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Kommentar zur Todesstrafe – Durch Schwert, Strom und Strick ins Jenseits

Foto: Galgen in Fort Bravo / larfi / flickr / CC BY NC ND 2.0

Was Ludwig Hilpert und Kelly Renee Gissendaner gemeinsam haben? Der Schuhmacher aus dem Hinterland war der letzte Delinquent, an dem am 14. Oktober 1864 in Hessen die Todesstrafe vollstreckt wurde.

In Amerika ist man hingegen noch nicht so weit. In Russland, dem vom damaligen US-Präsident Ronnie ‚Cowboy‘ Reagan 1986 als „Reich des Bösen” gebrandmarkt“, hingegen schon. Seit 1996 gibt es, nach außen hin und auf dem Papier zumindest, keine staatlichen Kills mehr auf dem Territorium des großen, maroden Putin-Grundstücks. Seit 2009 sind sie ganz abgeschafft. Also zumindest offiziell. Was sie 1744 unter Kaiserin Elisabeth übrigens schon mal war – aber nur für die Dauer von zehn Jahren. Bis auf Belarus gibt es in Europa und Vorderasien kein Land, das sich dahingehend noch versündigt. Und seit 2007 wird ja auch auf dem alten Kontinent jeweils am 10. Oktober der weltweite „Tag gegen die Todesstrafe“ begangen. Nur der stramme ungarische Regierungschef Orbán hat sie inzwischen wieder ins Gespräch gebracht. Vielleicht liegt das daran, dass der Mann zu viel heftig gewürztes Kolbász oder Erős Pista gefuttert hat. Aber angeblich sind 50 Prozent seiner Landsleute ebenfalls dafür. Also die Todesstrafe, nicht die pikanten Paprikawürste oder Würtzspastete.

 

Rache mit Schwert und Giftspritze

Hilpert starb durch das Schwert, Kelly durch die Giftspritze. ‚Er‘ hatte seine schwangere, geistig wohl etwas unterbelichtete Geliebte in Marburg um die Ecke gebracht, ‚Sie’“ hingegen ihren Liebhaber dazu angestiftet, dem Ex Gleiches anzutun – einfach deshalb, um dessen Lebensversicherung kassieren zu können. Im Gegensatz zu dem G‘schmusi- Mörder aus dem Hessischen hatte die Amerikanerin zuletzt ziemlich viele prominente Fürsprecher. Unter anderem auch den Papst. Aber genutzt hat es ihr auch nix.

Die Frau, die sich während ihrer langen Jahre im Knast (seit 1998) zur Theologin hatte ausbilden lassen, sang, während man ihr den tödlichen Schuss setzte, ‚Amazing Graze‘. Welcher Song Hilpert, bevor man ihn einen Kopf kürzer machte, von den Lippen kam, ist nicht überliefert. Das ‚Lied vom Tod‘ von Ennio Morricone kann es nicht gewesen sein. Der Titeltrack zum gleichnamigen Western von Sergio Leone entstand erst 1968.

Weltweit wurden 2014 in 24 Ländern dieser Erde mindestens 607 (2013: 778) mehr oder weniger rechtskräftig Verurteilte exekutiert. Wo liegt nun der Unterschied zwischen einer vom Staat sanktionierten und durch sweine Vollzugsorgane vollzogenen Exekution und einem Mord? Es gibt keinen.

„Wo sich der Staat zum Richter über Leben und Tod aufschwingt, nimmt nicht Gerechtigkeit ihren Lauf, sondern Rache und Vergeltung.”

 

Das sagt Amnesty International. Die Botschaft der Organisation lautet deshalb auch unmissverständlich: „Staaten können nicht gleichzeitig die Menschenrechte achten und die Todesstrafe verhängen und vollstrecken”. Das eine schließe das andere aus. Hat was!

