Mittwoch, April 24, 2024
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Psychisch Kranke ohne Rechte

Experte: “Gesetze gut, doch Mängel in der Umsetzung”

Bochum – Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden, können ihre Rechte meist nicht voll verwirklichen. Diesem Problem widmet sich ab morgen, Freitag, die Tagung “Rechte haben-Rechte verwirklichen” in Köln. “Psychisch Kranke haben die gleichen Rechte wie alle Bürger, die nur dann eingeschränkt sind, wenn eigenes oder fremdes Leben gefährdet ist. Sie können ihre Rechte jedoch oft nicht ausüben”, betont Kalle Zander, Geschäftsführer des Vormundschaftsgerichtstag (VGT) http://www.vgt-ev.de, im ZARO-Interview. Der VGT ist der Fachverband aller in der Betreuung psychisch Kranker Aktiven wie etwa Betreuer, Richter, Ärzte oder Behörden.

In Deutschland beruht der rechtliche Beistand psychisch Kranker auf der gerichtlichen Genehmigung und dem Berufsbetreuer. “Jeder Freiheitsentzug wie die Einweisung in eine geschlossene Anstalt braucht eine Genehmigung eines Richters innerhalb von 24 Stunden”, erklärt Zander. Das Gericht beauftragt und bezahlt seit 1992 Berufsbetreuer, die für die rechtliche Vertretung und die Qualitätskontrolle der Betreuung wie etwa Pflege, Ernährung oder Reinigung zuständig sind. Derzeit gibt es 12.000 Berufsbetreuer, die etwa ein Drittel der 1,2 Mio. psychisch kranken Menschen betreuen. Österreich geht mit den Patientenanwälten einen anderen Weg. “In jeder psychiatrischen Klinik muss dieser Anwalt einbezogen werden, sobald es zu Situationen kommt, in der der Patient sich selbst oder andere gefährdet.”

Die bestehenden Gesetze bezeichnet der VGT-Leiter zwar als “gut”, doch sei ihre Anwendung kaum ausgereift, was ihre Einforderung durch psychisch Kranke erschwere. Ein Hauptproblem des Berufsbetreuer-Systems sei die fehlende Qualitätskontrolle, des weiteren seien die Patienten mit rechtlichen Zugangsbarrieren konfrontiert. Vorgesehen ist, dass man sich bei Problemen an das Amtsgericht und in weiterer Instanz an das Landes- und Oberlandesgericht wendet. Die letztere Beschwerdeinstanz wird ab September wegfallen, wodurch dann nur mehr die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) bleibt. Juristen bemängeln, dass der nationale Rechtsweg aufgrund der geringen Zahl zugelassener BGH-Anwälte bloß theoretisch ausgeschöpft werden könne. “Doch allein schon der Gang zum Amtsgericht ist für viele fremd, und es gibt viel zu wenige bürgernahe Beschwerdestellen. Das führt dazu, dass sich psychisch Kranke häufig allein und hilflos fühlen”, so Zander.

Um diese Hilflosigkeit zu überwinden, wünscht sich Zander eine flächendeckende Ausweitung von Beschwerdestellen. Bereits bisher schätzt die TU München eine Zahl von 300.000 jährlichen Beschwerden, wobei sich ein Großteil auf die Betreuung oder schlecht funktionierende Altersheime bezieht. Der VGT-Geschäftsführer befürchtet, dass es außerdem in Anstalten häufig zu nicht gerechtfertigten körpernahen Fixierungen durch Bauchgurte oder Gitter kommt. Neben der Verbesserung des Beschwerdewesens soll das Wissen um die Möglichkeit individueller Vorsorge-Vollmachten stärker verbreitet werden. “Darin können Patienten etwa bestimmen, wer im Falle einer Erkrankung ihre Vertrauensperson oder Rechtsanwalt ist.” Auf diese Weise könne man zudem schon im Vorfeld eines Anfalls mit der behandelnden Klinik vereinbaren, welche Medikamente im Bedarfsfall verabreicht werden.

Die Zahl psychisch Kranker ist im Steigen, insbesondere die Patientengruppe der jungen Erwachsenen. “Ursachen dafür sind in der Regel der Lebenshintergrund der Betroffenen wie fehlende Stabilität in der Jugend, Probleme im Elternhaus oder Migration. Diese Gruppe der Erkrankten stellt an die Betreuung besonders hohe Anforderungen”, so Zander. Daneben nehme auch der Anteil hochaltriger Patienten zu, der jedoch in erster Linie auf die Altersverwirrung und die höhere Lebenserwartung zurückgehe. In der Gesellschaft seien psychische Krankheiten oder Behinderungen noch kaum als Realitäten anerkannt, die jeden Menschen eines Tages betreffen können. “In holländischen Städten sieht man etwa viel mehr körperbehinderte Menschen in der Öffentlichkeit”, so die Erfahrung des VGT-Geschäftsführers. Öffentlichkeits-Kampagnen könnten langfristig dazu beitragen, dass psychische Erkrankungen eines Tages kein Stigma mehr etwa für Anstellungen in der Arbeitswelt sind. (Ende)

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