Donnerstag, April 18, 2024
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G7-Gipfel: Zerfall der Weltordnung bahnt sich an

Im kanadischen Quebec ist gestern der G7-Gipfel eröffnet worden. Der „elitäre Klub der westlichen Industrienationen“ erlebt nicht gerade seine besten Zeiten: 500 Tage nach dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus wurde endgültig klar, dass der 45. US-Präsident entschlossen ist, viele Prinzipien des Globalismus aufzugeben.

Medien bezeichnen Trumps Vorgehen schon jetzt einen „Handelskrieg“. Zunächst versuchten die EU-Länder sowie Kanada und Japan, ihn zu überreden, auf die von ihm im März angekündigten Importzölle für diverse Produkte aus diesen Ländern doch zu verzichten – allerdings vergebens.

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“

Mehr als das: Auch das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA), an dem die USA, Kanada und Mexiko beteiligt sind, ist offenbar gescheitert.

Die europäischen Länder schweben in Gefahr wegen möglicher US-Sanktionen, falls ihre Unternehmen Geschäfte mit dem Iran machen sollten.

Erst vor einem Monat hatten die meisten Partner der Amerikaner eine offene Kritik an Trump vermieden – in der Hoffnung, sich doch noch mit ihm zu einigen. Dabei verwiesen sie immer wieder auf Washingtons entscheidende Rolle als Garant der modernen Weltordnung.

Aber unmittelbar vor dem G7-Gipfel in Quebec machten sie kein Hehl mehr aus ihrer Meinung. Am 7. Juli gaben der kanadische Premier Justin Trudeau und der französische Präsident Emmanuel Macron eine gemeinsame Pressekonferenz, auf der sie erklärten, die Mitglieder der Gruppe wären bereit, auch ohne die USA zurecht zu kommen. Macron sagte unter anderem:

„Sie sagen, dem US-Präsidenten wäre alles gleich? Das mag sein, aber niemand von den Spitzenpolitikern ist ewig. Die sechs weiteren G7-Mitglieder bilden zusammen einen noch größeren Markt, als es der US-Markt ist. (…) Möglicherweise hat der US-Präsident tatsächlich keine Angst, in Isolation zu geraten. Aber wir haben keine Angst, zu sechst zu bleiben. Denn diese Sechsergruppe verkörpert die Werte, die Marktwirtschaft und vor allem die stärkste internationale Kraft.“

Das waren schon starke Worte. Aber es stellt sich die Frage, ob Europa (samt Kanada und Japan) tatsächlich einig und entschlossen ist, ohne die USA zurecht zu kommen. Ob die sechs Spitzenpolitiker imstande sind, die liberale Weltordnung aufrechtzuerhalten.

Und sind die sechs Länder wirklich gleichgesinnt? Denn nach der Bildung der neuen EU-skeptischen Regierung in Italien platzt die europäische Einheit aus den Nähten. Und dabei geht es nicht nur darum, dass der italienische Premier Giuseppe Conte für die Abschaffung der Russland-Sanktionen plädiert und sein Vize Matteo Salvini inzwischen die Krim besucht hat. Viel gefährlicher für Berlin, Paris und Brüssel ist die Entschlossenheit des neuen Kabinetts in Rom, für eine größere sozialwirtschaftliche und außenpolitische Selbstständigkeit zu kämpfen.

Kennzeichnend ist auch, dass Conte gleichzeitig mit der Bemerkung, die Russland-Sanktionen sollten außer Kraft gesetzt werden, unterstrich, die USA seien und bleiben für sein Land „traditionell ein privilegierter Partner“.

Also scheint die G7 trotz internationaler Medienberichte nicht gerade in die „G6 plus Trump“ zerfallen zu sein. Denn Italien lässt sich wohl weder zu den G6-Mitgliedern (wegen seiner Sympathie für den Populisten Trump) noch zu den absoluten Anhängern des Weißen Hauses (wenigstens bis sich die Beziehungen zwischen Washington und Moskau wieder verbessern) zählen.

Wie ist denn aber die neue Formel: 5+1+1? Da ist alles auch nicht so einfach: Japan ist zwar mit den protektionistischen Handlungen Trumps und mit dem Austritt Washingtons aus den TPP-Verhandlungen unzufrieden, aber für Tokio sind und bleiben die USA quasi der einzige zuverlässige militärische Verbündete.

Und noch wichtiger sind für die Japaner die diplomatischen Erfolge des Weißen Hauses im Kontext des Nordkorea-Problems. Das erste Treffen Trumps mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un, das für 12. Juni in Singapur angesetzt ist, soll zum ersten Schritt auf dem langen Weg zur  Regelung der Situation werden.

Angesichts dessen ist es also unwahrscheinlich, dass sich das Land der aufgehenden Sonne für einen offenen Streit mit Washington entscheiden wird.

Hinzu kommt, dass auch Kanada es sich im letzten Moment anders überlegen und einen Streit mit seinem südlichen Nachbarn vermeiden könnte.

Aber das Wichtigste ist wohl, dass weder Angela Merkel noch Emmanuel Macron etwas in Wahrheit verändern wollen. Im Gegenteil: Sie wehren sich mit allen Kräften gegen die Veränderungen, die die Wähler verlangen, die für die EU-Skeptiker stimmen.

Wie effizient dieser Widerstand sein wird, wird sich noch zeigen. Vorerst bemüht sich die europäische Elite darum, einerseits Washington zur Vernunft zu überreden, damit es den Ideen des Globalismus treu bleibt, und andererseits die Wähler zu überzeugen, Geduld zu haben und abzuwarten, bis Trump das Weiße Haus wieder verlässt. Dann würde alles wieder in Ordnung kommen.

Doch es gibt große Zweifel daran, dass alles tatsächlich noch „wieder in Ordnung kommen“ kann.

Quelle

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