Freitag, April 19, 2024
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Gesellschaft: Ich! Ich! Ich!

Die Gesellschaft wird immer egozentrischer. Das zeigt sich in den sozialen Medien und in der Politik. Wer da nicht mitkommt, fällt hintenüber. Oder wird von den Falschen aufgegriffen.

Es lebe das Ego! Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Erfolg des Individuums größeren Wert hat als der der Gemeinschaft. Auf Facebook, Instagram und Twitter posten wir Selfies oder teilen mit, an welchen coolen Orten wir uns gerade mit welchen coolen Leuten unterwegs sind und was für coole Sachen wir machen.

Je mehr „likes“ und Kommentare wir bekommen, je mehr Leute dem folgen, was wir posten, desto besser für das Ego.

Die Idole unserer Zeit machen es uns vor. Bei Twitter ist US-Popstar Katie Perry die Nummer eins: 92 Millionen Menschen folgen ihr. Das sind zehn Millionen mehr als Deutschland Einwohner hat.

Beliebtester Sportler ist – richtig, der Egomane schlechthin – Fußballstar Cristiano Ronaldo. Er kommt auf fast 45 Millionen Follower. Etwa genauso viele Menschen leben in Spanien. Cristiano Ronaldo übrigens auch (Pokémon Go – unterwegs im Auftrag der CIA?).

Der Verfasser dieser Zeilen nimmt sich aus diesem Thema keinesfalls raus. Auch er hat Sonnenuntergänge anstatt sie zu genießen 20 Mal fotografiert, um den ultimativen Schnappschuss mit seinen Facebook-Freunden zu teilen. Hinterher hat er nachgeschaut, wer diesen „Post“ kommentiert und geliked hat (Im Narzissmus-Land: „Deutsche leiden unter kollektiver Bequemlichkeitsverblödung“).

Der Auftritt in den sozialen Medien hat fast schon Wettbewerbscharakter. Entweder man macht mit oder hüllt sich in das dicke Fell der Ignoranz. Oder steht verzweifelt daneben, weil man nicht mithalten kann.

Nimmt man den Attentäter von München, den Axtangreifer von Würzburg und den Sprengstoff-Dschihadisten von Ansbach, so haben alle eines gemeinsam. Sie waren Eigenbrödler am Rande unserer Gesellschaft (Gesellschaft: Hurra, wir verblöden!).

Verlorene Individuen, ohne große Bindung nach außen. Zwei von ihnen waren Flüchtlinge mit geringen sozialen Kontakten. Solchen Außenseitern nimmt sich der IS an. Er gibt den jungen Männern das, was sie in unserer Gesellschaft nicht bekommen: Wertschätzung und Selbstvertrauen, das Gefühl, wichtig zu sein.

Der Attentäter von München war ein 18-jähriger Deutsch-Iraner ohne soziale Anerkennung. Selbst beim Computerspielen mit seinen Bekannten war er ein Außenseiter. Er, der in seiner eigenen, geschlossenen Welt aus Rassismus und bizarrer Bewunderung für Massenmörder seinen eigenen Attentatsplan schmieden konnte.

Er lud Freunde ein, zum späteren Tatort zu kommen, um sie abzuknallen. Es waren nicht seine eigenen Freunde, sondern die Freunde eines gefakten Facebook-Profils. Mehr Scheinwelt geht nicht.

 

Zeit der Egomanen

Die besten Beispiele dafür, dass wir in einer Zeit der großen Egomanen leben, finden sich in der Politik. Die Rede ist von Donald Trump und Recep Tayyip Erdogan. Der eine will US-Präsident werden, der andere ist Präsident der Türkei und scheint sich das ganze Land einverleiben zu wollen.

Beide sind omnipräsent in den Medien. Beide gehen trotz heftigen Gegenwindes aus allen Richtungen ihren Weg.

Dabei scheren sie sich nicht um Konventionen oder gutes Benehmen. Sie brechen Tabus und benehmen sich manchmal sogar rüpelhaft. Interessanterweise haben sie trotzdem – oder genau deshalb – Erfolg („Unsere Schulen produzieren leidenschaftslose Pflichterfüller“ (Video)).

Trump und Erdogan sind die größten Egomanen unserer Zeit. Es sagt viel über unsere Gesellschaft aus, dass zwei solche Ich-Menschen gerade jetzt so erfolgreich sind. Wären sie es auch vor fünf oder zehn Jahren gewesen?

Kommen wir zurück zu den sozialen Netzwerken, in denen Trump und Erdogan im Übrigen wüst beschimpft werden. Um es deutlich zu sagen: Nicht die sozialen Netzwerke sind schuld, sondern unser Umgang damit.

In der S-Bahn, im Bus oder auf der Parkbank – einfach mal das Handy in der Tasche lassen und schauen, was so in passiert in seiner Umgebung (Vom Rückschritt des Fortschritts: Digitaler Burnout, Smombies & Generation Head-Down (Video)). Einer älteren Dame den Platz anbieten oder das Pärchen beim Schmusen beobachten. Einfach einmal ausprobieren, ob das etwas für einen ist.

Ich ich ich – erstmal ohne mich.

Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com am 01.08.2016

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