Freitag, März 29, 2024
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In Europa besteht die Gefahr einer Renationalisierung

Foto: Zerfall der EU / günther gumhold  / pixelio.de

Die Europäische Union versagt in diesen Tagen kläglich darin, ihrer Rolle als Union nachzukommen. Bekanntlich errichten einzelne Nationalstaaten Grenzzäune und betreiben zur Wahrung ihrer nationalen Interessen eine rigorose Abschottungspolitik, die den ohnehin oft nicht allzu ausgeprägten Zusammenhalt in der Europäischen Union nachhaltig

belastet.

Erinnern wir uns an die große Nachricht der letzten Tage, also an jene, dass die EU-Innenminister nunmehr die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien für die Dauer der nächsten zwei Jahre beschlossen haben, wobei Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien überstimmt wurden. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Länder wie Großbritannien, Dänemark und Irland sich grundsätzlich nicht an dieser Umverteilung beteiligen werden. Für den Fall, dass ein Staat die ihm auferlegte Quote nicht erfüllen sollte, sind zudem keinerlei Strafen vorgesehen.

 

Diese Quote, die über einen Zeitraum von zwei Jahren wirksam ist, erscheint geradezu vernachlässigbar, wenn man sie in Relation zu den über 800.000 Asylanträgen setzt, die alleine in Deutschland in diesem Jahr erwartet werden. Ferner handelt es sich bei diesem Minimalkonsens lediglich um eine Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf die übrigen EU-Länder, von einer umfassenden Lösung der Flüchtlingskrise kann hier keine Rede sein. Dieser Quote wohnt noch nicht einmal im Ansatz die Ambition inne, eine langfristige Aufteilung zu garantieren, hat man sich doch lediglich auf absolute Zahlen einigen können, die in einigen Monaten aufgrund des realen Zustroms von Asylsuchenden Neuverhandlungen unabdingbar machen werden.

Eine sinnvolle Verteilung von Asylwerbern kann langfristig nur auf einem prozentualen Schlüssel basieren, nach dem anerkannte Asylwerber innerhalb der Europäischen Union aufgeteilt werden. Ein ähnlicher Schlüssel findet sich auch im Vertrag zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), einem langfristigen Notinstrument, das Kredite an zahlungsunfähige EU-Staaten vergeben soll. In der Flüchtlingskrise erscheint eine solche Quote jedoch derzeit undenkbar.

Abgesehen von einigen wenigen Staaten mit großzügigen Sozialsystemen, in denen die Mehrzahl der Anträge gestellt wird, besteht allerdings auch wenig Anreiz, einer solchen Lösung zuzustimmen. Solange Deutschland weiterhin seiner Rolle als begehrtes Aufnahmeland nachkommt und die Grenzschließung rein symbolischer Natur ist, können sich jene EU-Staaten, in denen der Andrang geringer ausfällt, darauf berufen, dass die Flüchtlinge ohnehin nach Deutschland drängen und man sie darob ziehen lassen sollte. Manche Staaten schätzen ihr „quiet life“, während man in anderen die innere Sicherheit bald schon nicht mehr gewährleisten wird können.

Dass diese Diskrepanz Sprengkraft birgt, wird zunehmend offensichtlich und mitaußenpolitischen Querelen und einer daraus resultierenden restriktiven Informationspolitik in Bezug auf die Flüchtlingsströme gießt man weiter Öl ins Feuer. Sollte es nicht in absehbarer Zeit gelingen, eine gemeinsame und stringente Flüchtlingspolitik einzuleiten, dann besteht die reale Gefahr, dass die Europäische Union um Jahre in ihrer politischen Entwicklung zurückgeworfen wird.

 

Quellen:
Bendixen, O., Österreichs Behörden sorgen sich um Sicherheit, in: Bayerischer Rundfunk, 22.9.2015.
Brickner, I. & Springer, G., Ungarn winkt Flüchtlinge nach Österreich durch – rund 7.500 am Donnerstag, in: Der Standard, 10.9.2015.
Peralta, E., European Union Approves Quota System To Relocate 120,000 Refugees, in: npr, 22.9.2015.
Vertrag zur Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Volltext)
Flüchtlinge: Orban sieht Asylfehler bei Österreich: Wirtschaftsblatt, 25.9.2015.

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