährige.

Schärferes Sexualstrafrecht „nicht zielführend“

Vergangene Woche wurde im Bundestag mit großer Mehrheit ein schärferes Sexualstrafrecht beschlossen. Das hält Di Fabio nicht für zielführend. Entscheidend sei das „alltägliche Ringen“ der Behörden um die öffentliche Ordnung. „Da helfen repressiver gestaltete Gesetze kaum, die die Polizei dann nur selten durchsetzen kann“, sagte der Experte.

So sieht es auch der Deutsche Richterbund. Verfahren, bei denen künftig ein „Nein“ des Opfers für eine Bestrafung eines Sexualtäters ausreichen soll, seien kompliziert. „Die Öffentlichkeit muss sich bewusst sein, dass die Reform nicht zu einem signifikanten Anstieg der Verurteilungen führen dürfte.“ (Siehe: Neues Sexualstrafrecht: Richter erwarten Probleme in der Praxis)

Der Jurist, der dem Bundesverfassungsgericht zwölf Jahre lang angehörte, sieht dem Bericht zufolge einen direkten Zusammenhang zwischen den Kölner-Übergriffen und der Flüchtlingswelle. Er warnte jedoch auch vor allzu kurzen Schlüssen. „Das Risiko offener Grenzen und die fehlende Kontrolle darüber, wo Flüchtlinge untergebracht werden, sollte man nüchtern diskutieren“, mahnte er.

Die EU brauche eine „pragmatische Reform“ des Asylsystems, da sich das Dublin- und Schengen-System als ungeeignet erwiesen habe. Diese Neuordnung müsse auch „die Eigenverantwortung der Staaten“ wieder anerkennen und gegebenenfalls auch einfordern, so Di Fabio.

Weiters meinte er, dass Deutschland seine Liberalität durch professionelle Konsequenz sichern müsse, da die Gesellschaft unübersichtlicher und „im Täterverhalten rücksichtsloser“ werde. „Der offenen Gesellschaft dürfen Ordnungsverluste nicht gleichgültig sein“.

Rückblick: Di Fabio zur Asylkrise

Im Januar kam der ehemalige Verfassungsrichter Udo die Fabio, in einem vom CSU-regierten Freistaat Bayern beauftragten Gutachten über die Asylkrise zu dem Schluss, die Bundesregierung breche mit ihrer Weigerung, die Landesgrenzen umfassend zu kontrollieren, eindeutig Verfassungsrecht.

„Das Grundgesetz garantiert nicht den Schutz aller Menschen weltweit durch faktische oder rechtliche Einreiseerlaubnis. Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht besteht auch weder europarechtlich noch völkerrechtlich“, erklärte Di Fabio damals.

Weiters heißt es in dem Positionspapier:

„Die aktuelle Lage in der Flüchtlingskrise ist dramatisch. Der Zustrom der
Flüchtlinge ist unverändert hoch. Unsere Gesellschaft hat sich bereits massiv
verändert. Die Folgeprobleme sind groß. Die Innere Sicherheit ist gefährdet, soziale
Spannungen drohen die Gesellschaft zu spalten. Angesichts von über 600.000
noch nicht bearbeiteten Asylanträgen werden die Probleme der Verwaltung immer
drängender, Abschiebungen und Rückführungen immer schwieriger. Geltendes
Recht wird nicht beachtet. Das europäische Dublin- und Schengensystem ist
zusammengebrochen.“

Das Ziel des Gutachtens sollte dazu dienen, darzulegen, „welche verfassungsrechtlichen Pflichten dem Bund gegenüber den Ländern zur Begrenzung des massenhaften und unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen obliegen, insbesondere im Hinblick auf einen wirksamen Schutz der Grenzen.“

Das Gutachten habe gezeigt, dass

„der Bund verpflichtet ist, die Staatsgrenzen wirksam zu sichern und die Aufnahme von Flüchtlingen zu begrenzen. Die derzeitige unkontrollierte Einreise ist nach Auffassung des Gutachters mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Geltendes Recht wird nicht beachtet. Hinsichtlich der Nichtanwendung des geltenden Rechts wurden Bundestag und Bundesrat zu keinem Zeitpunkt beteiligt. Das europäische Dublin- und Schengensystem ist zusammengebrochen. Der Bund steht – wie das Gutachten bestätigt – deshalb in der Verantwortung, die Herrschaft des Rechts wieder herzustellen und für wirksame Einreise- und Grenzkontrollen zu sorgen. Die Zahl der illegal einreisenden Flüchtlinge muss nachhaltig begrenzt werden.“

Die unkontrollierte und rechtswidrige Masseneinwanderung von Menschen aller Herren Länder nach Europa, steht für den Juristen auch in engem Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen auf über 1000 Frauen in der Kölner Silvesternacht.

(so)

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