Donnerstag, April 25, 2024
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Israel im Windschatten des Russland-Bashings in den USA

In den USA musste sich RT als ein sogenannter „foreign Agent“ eintragen. Der Vorwurf: Russland würde über RT die US-amerikanische Politik beeinflussen. Doch was ist eigentlich mit dem immensen Einfluss Israels in den USA?

Nach den Vorwürfen einer russischen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen 2016 musste sich die amerikanische Niederlassung von Russia Today (RT) als „ausländischer Agent“ bei FARA (Foreign Agents Registration Act) registrieren lassen. Andernfalls drohe eine staatlich angeordnete Schließung von RT America. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Geschwindigkeit, wie schnell diese Anordnung durchgesetzt wurde. Aber was genau bedeutet diese Registrierung?

Das FARA-Gesetz wurde 1938 zum Schutz vor deutscher Nazipropaganda erlassen, nachdem sich gezeigt hatte, dass viele Amerikaner offen für die manipulative Wirkung der deutschen Propaganda in Bezug auf den existierenden Antisemitismus waren. Interessanterweise wurde die Propaganda nicht per se verboten, sondern die ausführenden Organe, Einzelpersonen oder Organisationen sollten sich registrieren lassen, damit es für die amerikanische Leserschaft transparent war, woher die Finanzierung der registrierten „ausländischen Agenten“ kam. Im Falle von RT fußte die Entscheidung auf einer „öffentlichen nachrichtendienstlichen Beurteilung“ der US-Geheimdienste, sowie auf der Tatsache, dass während des Kalten Krieges die russischen Medienunternehmen mit US-Niederlassungen auch schon bei FARA registriert waren. Besonders einfallsreich in der Beurteilung zeigte sich auch der NATO-nahestehende Think-Tank Atlantic Council:

RT ist ein Werkzeug für russische politische Einflussnahme, gestaltet, um Desinformationen zu verbreiten und westliche Werte auf der Welt zu untergraben.“

Wie auch immer. So lächerlich diese Behauptungen auch sein mögen, einen handfesten Beweis zur russischen Einflussnahme in den US-Wahlkampf konnte bisher noch niemand liefern. Das Jammern von Hillary Clinton aufgrund des Leaks des Demokratischen Nationalkonvents geht ebenso an diesem eigentlichen Skandal vorbei, genau wie diese Behauptung des Atlantic Council. Liest man aber ein bisschen zwischen den Zeilen der „öffentlichen nachrichtendienstlichen Beurteilung“, dann erkennt man die Sorge davor, dass sich die Amerikanerinnen und Amerikaner nicht mehr ausschließlich über CNN und Co. informieren wollen. Für eine Nation im permanenten Kriegszustand ist das natürlich schlecht und potenziell gefährlich.

Während RT America und Russland richtiggehend an den Pranger gestellt werden, bleibt ein Land, welches tatsächlich überproportionalen Einfluss auf Amerika ausübt, davon ausgenommen: Israel.

Werfen wir doch einen Blick auf das Jahr 2012 zurück, auch ein Wahljahr. Damals ging es um die Wiederwahl von Präsident Barack Obama oder um seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erschien am 16. September 2012, knappe sieben Wochen vor dem Wahltag, in der beliebten TV-Show „Meet the Press“ an der Seite von Mitt Romney. Dort erklärte er dem amerikanischen Volk, wie schwach doch eigentlich Präsident Obama wäre und deswegen auch kein Recht habe, Israel irgendwelche Ratschläge zu geben, wie es sich zu verhalten habe.

Über die Bildschirme in Florida flimmerten tagelang Werbesendungen, die Netanjahus Warnungen über den Iran in die Wohnzimmer hämmerten, verpackt mit der Nachricht, dass „Amerika Stärke braucht. Keine Entschuldigungen.“ Bezahlt wurden diese TV-Werbenachrichten von Secure America Noweiner Organisation zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Zu ihren Kundengehören unter anderem Benjamin NetanjahuFacebook und Google.

Damit nicht genug. Als Obama um die Unterstützung und Zustimmung für den Iran-Deal im US-Kongress buhlte – immerhin der größte außenpolitische Erfolg der Obama-Regierung in acht Jahren – flog Netanjahu nach Washington und hielt eine Rede vor dem Kongress. Seine Attacken gegen Obama und dessen Außenpolitik erhielten stehende Ovationen im Kongress. Stellen Sie sich nur mal vor, was los wäre, wenn der russische Präsident Wladimir Putin das Gleiche in Washington oder vor dem Bundestag in Berlin getan hätte, um beispielsweise die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel zu attackieren.