Abschreckung als durchsichtige Rechtfertigung

Die Todesstrafe besitzt allenfalls die durchsichtige Funktion der Rache und der Genugtuung. Abschrecken tut sie wohl kaum. Sie hat auch den Amokschützen von Oregon, der am 1. Oktober auf dem Campus des Umpqua Community College in Roseburg neun Menschen tötete, nicht abgehalten. Die Tatwaffen hatte der junge Mann übrigens ganz legal erworben. Solche Zimmerflaks kriegt man in Amerika in jedem besseren Supermarkt. Wäre dem nicht so, vielleicht könnten viele der Opfer noch leben. Und was macht die National Rifle Association of America (NRA)? Fordert als Konsequenz eine weitere Lockerung der Waffengesetze. Mit Logik und Ratio kommt man bei diesen waffenverrückten Irren offenbar kein Stück weiter…

Für viele Amerikaner (aber nicht nur die) ist das „Kopf runter“-Credo – unantastbar und sakrosankt. Auge um Glasauge, Zahn und Milchzahn. Die Yankees halten unverbrüchlich an diesem (nicht nur ihrem) unmenschlichen Instrumentarium fest, wobei die Wahl der Mittel unterschiedlich ist. In 32 von 51 Bundesstaaten wird auf diese oder jene Weise durchgegriffen. Die Opfer können es sich zwar nicht (immer) aussuchen, ob sie auf dem elektrischen Stuhl gegrillt, aufgehängt, ins Gas geschickt, per Giftspritze auf die andere Jordanseite gelangen, erschossen oder erstickt werden. Aber das bleibt sich in der finalen Konsequenz ja auch zunächst einmal egal. Unangenehm, qualvoll und schmerzlich ist die eine, wie auch die andere Methode.

Der Weg auf die andere Seite ist qualvoll

Der Weg ins Jenseits ist, mal mehr oder mal weniger, mit unsäglichen Qualen für die Betreffenden gepflastert, je nachdem, wie gut die Vollstrecker gerade drauf sind. Das hängt auch davon ab, ob die Giftmischung stimmt, oder die Stromdosis hoch genug ist. Der Fall des im August 2014 in Arizona eliminierten Doppelmörders Joseph Woods ist da noch in guter, pardon, grauenvoller Erinnerung. Die Henker mussten dem Mann 15 verschiedene Injektionen mit Giftcocktails verpassen, ehe er es überstanden und hinter sich hatte. Und das war erst nach zwei Stunden der Fall, während denen das Opfer Zeugen zufolge 600 mal erbärmlich stöhnte, keuchte und röchelte. Gute Arbeit, Monsieur Sanson!

Wird dem Gefangenen ein Platz auf dem „Electric0 Chair“ angeboten – er ist seit 1890 in Gebrauch und wird am zweithäufigsten zum Häftlingstöten eingesetzt – werden ihm zuvor alle Haare am Körper entfernt. Auf den rasierten Kopf kommt ein feuchter Schwamm. Aber nicht zur Dekoration. Darauf sowie an Armen und Beinen werden die Elektroden befestigt. Dann erfolgen drei Wellen von Strom mit maximal 2000 Volt, die zwischen zwei Minuten und 30 Sekunden andauern. Die Schocks erfolgen so lange, bis der Tod eintritt. Der lässt aber mitunter auf sich warten.

William Kemmler, der Ende des 19 Jahrhunderts als erster Delinquent mit dem schrecklichen Heizkissen Bekanntschaft machte, musste acht Minuten lang grillen. So lange jagte der Scharfrichter, der früher eine Kapuze trug, einen 100-Volt-Strom-Stoß nach dem anderen durch seinen Körper. Eine nachgestellte Szene dieses barbarischen Dramas hier: In der Regel wird den Todgeweihten noch ein (vor-)letztes Wort zugestanden. Bei dieser Gelegenheit sagte ein gewisser Thomas Barefoot im Oktober 1984: „Ich hoffe, dass wir eines Tages die Bösartigkeit, die nun gleich geschehen wird, mit den gleichen Augen betrachten, wie wir mittlerweile die Hexenverbrennung sehen”! Das definitiv allerletzte Wort kann aber nur „Yes“ oder „No“ lauten, und zwar auf die Frage des Vollstreckers „Are you ready to die“ hin.

Der goldene Schuss als humanste Methode?

