Mittwoch, April 24, 2024
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Glücksspiel: Wie Novomatic und Co. ihre Automaten retten wollen

Glücksspiel: Wie Novomatic und Co. ihre Automaten retten wollen

Das kleine Glücksspiel steht in Wien vor dem Aus: Wie Novomatic und Co ihre Automaten retten wollen und warum einem Spielsüchtigen nur mehr ein Sechser im Lotto helfen kann.

Von Jakob Winter

Zeljko zieht einen 100-Euro-Schein aus seinem Portemonnaie und steckt ihn in den Schlitz des Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 2)Spielautomaten. Das Gerät tönt und blinkt. Zeljkos Augen glänzen. Für einen Moment scheint er alles um sich herum zu vergessen: die Kellnerin, die durchs Wettcafé saust, den Betrunkenen, der mit den Fernsehbildschirmen schimpft – und vor allem seine eigenen Probleme. Nach wenigen Minuten hat er sein 

Geld verspielt. Zeljko verlässt das Lokal, der Betrunkene füllt den freigewordenen Platz.

In der Hernalser Hauptstraße, wo sich das Wettcafé befindet, stehen Einarmige Banditen in insgesamt 23 Lokalen und Kammern – auf nicht einmal drei Kilometern. Mehr als 10.000 Spielautomaten werden nach Berechnungen der Consultingagentur Kreutzer Fischer & Partner aktuell in ganz Österreich betrieben. Allein in Wien stehen an die 2800 Geräte. Für die Betreiber sind die Automaten ein lukratives Geschäft: Im Jahr 2012 wanderten Spieleinsätze in der Höhe von drei Milliarden Euro in die Maschinen.

Den saftigen Einnahmen stehen existenzbedrohliche Verluste der Spielsüchtigen gegenüber. Österreichweit sind 64.000 Menschen betroffen, Zeljko ist einer von ihnen. Der 34-Jährige spielt fast jeden Tag, schon sein halbes Leben lang. Manchmal eine Stunde, manchmal fünf, hin und wieder den ganzen Tag – bis der letzte Schein weg ist. "Würde der Automat Schuhe akzeptieren, hätte ich sogar meine Schuhe hineingeworfen und wäre barfuß nach Hause gelaufen“, sagt er.

85 Prozent aller Spielsüchtigen haben Probleme mit Automaten 


Über 100.000 Euro Schulden hat Zeljko bisher angehäuft. Er hat Gelder 


seiner Arbeitgeber veruntreut und die Nintendo-Konsole verkauft, die 


sein Sohn zu Weihnachten bekommen hat – alles, um seine Spielsucht zu 


befriedigen. Seine Ehe ging zu Bruch, seine Eltern leiden wie er 


selbst unter Depressionen, und seinen Arbeitsplatz hat er längst verloren. Der Staat habe ihn nicht geschützt, klagt er.

85 Prozent aller Spielsüchtigen gaben laut Spielsuchthilfe an, Probleme mit Automaten zu haben. Und nach Angaben der Wiener Polizei sind 98 Prozent aller Bankräuber spielsüchtig. Für den Verband für Konsumentenschutz gehören die Geräte deshalb "weg vom Markt“. Zu diesem Schluss ist auch die Wiener Stadtregierung gekommen. Bürgermeister Michael Häupl war anfangs gegen ein Aus für die Automaten, immerhin spülten die Geräte jährlich 50 Millionen Euro in die Stadtkassa. Der Bürgermeister musste sich zähneknirschend dem Willen der roten Basis und des grünen Partners beugen. Eine Bundesgesetzesnovelle aus dem Jahr 2010 machte es möglich: Nach einer vierjährigen Übergangsfrist laufen mit 1. Jänner 2015 alle Konzessionen aus – ganz gleich, für wie lange sie ursprünglich genehmigt wurden. Die Stadt Wien hätte zwar neue Konzessionen vergeben können, tat dies aber nicht. Deshalb können Spielautomaten außerhalb von Casinos ab Jahresbeginn nicht mehr legal betrieben werden.

Josef Münzker will das nicht hinnehmen. "Was da gerade passiert, ist eine Katastrophe“, sagt der Unternehmer, der in Wien 14 Wettcafés mit knapp 100 Spielautomaten betreibt. Er rechnet vor, dass er ohne die Automaten bis zu 30 seiner Mitarbeiter entlassen müsste. Laut Wirtschaftskammer Steiermark sichern zwei Automaten im Schnitt einen Arbeitsplatz – in Wien wären demnach 1400 Jobs betroffen. "In Wahrheit wäre die ganze Firma, die ich aufgebaut habe, mit einem Schlag wertlos“, konstatiert Münzker. Mit den Behörden geht er auf Konfrontationskurs: "Wir werden einmal abwarten und die Automaten stehen lassen.“ Sollte die Finanzpolizei seine Geräte versiegeln, wird Münzker den Bescheid "mit Sicherheit“ juristisch bekämpfen und will zudem Schadenersatz für entgangene Gewinne einfordern.