Abgesehen von diesem offensichtlichen und direkten Auftritt eines ausländischen Ministerpräsidenten in die amerikanische Politik und Präsidentschaftswahlkampf, gibt es eine ganze Reihe von weiteren „Agenten“ für Israel. Die vielleicht mächtigste Organisation mit dem größten Einfluss ist AIPAC (American Israel Public Affairs Committee), die als Ableger aus dem American Zionist Council (AZC) entstanden ist. Ironischerweise stammt das Akronym AIPAC von US-Kongressabgeordneten, die Anfang der 1960er Jahre einen Untersuchungsausschuss just zum Thema ausländische Einflüsse in die US-Politik leiteten, und dabei insbesondere eine Abteilung im AZC im Visier hatten: die spätere AIPAC-Organisation. Dabei wurde festgestellt, dass AZC Millionen von US-Dollars über den jüdischen Nationalfonds und dieser wiederum Geld vom israelischen Staat erhielten. Die erstmalige Aufforderung zur Registrierung als „ausländischer Agent“ erhielt AZC bereits 1962. Zehn Jahre zuvor informierte das US-Justizministerium Isiah Kenen dasselbe zu tun, nachdem dieser als Informationsdirektor der israelischen UN-Missionzum American Zionist Councilgewechselt war.

AIPAC überstand im Laufe der Jahre zahlreiche Skandale völlig unbeschadet, wo Mitarbeiter und Führungsstab immer wieder Spionage und sogar Diebstahl für Israel begingen. Als diesen Sommer eine Anhörung im US-Senat zur angeblichen Einflussnahme Russlands stattfand, fragte Senator Lindsey Graham den Vertreter des Justizministeriums eher rhetorisch, ob sich AIPAC denn auch als „ausländischer Agent“ registrieren lassen sollte. Noch bevor der Beamte antworten konnte, fügte Graham hinzu:

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Ich sage nicht, dass AIPAC irgendetwas Falsches macht, ganz im Gegenteil. Sie sind eine Gruppe von Amerikanern, die sich zusammengetan haben, um ihren Einfluss zu maximieren und über etwas zu sprechen, was ihnen wichtig ist, dass einen ausländischen Alliierten betrifft. Deshalb denke ich, dass das AIPAC-Modell etwas Gutes ist, und das ist auch nicht meine Sorge, weil sie sehr transparent sind.“

Lindsey Graham gehört zu den größten Spendenempfängern der pro-Israel-Lobby. Nur einen Platz vor ihm in punkto Spenden ist der demokratische Senator Chuck Schumer aus New York. Er sollte in den Wochen und Monaten vor der Unterzeichnung des Iran-Abkommens in Genf 2015 für Präsident Barack Obama zum Zünglein an der Waage werden. Tausende Anrufe und Mails von jüdischen und zionistischen Gruppierungen gingen in seinem Büro ein, um Schumer gegen eine Abgabe seiner Stimme für Obama zu drängen. Der Druck zahlte sich aus: Schumer gab Anfang August bekannt, er werde gegen den Iran-Deal stimmen.

Was folgte, war der Druck von Amerikanern, die hinter seiner Entscheidung „Verrat“ witterten und ihn aufgrund seines jüdischen Glaubens für nicht loyal gegenüber amerikanischen Interessen bezichtigten. Diese Anschuldigung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Immerhin war es Schumer selbst, der nur drei Monate vor seiner Entscheidung das Abkommen nicht zu unterstützen, bei einer jüdischen Veranstaltung über die doppelte Loyalität eines amerikanischen Juden sprach. Zu diesem Zeitpunkt äußerte er sich noch vorsichtig, dass die „amerikanischen Interessen und jüdischen Interessen in diesem Fall nicht gleich sind“, er aber das tun werde, „was für die Vereinigten Staaten richtig ist, und Eretz Israel kommt danach.“