1.413 Männer und Frauen sind seit 1977, nachdem in den USA nach fast zehnjähriger Pause die Hinrichtungen wieder aufgenommen worden waren, auf den unterschiedlichsten Schafotts und Plattformen gestorben. Wobei Texas für die entsprechende Zielgruppe das ungesündeste Pflaster ist. Hier gab es seitdem allein 528 Hinrichtungen (Stand August 2015). Im Juli 2005 warteten noch 415 Männer, Frauen und Jugendliche in den Todeszellen des Bundesstaates auf ihr Ende. Interessante Informationen zur Situation im Grenzstaat zu Mexico hier: Todesstrafe Texas

Daselbst war 1982 übrigens auch die erste Hinrichtung per letaler Injektion praktiziert worden. Sie wurde als humane und moderne Tötungsmethode angepriesen und ist in den USA die beliebteste und am weitesten verbreitete Methode, einem Verurteilten den Garaus zu machen. Dem Opfer werden zumeist drei verschiedene Chemikalien verpasst. Die erste führt zur Bewusstlosigkeit, die zweite lähmt den Atmungsapparat, die dritte bewirkt Herzstillstand. Soweit zur Theorie.

Auf Rang zwei der tödlichen Bundesstaaten- Charts rangieren Oklahoma (112 Hinrichtungen) und Virginia (110). Fast wären hier zwischen Piermont und den Südappalachen im November 2005 die USA- weit tausendste Hinrichtung seit Wiedereinführung vorgenommen worden. Doch wurde der Kandidat begnadigt, weil ein für einen möglichen Nachweis seiner Unschuld wichtiges Beweismittel von einem Justizbeamten beseitigt worden war. Wenige Tage später wurde diese tausendste Hinrichtung im Bundesstaat North Carolina vollstreckt.

Unsere saudischen Wirtschaftsfreunde sind auch nicht zimperlich

Die Vereinigten Staaten, die sich ja gerne nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als moralische Führungsinstanz auf diesem Planeten inszenieren, stellen sich damit auf eine Stufe mit zwielichtigen Staaten wie Iran, Saudi Arabien und dem Irak, die nach ihnen selbst die meisten Verbrecher (oder halt solche, die sie dafür halten) um die Ecke bringen. 90 Prozent aller vollstreckten Todesurteile entfallen auf diese ‚Big Four‘. Nach den USA folgen Somalia, Sudan und der Jemen. Halt, stopp: China nicht zu vergessen. Das ist auf diesem Gebiet der uneinholbare Marktführer. Aber wen die Gelben wegen was genau umnieten, wird als Staatsgeheimnis gehandelt. Schätzungen gehen von jährlich mindestens 3000 staatlichen Morden aus. Und wie viele Menschen die nordkoreanischen Verbündeten schon wegen kleinster Vergehen um die Ecke bringen, liegt auch im Dunkeln.

In trostlosen Schreckensreich des adipösen Tyrannenkönigs Kim Jong Un reicht als Grund dafür schon aus, während einer Sitzung des Politbüros kurz einzuschlafen. Oder man wird hier mit der falschen Lektüre erwischt – der Bibel beispielsweise. In Saudi-Arabien, einem der wichtigsten Handelspartner der westlichen Demokratien (USA und EU vorneweg), genügt es bereits, Salman ibn Abd al-Aziz, den kranken, alten Königsherrscher, ein aus dem Mund riechendes Maultier zu nennen. Das war’s denn. Seit Januar dieses Jahres gab es hier 134 Hinrichtungen.

Enthauptet, gekreuzigt, öffentlich ausgestellt

Aktuell steht Ali Mohammed Baqir al-Nimr das Wasser im übertragenen Sinne bis zum akut gefährdeten Hals. Der, 20 /21 Jahre alt, sitzt seit 2012 im Kerker, weil er während des Arabischen Frühlings , damals war er gerade mal 17 , gegen das Saudische Königshaus demonstriert hatte. Vorwurf: Disloyalität. Er soll enthauptet, anschließend gekreuzigt und das, was von ihm übrig bleibt, öffentlich zur Schau gestellt werden. Da ist der regimekritische Blogger Raif Badawi ja vergleichsweise noch glimpflich davon gekommen. Er wurde nur zu 1.000 Peitschenhieben verdonnert, weil er halt etwas vorlaut war. Ein offizieller Vertreter der arabischen Royal- Diktatur soll übrigens demnächst den Vorsitz im UN- Menschenrechtsrat übernehmen.

Bei den Arabern und ihren Brüdern und Scheichs im Geiste können Zuhälterei, Bankraub, Entführung, Hexerei, Vergewaltigung, Ehebruch und Drogenhandel schon mal den Weg ins Jenseits ebenen bzw. beschleunigen. Vierteilen, Begraben bei lebendigem Leib oder Scheiterhaufen sind zwar auch hier inzwischen etwas aus der Mode gekommen, aber hin und wieder so eine kleine Steinigung als Volksbelustigung hat doch auch was. Und wenn der Richter einen großzügigen Tag hat, belässt er es vielleicht beim Amputieren und Tranchieren gewisser Gliedmaßen.

