Samstag, April 20, 2024
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Geheimdienste: Zurück im Normalbetrieb – Vertuschen, tarnen, täuschen

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Für gewöhnlich meiden Geheimdienste das Licht der Öffentlichkeit. Daher ist es ein erstaunlicher Zufall, dass der Verfassungsschutz am Dienstag mit seinen beiden prominentesten Gesichtern auf großer Bühne stand: Während der Amtschef, Hans-Georg Maaßen, gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) seinen jährlichen Behördenbericht in Berlin vorstellte, bereitete sich Andreas Temme in München auf eine Befragung vor dem Oberlandesgericht vor. Der einstige Geheimdienstler, dessen Verstrickung in den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) nach wie vor ungeklärt ist, musste sich zum Hergang eines rechtsterroristischen Mordanschlags im Jahr 2006 äußern, bei dem er, laut Polizei, alsFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3) Hauptverdächtiger galt.

(Foto: Das »dunkle Kapitel« wurde nachgeliefert: Die Blackbox Verfassungsschutz der Berliner Naturfreunde präsentierte am Dienstag »Verfassungsfeindliche Bestrebungen inländischer Geheimdienste«)

Über drei Jahre nach Ende des braunen Mordfeldzugs taugt der NSU dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nur noch zum Bonmot, zur Selbstbeweihräucherung. So sei die Geheimdienstreform, die am Freitag den Bundestag passieren soll, eine »gelungene Konsequenz aus der Aufdeckung der

Morde«, rühmte sich de Maizière. Wenn das Gesetz beschlossen wird, erhält der Dienst so viele Kompetenzen wie niemals zuvor. Dies mit der »Aufdeckung« einer von Amts wegen geförderten Terrorstruktur zu begründen, entbehrt nicht einer gewissen Chuzpe. Als die rechten Killer im Jahr 2011 zufällig aufflogen, liefen im BfV die Schredder heiß. Seitdem sind eine Menge »Lehren aus dem NSU« (Maaßen) gezogen worden.

Vertuschen, tarnen, täuschen: Die Devise gilt weiterhin. Als »größte Bedrohung« durch ausländische Dienste führte Maaßen am Dienstag – in dieser Reihenfolge – Russland, China und den Iran an. Von der NSA will er nichts wissen: »Gesicherte Erkenntnisse« zu US-Spionage auf deutschem Boden lägen nicht vor. Und der Internetdatenverkehr jenseits des Ozeans unterliege nicht seinem Aufklärungsauftrag. Affäre beendet.

Video: https://youtu.be/ADJBpG5Tbyo

Dafür weiß das Amt, was rechts und links ist. Die Pegida-Demonstrationen, die vielerorts zu gewalttätigen »Nein-zum-Heim«-Kampagnen mutiert sind, fallen nicht in den überwachten »Phänomenbereich«. Begründung: »Sie haben es nicht geschafft, Einfluss auf die Politik auszuüben.« Die »Angst der Bürger« vor »dem Fremden« müsse ernst genommen werden, so der Minister. Wohl deshalb hat sich der Bundestag noch an diesem Donnerstag eine drastische Verschärfung des Asylrechts vorgenommen. Bei den nicht endenden Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, zuletzt am Wochenende in de Maizières eigenem Wahlkreis Meißen, solle man »genau schauen«, mahnte er. All das müsse gar nicht »fremdenfeindlich« gemeint sein, wenn es sich zum Beispiel um Nachbarn handele, »die sich etwa durch Lärm gestört fühlen.«

Rechtsextreme hätten zwar im ersten Halbjahr 2015 mit 150 Brandanschlagsdelikten fast so viele Straftaten wie im gesamten Vorjahr (175) verübt, berichtete de Maizière. Doch die wahre Gefahr geht von Linken aus – »wie bei den Krawallen um die EZB-Eröffnung« in Frankfurt. »Das Ausmaß der Bedrohung hat mich zutiefst erschüttert.« Auch die junge Welt, als einzige deutschsprachige Zeitung Gegenstand der Beobachtung, erhält einen eigenen Absatz. Sie sei »das bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus«.

Die Linken, vor allem die »orthodoxen Kommunisten und Antiimperialisten«, schlügen sich derzeit »auf die Seite des russischen Präsidenten Putin«, raunt der Verfassungsschutzbericht. Russland, alter und neuer Todfeind Deutschlands. Der Geheimdienst hat, nach kurzer Irritation, zum Normalbetrieb zurückgefunden: Als integraler Bestandteil der deutschen Heimatfront.

Literatur:

Überwachtes Deutschland: Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik von Josef Foschepoth

Geheimsache NSU: Zehn Morde, von Aufklärung keine Spur von Frank Brunner

Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald

Quellen: Ipon/jungewelt.de vom 01.07.2015

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