Das Thema der doppelten Loyalität interessiert auch die israelische Regierung. So gab das Außenministerium selbständig eine Befragung der jüdischen Gemeinschaft in den USA in Auftrag, die über die Organisation Israeli American Council (IAC) abgewickelt wurde. Nun hat also das israelische Außenministerium in Zusammenarbeit mit IAC und dem größten Financier der Organisation, Sheldon Adelson (der Casino-Mogul gehört zu den finanziell wichtigsten Unterstützern von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu), einen Fragebogen an Zehntausende Amerikaner und Amerikanerinnen verschickt, welche entweder dem jüdischen Glauben angehören oder tatsächlich Doppelstaatsbürger der USA und Israel sind. Was noch pikanter an der ganzen Sache ist, selbst die israelischen Konsulate in den USA waren an dem Versand des Fragebogens beteiligt. Gefragt wurde gemäß Informationen der israelischen Tageszeitung Haaretz, wem die Loyalität gehören sollte, eine Krise zwischen den beiden Alliierten auszubrechen: den Vereinigten Staaten von Amerika oder Israel?

Dass sich solche Organisationen wie AIPAC, IAC oder die Zionist Organisation of America (ZOA) – und dutzende weitere – nicht als „ausländische Agenten“ für Israel bei FARA registriert haben beziehungsweise es trotz mehrmaligen Aufforderungen des US-Justizministeriums nicht getan haben, spricht Bände über das zweierlei Maß, das im Umgang mit Russland angewendet wird. Ursache dieser heuchlerischen Praktik könnte tatsächlich das Problem der doppelten Loyalität von Personen und Organisationen sein, die überproportionalen Einfluss auf Teile der amerikanischen Legislative, Judikative und Exekutive haben. Sehr aufschlussreich ist dabei der Einblick, den Professor Eric Alterman in diese für viele geheimnisvolle Welt ermöglichte:

Vor Kurzem war ich im „Center for Jewish History“ (in New York), wo ich Ruth Wisse hörte, die Jiddisch-Professorin in Harvard ist und zufälligerweise auch die „Martin L. Peretz“-Professur hält, wie sie eine Gruppe von jüdischen Journalisten instruiert, dass sie von sich selbst denken sollen, dass sie Mitglieder der Israelischen Armee sindDas in Israel junge Menschen in der Armee dienen müssen – nun, sie (die jüdischen Journalisten) müssen nicht in der Armee dienen, aber sie sollen von sich selbst als Mitglieder einer Jüdischen Armee denken, das Jüdische Volk unterstützen, Israel unterstützen, ihre intellektuellen Skrupel und Bedenken über diese Dinge beiseitelegen.Wie Lieberman (Avigdor Lieberman). So geschieht es, dass es damit endet, nur, weil es so wenige Menschen gibt, die das sagen wollen und es dafür sicherlich gute historische Gründe gibt, dass ich von (John) Mearsheimer und (Stephen M.) Walt zitiert werde, weil ich die einzige Person bin, die sagt, dass ich ein dual-loyaler Jude bin und manchmal tatsächlich für Israel bin, weil die Vereinigten Staaten eine Menge von schrecklichen Schlägen einstecken können und noch immer stehen bleiben. Doch wenn Israel einen wirklich schlechten Schlag einsteckt, tatsächlich verschwinden könnte. Es wird also einige Fälle geben, wo ich, sollte es zu einem Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Israel kommen, das Beste für Israel unterstützen werde und nicht das, was ich denke, das Beste für die Vereinigten Staaten sein könnte.Die große Fiktion, die nahezu die gesamte Diskussion durchdringt, und ich wette sogar bei ihnen, bei J Street, aber sicherlich bei den offiziellen Organisationen, ist es, dass es so etwas nicht gibt, dass es möglicherweise so etwas geben könnte, was gut für Israel und schlecht für die Vereinigten Staaten ist oder vice versa. Jede einzelne Rede, die sie bei AIPAC oder der AJC (American Jewish Council) hören, besagt, dass Gott sei Dank unsere Interessen und Werte perfekt ausgerichtet sind, (so dass) wir ein starkes Israel unterstützen, und wir ein starkes Amerika unterstützen. Nein – das wird nicht immer der Fall sein. Das sind zwei verschiedene Länder mit zwei verschiedenen strategischen Interessen und verschiedenen Ansichten in gewissen Dingen.“

Beitragsbild: Reuters

Quelle: https://deutsch.rt.com/meinung/61181-israel-im-windschatten-des-russland-bashing/

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