In vielen islamisch geprägten Staaten gelten Blasphemie, Homosexualität und Abkehr vom islamischen Glauben schon als ausreichender Grund, den Henker zu rufen. Aber nicht nur im Nahen Osten sind bzw. waren religiös motivierte oder angeblich mit der Wahrung von Sitte, Anstand und Moral begründete Dragonerstrafen mit tödlichem Ausgang üblich. „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll durch Menschen vergossen werden”, liest es sich ja bereits auf den ersten Seiten des Alten Testamentes. Gut an anderer Stelle heißt es dann aber auch wieder “Du sollst nicht töten”. Was denn nun?

Suche nach Gerechtigkeit endet in der Sackgasse

Mit tödlichen Konsequenzen musste der Bibel zufolge einst auch rechnen, wer unbefugt heiligen Boden betrat, seine Eltern verprügelte, sich als Zauberer versuchte, Inzest beging, der Sodomie huldigte oder Götzendienst praktizierte. Auf diesem Stand stehen viele steinzeitliche, islamistisch geprägte Terror-Regime, die erfolgreich gegen jedweden wie auch immer gearteten humanistischen Strom schwimmen, heute noch. In ihren schlauen, heiligen Wälzern liest sich das dann allerdings auch etwas anders, schwulstiger und verschwurbelter: „Nimm nicht das Leben, das Gott (die meinen natürlich Allah) unverletzlich gemacht hat, außer auf dem Wege der Gerechtigkeit und des Rechts”.

Im Koran ist die Todesstrafe als rechtmäßiges Mittel auf der Suche nach Gerechtigkeit verankert, behaupten die Mullah- Ultras. Aber es gibt ja auch christliche (und anderweitig orientierte) Fundis, die würden gerne dorthin zurück – oder zumindest teilweise. Das islamische Recht erlaubt den Einsatz der Todesstrafe auch gegen “Fasaad fi al-Ardh”. Lässt sich wörtlich mit “Verbreitung von Unfug im ganzen Land” übersetzen. Dies konsequent in Deutschland angewandt, wären wir ein menschenleeres Ödland. Und alle Comedy- Formate des privaten Verblödungs- TVs wären abgeschaltet.

Schon krass. Aber das macht das, was unsere amerikanischen Freunde an der Schwelle vom Leben zum Tod treiben, auch nicht viel besser. Also, zurück zu unseren Yankee-Vorbildern. Wir reden jetzt nicht von all den Kriegen, Interventionen und verdeckten Geheimdienstaktionen in aller Welt. Die Todesstrafe ist (nicht nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten) eine auch von viel Willkür, Diskriminierung und Irrtümern begleitete Praxis. Lassen wir auch mal die Dunkelziffer der vielen womöglich unschuldig Hingerichteten, oder jenen , bei denen zumindest erhebliche Zweifel an ihrer Schuld bestanden, beiseite. Über 140 für die Ewigkeit bestimmte Ewigkeits-Kandidaten mussten seit der Wiederzulassung der Todesstrafe in den USA aus den Todestrakten entlassen werden, nachdem sich ihre Unschuld erwiesen hatte. Zwischen 1900 und 1985 wurden hier 350 Menschen zum Tode verurteilt, deren Unschuld sich später herausstellte. Bei 23 stellte man erst postum fest, dass sie eigentlich eine weiße Weste hatten. Ein bisschen spät für diese Bedauernswerten. Bis 2007 wurden in den USA insgesamt 15 Todes-Anwärter aufgrund neuer DNA-Beweise freigesprochen.

Blow Job als Dankeschön für Bill

Richard Nixon hatte die Todesstrafe erstmals 1996 als Wahlkampfthema gezielt eingesetzt. Präsident Bill Clinton fuhr in seinem ersten Rennen um den Chefsessel im Weißen Haus extra zurück nach Arkansas, wo er Gouverneur war, um eine Hinrichtungsverfügung zu unterzeichnen. Monica Lewsinsky, (s)eine Praktikantin, dankte ihm diesen selbstlosen Einsatz ja später mit einem ekstatischen Blow Job.

