Freitag, April 19, 2024
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Experte: Griechenland kann von Österreich keine Reparationen fordern


Völkerrechtler Hafner: "Kein Rechtsnachfolger Nazi-Deutschlands" – Österreicher federführend an NS-Verbrechen in Griechenland beteiligt

Athen/Wien – Griechische Politiker haben zuletzt des öfteren Reparationszahlungen von Deutschland wegen des Zweiten Weltkriegs gefordert. Könnte auch Österreich – im gängigen Geschichtsverständnis von 1938 bis 1945 Teil des "Dritten Reichs" – davon betroffen sein?

Nein, meint der Rechtsexperte Gerhard Hafner von der Universität Wien. Denn: "Österreich ist kein

Rechtsnachfolger Nazi-Deutschlands."

Bei den im Zuge des Schuldenstreits zwischen EU und Griechenland, in dem Deutschland eine besonders strenge Linie verfolgt, geäußerten Forderungen geht es um Entschädigungen für Kriegsverbrechen und -schäden sowie um die Tilgung von Ansprüchen aus einer Zwangsanleihe. Warum Österreich davon aber nicht betroffen sei, erklärte der Professor für Völkerrecht und Internationale Beziehungen in einer Stellungnahme gegenüber der APA so: "Österreich wurde vom Deutschen Reich im März 1938 völkerrechtswidrig okkupiert, sodass es seine Handlungsfähigkeit verlor, jedoch als Völkerrechtssubjekt weiter bestehen blieb."

"Im Jahre 1945 erlangte es seine Handlungsfähigkeit wieder, zuerst eingeschränkt durch die sogenannten Kontrollabkommen, später in vollem Umfang wiederhergestellt durch den Österreichischen Staatsvertrag von 1955", erläuterte der Völkerrechts-Experte. "Dass Österreich als Staat nicht am Zweiten Weltkrieg beteiligt war, zeigt sich an der Bezeichnung dieses Vertrages als Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, womit die Unabhängigkeit wiederhergestellt werden sollte."

Österreich habe nicht als Feindstaat gegolten

Es sei auch nicht von einem "Friedensvertrag" die Rede gewesen, wie dies etwa bei den Verträge von 1947 mit Italien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Finnland der Fall sei. Außerdem hätten die Alliierten in Moskau bereits 1943 festgelegt: "Austria, as the first free country to fall a victim to Hitlerite aggression, shall be liberated from German domination." Des Weiteren habe Österreich nicht als Feindstaat im Sinne der Artikel 53 und 107 der Satzung der Vereinten Nationen gegolten.

"Aus diesem Grund war Österreich weder Teil des Deutschen Reichs und noch kann es Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs sein." Außerdem hätten die Siegermächte von Österreich keine Reparationen gefordert. Dies sei in Artikel 21 des Staatsvertrags ausdrücklich festgelegt: "Von Österreich werden keine Reparationen verlangt, die sich aus dem Bestehen eines Kriegszustandes in Europa nach dem 1. September 1939 ergeben."

Die im Staatsvertrag ausgesprochenen Forderungen bezogen sich laut dem Uni-Juristen auf die Forderungen der Übergabe des deutschen Eigentums in Österreich bzw. auf Restitution des aufgrund der Nazi-Verfolgungen entzogenen Eigentums. Die Zwangsanleihe sei Griechenland 1942 vom Deutschen Reich auferlegt worden, meinte Hafner: "Da Österreich damals als eigenes, vom Deutschen Reich getrenntes Völkerrechtssubjekt bestand, jedoch handlungsunfähig war, kann die Zwangsanleihe Österreich nicht zugerechnet werden. Da Österreich auch kein Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs ist und sein kann, kann auch über eine Rechtsnachfolge keine rechtliche Beteiligung Österreichs an dieser Anleihe konstruiert werden."

Kriegsverbrechen können nicht angelastet werden

Auch Kriegsverbrechen von "Österreichern" könnten dem Staat nicht angelastet werden: "Österreicher in Diensten des Deutschen Reichs handelten als Organe des Deutschen Reichs, sodass diese Handlungen dem Deutschen Reich zuzurechnen sind. Ihre Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründen jedoch eine individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit."

Hafners Schlussfolgerung: "Ungeachtet dieser rechtlichen Aspekte hat sich Österreich seiner moralischen Verantwortung gestellt und freiwillige Leistungen an Personen aus Drittstaaten – wie ehemalige Zwangs- und Sklavenarbeiter – erbracht, die durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs zu Schaden gekommen sind."

Österreicher unter Kriegsverbrechern

Es ist historisch belegt: Aus dem Gebiet Österreichs stammende Soldaten beteiligten sich federführend an den verbrecherischen Umtrieben des Nazi-Regimes in Griechenland.

Der k. u. k. Offizier und spätere Luftwaffen-General Alexander Löhr war für die Bekämpfung der Partisanen auf dem Balkan und für die Juden-Deportation in Griechenland verantwortlich. Löhr wurde 1947 in Belgrad hingerichtet. Der in Wels geborene Wirtschaftsfachmann Hermann Neubacher (1893 – 1960) war als Sonderbeauftragter des NS-Staates für die ökonomische Ausplünderung Griechenlands und den von Athen inkriminierten Zwangskredit der Notenbank 1944 verantwortlich.

Auch Waldheim unter Verdacht

Im Zuge der Affäre um die Wehrmachtsvergangenheit des verstorbenen Ex-Bundespräsidenten Kurt Waldheim (1918 – 2007) wurde vor allem von US-Medien über eine Mitwisserschaft oder gar Beteiligung bei Massakern an griechischen Zivilisten spekuliert. Allerdings wurde der Ex-UNO-Generalsekretär von diesen Vorwürfen in den 1980er-Jahren entlastet. Die im Zuge der Diskussionen eingesetzte Historiker-Kommission stellte fest: "Eine Mitwirkung an den Judendeportationen in Griechenland, die vor allem von März 1943 bis Mai 1943 stattgefunden haben, ist aus der Tatsache heraus auszuschließen, dass sich Waldheim von November 1942 bis Oktober 1943 nicht in der Nähe von Saloniki aufgehalten hat."

Gerichtliche Aufarbeitung blieb weitgehend aus

Nach dem Krieg blieb die gerichtliche Aufarbeitung der Taten von Österreichern in Griechenland weitgehend aus. Ein Prozess in Wien gegen den in Südtirol geborenen SS-Offizier Otto Begus in den 1950er-Jahren wurde eingestellt. Dem Gericht war die Bearbeitung der griechischen Zeugenaussagen zu mühsam, sagt dazu Winfried Garscha vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW).

Die österreichischen Behörden hätten sich wie in anderen Fällen nur auf Druck von außen mit Vorwürfen befasst. Mit dem Militärputsch in Griechenland 1967 sei die Verfolgung von NS-Straftaten in Griechenland weiter erschwert worden. Den griechischen Behörden machte das offizielle Österreich in den 1940er-Jahren zudem rasch deutlich, es werde trotz tätiger Mitwirkung seiner Staatsangehörigen an der Besetzung und Verbrechen in Griechenland keine Reparationen leisten.

Bereits der erste Gesandte Österreichs in Griechenland nach dem Krieg, "ein Herr Wildner", habe eine Wiedergutmachung kategorisch ausgeschlossen, schrieb der an der Universität von Athen lehrende Historiker Hagen Fleischer in einer Publikation.

(APA, 17.4.2015)

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