Freitag, April 19, 2024
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Korruption: Frustrierte sind besonders verführbar

Suche nach Ruhm ist Leitmotiv für Bestechlichkeit

Witten – Bestechliche Menschen führen ein Parallelleben, leiden jedoch daran, nicht “den Hengst rauslassen” zu können. Das zeigt der Ökonom und Philosoph Birger P. Priddat von der Universität Witten/Herdecke http://www.uni-wh.de im Buch “Korruption als Ordnung zweiter Art”, das soeben im vs-Verlag erschienen ist. Priddat analysierte dazu Prozessberichte und eigene Beobachtungen aus der Wirtschaft. “Durch Bestechlichkeit wollen sich Menschen psychisch aufwerten. Letztlich zerbrechen sie jedoch oft an der Spannung, die die Illegalität und fehlende Anerkennung mit sich bringt”, so der Forscher im Interview.

Schmiergeld immer salonfähiger

Im Vergleich zu anderen Kulturen, wo der Bakschisch ein fester Bestandteil von Geschäftsabläufen ist, sieht Priddat Deutschland und die Schweiz als relativ “korruptionsresistent und stabil”. Dennoch sei auch hierzulande Korruption auf dem Vormarsch. “Immer mehr schleichen sich Nachlässigkeiten ein, über die man anderen zunehmend auch offen weitererzählt. Steuerhinterziehung gilt als Spiel und ist dabei meist erst die Einstiegsdroge. Denn wer sich darauf einlässt, bemerkt dass auch andere Dinge Geld bringen wie etwa die Manipulation von Gutachten.”

Dass Korruption verschiedene Ebenen hat, erklärt Priddat anhand der Baubranche. “Baufirmen bilden untereinander oft Kartelle, indem sie hohe Preise absprechen und reihum jeweils einen darunter bieten lassen. Doch auch die Vergabestellen lassen sich bestechen. Frankfurts Staatsanwaltschaft meinte unlängst, jede Baubehörde sei korrupt.” Am Anfang stehe oft eine Kiste Rotwein oder Urlaubseinladungen in Mallorca-Villen, später komme besonders bei Schlüsselpositionen schrittweise Bargeld ins Spiel. Auch dem Rotationsprinzip vieler Behörden gelang es bisher kaum, das Problem aus der Welt zu schaffen.

Alles beginnt mit Kränkung

Warum sich Menschen “schmieren” lassen, ist eine der Hauptinteressen Priddats. “Die Korrupten sind meist gebrochene Männer. Sie träumten einst von einem Höhenflug, der sich nicht erfüllte. Häufiges Motiv ist daher die Rache und die verzweifelte Suche nach Ruhm und Ehre.” Betroffene kommen sich dabei meist “smart” vor, Vorteile herauszuschinden und nicht entdeckt zu werden, viele prahlen sogar offen damit. Dass Männer bestechlicher sind, sei in ihren bruderschaftlichen Beziehungen begründet. “Männliche Führungskräfte gehen nach der Arbeit mit ihren Kumpanen auf ein Bier, weibliche nach Hause.”

Das Leben parallel zur Realität bezeichnet der Korruptionsforscher als “Second Life”. “Viele fühlen sich aufgrund ihrer Illegalität wie Geheimagenten. Ihr Problem ist aber, dass sie die Vorteile, die ihnen die Bestechlichkeit einbringt, nicht ausleben dürfen. Schließlich müssen sie im Job bleiben, der sie für Bestechungen erst interessant macht.” Eine glanzvolle Karriere sei dies nicht, zudem ist auch ein Ausstieg nicht mehr möglich, da man durch das Mitwissen anderer im System gefangen ist. Den hohe psychischen Druck halten viele nicht durch und machen Fehler- wie etwa Polizisten, die sich plötzlich einen Porsche zulegen.

Die Sehnsucht, aufzufliegen

Das Auffliegen selbst ist jedoch oft gar kein Versehen. “Auf Dauer wollen Bestochene sogar entdeckt werden”, glaubt Priddat. Viele setzen selbst Zeichen für andere, durch die man nach langer Heimlichkeit der Gesellschaft die eigene Klugheit und Überlegenheit beweist – als kleiner heimlicher Chef, der große Geschäfte macht und eine Karriere verdient hätte. Dies sei der Knackpunkt, der Journalisten zu Enthüllungsgeschichten verhilft. “Erhalten korrupte Menschen die Aussicht, in den Medien einmal groß rauszukommen, können sie damit endlich zeigen, was sie so unerkannt geleistet haben – auch wenn das Spiel dann aus ist.”

Doch es gibt sie auch, die Unbestechlichen. Priddat berichtet von vielen Beispielen, besonders in Familienunternehmen, die sich nicht verführen lassen. “Denkt man nach, was Bestechlichkeit langfristig für das eigene Leben bedeutet, lohnt sie sich nicht. Korrektes Verhalten und bedeutet schlicht, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte – Anstand, kurz gesagt.” (Ende)

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