Donnerstag, März 28, 2024
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Gedenken an Armenier-Genozid in Wien: Friedliches Für und Wider


Schönborn: "Größte Christenverfolgung der Geschichte"

Wien – Leiser Gedenkmarsch und lautstarkes Kontra am 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern am Freitagabend in Wien: Armenier, Kurden und linke türkische Gruppen veranstalteten einenFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3) "Marsch für Gerechtigkeit". Gleichzeitig demonstrierten mehrere türkische Dachverbände gegen die Bezeichnung Genozid durch das österreichische

Parlament.

Video: "Marsch für Gerechtigkeit" und Demo türkischer Dachverbände

 

Schönborn-Predigt

Im Wiener Stephansdom gedachte zuvor Kardinal Christoph Schönborn in einer ökumenischen Vesper gemeinsam mit Vertretern andere christlicher Glaubensgemeinschaften der Opfer des Genozids an den Armeniern 1915. In seiner Predigt meinte der Kardinal: "Das, was 1915 und in den folgenden Jahren geschehen ist, kann man als größte Christenverfolgung der Geschichte bezeichnen." An die Kritiker gerichtet meinte er: "Wahrheit führt nicht zu neuem Hass, die Leugnung der Wahrheit führt zu Hass." Jenen, die diese Haltung kritisieren, müsse man die Hand entgegenstrecken, so der Kardinal in der gut gefüllten Kathedrale.

foto: standard/fischer
Gedenkmarsch in Erinnerung an den Genozid gegen die Armenier.

Ähnlich ruhig wie im Stephansdom ging es wenig später vor der Karlskirche beim "Marsch für Gerechtigkeit" weiter. Ein buntes Gemisch von Armeniern, Kurden, Irakern und Österreichern fand sich ein, um der Ereignisse von 1915 zu gedenken. An ein rasches Einlenken der Türkei glaubten viele der Teilnehmer nicht, die Erklärung des Österreichischen Nationalrats begrüßten sie dennoch. "Nur durch Druck kann sich die Türkei verändern", sagte eine Teilnehmerin dem STANDARD am Rande der Veranstaltung.

foto: christian fischer/standard
Buntes Gemisch: Armenier, Kurden, Iraker und Österreicher gedachten den Ereignissen von 1915.

Um ca. 19.30 Uhr setzte sich der Marsch Richtung Parlament in Bewegung. Der Versuch der Veranstalter, aus dem Protest einen schweigenden Gedenkmarsch zu machen, scheiterte allerdings an einigen sozialistischen Teilnehmern, die lautstark "Hoch die internationale Solidarität" skandierten. Insgesamt nahmen laut Wiener Polizei rund 2.500 an dem Protestzug teil.

"Österreich hat der Türkei in den Rücken gestochen"

Die Gegendemo türkischer Vereine, die am Westbahnhof ihren Ausgang nahm, war indes deutlich lauter – und größer – rund 4.500 machten ihren Ärger über Österreichs Haltung deutlich. Die Route wurde zuvor noch geändert, damit sich die beiden Demonstrationszüge nicht treffen.

foto: standard/christian fischer
"Österreich hat die Türkei in den Rücken gestochen" – viele Teilnehmer der Gegendemo waren von Österreich enttäuscht.

Der Unmut unter vielen Demonstrationsteilnehmern war groß: "Österreich hat der Türkei in den Rücken gestochen", sagte ein Teilnehmer dem STANDARD. Das, was 1915 geschehen ist, sei tragisch, aber kein Völkermord. Dass viele westliche Staaten das anders sehen, läge am guten Lobbying der Armenier, meinte ein anderer Demonstrant. Auch türkische Sanktionen gegen Österreich, die jüngst im Raum standen, wünschten sich einige Teilnehmer.

An der Gegendemonstration nahmen nicht nur Wiener teil, auch Mitglieder türkischer Vereine aus Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg reisten an, um gegen die Bezeichnung Genozid durch das österreichische Parlament zu demonstrieren. Wie bei Protesten türkischer Dachvereine in Wien üblich, war sie perfekt durchorganisiert. Es dürfte auch dieser straffen Organisation zu verdanken sein, dass beide Demonstrationen bis zuletzt friedlich verlaufen sind.

"Dauerhafte Schädigung"

Die Türkei hatte sich am Mittwoch über eine Erklärung des Österreichischen Nationalrats zum Völkermord an den Armeniern 1915 empört und von einer "dauerhaften Schädigung" der Beziehungen zwischen beiden Ländern gesprochen. Der türkische Botschafter wurde aus Wien zurückberufen. In dem Text der Klubobleute hatte es geheißen: "Aufgrund der historischen Verantwortung – die österreichisch-ungarische Monarchie war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet – ist es unsere Pflicht, die schrecklichen Geschehnisse als Genozid anzuerkennen und zu verurteilen."

foto: christian fischer/standard
Straff organisiert: Die Gegendemonstration türkischer Vereine in Wien verlief friedlich.

Die offizielle türkische Geschichtsschreibung sieht die Türken als Opfer radikaler Armenier. Im Ersten Weltkrieg seien die christlichen Armenier, die als osmanische Soldaten gekämpft hätten, zum Feind – den Russen – übergelaufen. Hinter der Front hätten sie Massaker an den türkischen Zivilisten – auch Frauen, Kindern und älteren Menschen – verübt.

(Stefan Binder, derStandard.at, 24.4.2015)

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