Die Glücksspielbetreiber Pokert hoch 


Pünktlich zum Ende der Übergangsfrist legte Platzhirsch Novomatic 


– dem Konzern gehören etwa 1500 Automaten in Wien – Gutachten der prominenten Verfassungsjuristen Theodor Öhlinger und Bernhard Raschauer vor. Demnach seien die Konzessionen für die ursprünglich genehmigte Laufzeit gültig, also über den 31. Dezember 2014 hinaus. Der niederösterreichische Glücksspielkonzern plant deshalb ebenfalls, rechtliche Schritte einzuleiten. Auch kleineren Unternehmen empfiehlt Helmut Kafka, Sprecher des Automatenverbandes, das Ausschöpfen aller juristischen Möglichkeiten. Kafka geißelt "Verbots-Lobbyisten“, die der Öffentlichkeit "skrupellos“ vorgaukeln würden, dass Verbote etwas beim Spielerschutz bewirkten.

"Wenn die Automaten weg wären, wäre das sicher eine Erleichterung für mich“, glaubt hingegen Zeljko. Vor Verzweiflung ist er sogar schon für einen Monat zu seiner Cousine in die Schweiz geflüchtet. "Dort gibt es keine Automaten. Da hab ich dann auch nicht gespielt.“ Doch es geht um viel Geld, und so bleiben die Spielgeräte vorerst, wo sie sind. Damit nicht genug: Die Betreiber installierten jüngst an mehreren Standorten Fingerscan-Anlagen – offiziell zum Spielerschutz.

Die Glücksspielbetreiber Pokern hoch: Pro Automat droht eine Strafzahlung von bis zu 22.000 Euro. Schonfrist werde es keine geben, erklärt Wilfried Lehner, Chef der Finanzpolizei. Denn die Rechtslage sei "aus unserer Sicht völlig eindeutig“. Seine Abteilung wird ab Jänner in ganz Wien Kontrollen durchführen. Spielgeräte werden in einem ersten Schritt versiegelt und bei der Landespolizei angezeigt. Und dann werde es für die Automatenaufsteller "unlustig“, denn es gebe keine Möglichkeit mehr, der Einziehung zu entgehen. Nach einer Verurteilung werden die Geräte nämlich abtransportiert und verschrottet. Die Betreiber setzen also neben viel Geld auch ihre Automaten aufs Spiel – Neuwert je Stück: rund 7000 Euro.

Flut von mehreren hundert Einzelklagen droht 


Der Rechtsstreit um die Spielgeräte kann sich freilich über Jahre ziehen. Wenn die Betreiber ernst machen, droht eine Flut von mehreren hundert Einzelklagen. In der Öffentlichkeit geben sich Stadträtin Ulli Sima und Finanzminister Hans Jörg Schelling betont kämpferisch: Die Gesetze seien einzuhalten. Doch im Hintergrund laufen die Vorbereitungen nicht gerade optimal: Wie die Landespolizei 2800 Geräte auf einmal enteignen will, kann dort bis heute niemand beantworten. Es stünden noch koordinierte Gespräche mit dem Finanzministerium aus. Soll heißen: Bisher ist nichts passiert. Zusätzliches Personal sei keines geplant.

Bis auf die Finanzpolizei scheint sich niemand so recht auf die notwendigen Schwerpunktaktionen vorzubereiten. Lehner fühlt sich allein gelassen: "Die Kontrolle und Verfolgung illegaler Glücksspielangebote sind nicht nur Aufgaben der Finanzpolizei, sondern aller involvierter Behörden!“ Im Büro der Stadträtin Ulli Sima zeigt man sich unbeeindruckt: Die Vollziehung des Gesetzes falle ab Jänner 2015 in die Verantwortlichkeit des Bundes. Immerhin: Man will mit "Know-how“ unterstützen.

Helmut Kafka vom Automatenverband geht jedenfalls davon aus, dass die meisten Geräte stehen bleiben. Sollten die Behörden das Glücksspielverbot dennoch erfolgreich verfolgen, prophezeit der Automatenaufsteller Münzker einen blühenden Schwarzmarkt. Mehrere ausländische Firmen hätten bereits Geschäftsflächen gemietet und würden nur darauf warten, illegale Automaten aufzustellen.

Zeljko will indessen eine stationäre Therapie beginnen. Er wünscht sich ein "schuldenfreies und normales“ Leben. Dann seufzt er: "Doch dafür brauche ich einen Sechser im Lotto.“

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