Freitag, März 29, 2024
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In Venezuela stirbt die freie Presse

Venezuela Presse Logo vom Fernsehsender Globovision

Gängelei, Zensur und Kündigungen – die freie Presse in Venezuela gerät immer mehr unter Druck. Mit "El Universal" hat jetzt auch eine der renommiertesten Zeitungen ihre kritische Linie verloren.

"Nahrungsmittel- und Medikamentenproduktion werden gesteigert", Fehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3)

titelt am 4. Februar 2015 die venezolanische Tageszeitung "El Universal". 

Der Artikel berichtet von Versprechen, die der Wirtschaftsminister Rodolfo Marco Torres in einem "erfolgreichen Treffen" Vertretern von multinationalen Konzernen abgerungen habe.

"So etwas hätten wir vor einigen Monaten noch nicht einmal erwähnt, geschweige denn in dieser Form", sagt der Journalist Juan Francisco Alonso im Gespräch mit der DW. Seit zwölf Jahren arbeitet er für El Universal. "Unser Redaktionsleitfaden schreibt vor, dass wir uns auf Fakten zu konzentrieren haben, statt Ankündigungen zu rezitieren", erklärt Alonso. Trotzdem schaffen es solche Artikel inzwischen regelmäßig auf den Titel des einst regierungskritischen Traditionsblattes.

Zensur in "privaten" Medien

"El Universal" ist nur ein Beispiel dafür, wie in Venezuela die freie Presse am politischen Einfluss zerbricht. Bereits der verstorbene Präsident Hugo Chávez verstaatlichte mehrere Fernsehsender durch Aufkauf von Anteilen oder erneuerte ihre Lizenzen nicht. Zuletzt traf es den einflussreichen Hauptstadt-Sender Globovisión, dem regierungsnahe Funktionäre ab 2013 eine neue Linie gaben.

 Ausschnitt der Titelseite der venezolanischen Tageszeitung El Universal

 

 

Die Titelseite von El Universal am 4. Februar 2014: Werbung für den Wirtschaftsminister

Seither galten die Zeitungen als letzte Bastion der freien Berichterstattung. Doch auch die bröckelt zusehends. Im Oktober 2013 wechselte die Tageszeitung "Últimas Noticias" den Besitzer, die sich vor allem an weniger gebildete Bevölkerungsteile richtet. Mehreren Mitarbeitern wurde sofort gekündigt. Die verbliebenen werden laut der Nichtregierungsorganisation Espacio Público gegängelt, zensiert und mit Kündigungen bedroht, wenn sie nicht dem neuen – regierungsfreundlichen – Kurs folgen.

Das gleiche Schicksal hat im Juli 2014 "El Universal" ereilt: Ehemalige Hauptthemen wie Korruption, Inflation oder die Mangelversorgung fänden seit einigen Wochen – wenn überhaupt – nur noch auf den hinteren Seiten Platz, klagt Alonso. Seit etwas mehr als einem halben Jahr sehen er und seine Kollegen sich in ihrer Arbeit beeinträchtigt: "Artikel werden über Nacht umgeschrieben, sodass am Ende teilweise das exakte Gegenteil von dem dort steht, was der Autor geschrieben hatte." Alonso, der auch in der Journalistengewerkschaft SNTP aktiv ist, spricht offen von Zensur durch die neuen Herausgeber.

Mysteriöse Übernahme

Wer das genau ist, sagt Alonso, weiß im Prinzip niemand so recht. Festzustehen scheint nur: Anfang Juli kaufte die frisch gegründete Investitionsgesellschaft Epalisticia mit Sitz in Madrid die Zeitung. Mit einem Stammkapital von 3.500 Euro soll sie 90 Millionen Euro für "El Universal" gezahlt haben.

Geholfen haben soll dabei eine panamaische Firma, deren damaliger Eigentümer, offenbar ein mittelständischer Unternehmer aus Venezuela, von alledem nichts gewusst haben will. Seine Unterschrift sei gefälscht worden, sagte er der spanischen Zeitung El Pais, und so habe man die Firma widerrechtlich der Epalisticia übertragen. In welcher Form die überhaupt existiert, ist unklar. Unter der Telefonnummer, die auf der Internetseite angegeben ist, meldet sich nur eine anonyme Mailbox, die angegebene E-Mail-Adresse scheint es nicht zu geben.

Guillermo Zuloaga Globovision Flash-Galerie

Ex-Globovisión-Chef Guillermo Zuloaga verließ 2013 seinen Sender, als die Regierung die Führung austauschte.

Effektive Taktik

Natürlich drängt sich die Frage auf, warum regierungskritische Herausgeber ihre Medien aufgeben. Einer der Gründer von "Globovisión" gab an, es sei politisch, wirtschaftlich und juristisch unmöglich geworden, den Sender weiter zu betreiben. Und auch die Eigentümer von "Últimas Noticias" und "El Universal" haben sich offenbar entschlossen, sich aus dem heiklen Geschäft zurückzuziehen und zumindest ihr Kapital zu retten.

Die schwache Wirtschaftslage, verbunden mit der Rationierung von Papier hatten Auflagen und Seitenzahlen der gedruckten Zeitungen in den letzten Jahren massiv reduziert. Der Zugang zum Internet ist in Venezuela zwar frei, jedoch wurde 2010 das Mediengesetz auf das Internet ausgeweitet. Es erlaubt der Regierung seit 2001, "die Übertragung von Informationen zu unterbinden, wenn sie es als dem Interesse der Nation zuträglich einschätzt".

Genau davon machte die Regierung vor einem Jahr Gebrauch, als sie das Signal des TV-Senders "NTN 24" störte, als dieser Live-Bilder von den Protesten in Caracas übertrug, bei denen die Nationalgarde Demonstranten und Journalisten massiv attackierte.

Private Medien vor dem Aus

"Der Raum für öffentliche Meinungsfreiheit wird immer enger ", sagt Gloria Salazar, die bei "Espacio Público" das Projekt leitet, in dem die Nichtregierungsorganisation Verstöße der venezolanischen Behörden gegen das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung registriert.86 Fälle waren es demnach allein im Februar 2014. Im ganzen Jahr zählten Salazar und ihre Partner aus Medien, Universitäten und Menschenrechtsorganisationen 579 Verstöße. Das ist die mit Abstand höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen 2002 und mehr als doppelt so viele wie 2013.Aufgezeichnet wird eine große Bandbreite von Vergehen: Sie erstreckt sich von verbalen Anfeindungen, von denen allein 13 auf das Konto von Staatspräsident Nicolas Maduro gehen, über 

Einschüchterung, Bedrohung und gewaltsame Attacken gegen Objekte wie Kameras oder Übertragungswagen und Personen. Ein Bürgerreporter wurde am 19. Februar von Nationalgardisten so hart attackiert, dass er Tage später seinen Verletzungen erlag.

Noch gibt es kritische Medien in Venezuela – unter ihnen auch einige große wie "El Nacional" und "Tal Cual". Doch selbst dort vermuten Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch eine gewisse Selbstzensur der Journalisten. Aus Angst vor Konsequenzen.

Kurzfristig, sagt Salazar gegenüber der DW, ruhe ihre Hoffnung auf den mutigen Zivilisten, die ihre Mitbürger über das Internet möglichst anonym mit heiklen Informationen versorgen. Das Problem daran sei nur, dass gerade solche Informationen noch leichter manipuliert und inszeniert werden können, weil ja eben kein renommierter Titel wie "El Universal" oder "Últimas Noticias" dahinter steht.

Verteiler: DW www.dw.de

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