Kein Präsidentschaftsbewerber kann es sich in den USA übrigens seit „Mr. Richard Watergate“ leisten, die Todesstrafe auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Er wäre ruck-zuck weg vom Fenster – und aus dem Rennen. Gilt auch für Richter und Staatsanwälte. Die werden in vielen Bundesstaaten vom Volk direkt gewählt. Innerhalb des letzten Jahrzehnts sind alle Richter, die grundsätzliche Bedenken gegen die Todesstrafe äußerten, aus den Gerichten der Einzelstaaten abgewählt worden. Wie dieses System funktioniert und was es am Leben erhält, hat das honorige, kritische, deutsche Polit-Magazin ‚Der Freitag‚ bereits im Mai 2003 anschaulich erklärt:

Und die Zustimmungsraten für die Operation ‚Kopf ab‘ sind jenseits des großen Teichs mit über 65 Prozent nach wie vor exorbitant hoch – wenngleich ein zaghaftes Umdenken schon eingesetzt hat. Freilich weniger im Zentrum des Wilden Westens oder im sogenannten “Bible Belt”. Hier stehen Law & Order- Denken und alttestamentarisch geprägte staatliche Grausamkeit nach wie vor in voller Blüte.

Moralische Entrüstung und kleine Brötchen

Aber wir in Deutschland sollten uns da mit unserer moralischen Entrüstung nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Noch 2001 hatten sich 46 Prozent der Bundesbürger in einer repräsentativen Umfrage für die Todesstrafe ausgesprochen. Die Langzeitstudie eines Erlanger Jura-Professors fördert 2014 zu Tage, dass ein Drittel aller jungen bzw. angehenden Juristen trotz sinkender Mord- und Totschlagsraten für eine Wiedereinführung plädieren. Also in dieser Hinsicht mal lieber kleine Brötchen backen.

In Artikel 21 der Hessischen Verfassung ist die Todesstrafe als makabres historisches Relikt übrgens auch noch vorgesehen. Aber das besagt nichts. Denn: Artikel 102 des deutschen Grundgesetzes gibt klipp und klar die Marschrichtung vor: „Die Todesstrafe ist abgeschafft!“ Ergo ist sie in Hessen außer Kraft gesetzt und kann auch nicht wieder als Strafmaß angewendet werden. Bundesrecht bricht nun mal Landesrecht. Es hat schon wiederholt Bestrebungen gegeben, diesen anachronistischen Passus aus der Landesverfassung zu entfernen. Hat irgendwie nie geklappt. Momentan haben die Politiker auch Wichtigeres zu tun: Sie streiten über die neue Jagdverordnung.

Zu den „prominenten“ Verfechtern der Todesstrafe zählten und zählen Immanuel Kant, Adolf Hitler, Lenin und Ex- Alkoholiker George Bush. Zu ihren entschiedenen Gegnern Gotthold Ephraim Lessing, Albert Camus, Albert Schweitzer und Rosa Luxemburg. Selbst der schlimme Marquis de Sade wird mit folgendem, bemerkenswertem, jedoch nicht ganz selbstlosen Ausspruch zitiert:

„Der zweite Grund für die Abschaffung der Todesstrafe ist der, dass sie dem Verbrechen noch nie Einhalt geboten hat, da es ja jeden Tag am Fuße des Schafotts begangen wird.”

Die Bedeutung der Todesstrafe im Strafrechtssystem eines Landes soll maßgeblich durch die öffentliche Meinung und ihre Rückkopplung auf die (Kriminal-) Politik bestimmt sein. Sie hängt aber auch von kulturellen Einstellungen und der Mentalität der Menschen und ihrer Erwartungen ab. Aber es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat. Und vermeintlich preiswerter als lebenslanger Knast ist sie auch nicht. Die gegenwärtigen Kosten einer Hinrichtung in den USA (vom Prozessbeginn bis zur Vollstreckung des Todesurteils gerechnet) übersteigen die Ausgaben für eine solche die für eine lebenslängliche Haft um ein Vielfaches.

Der Staat stellt sich mit Mördern auf eine Stufe

„Das Verbrechen wird durch die Hinrichtung des Täters weder gemindert noch ungeschehen gemacht. Sie fügt unserer Welt nur eine neue Gewalttat hinzu und erzeugt neues Leid. Der einzige Zweck liegt in der Befriedigung moralisch nicht zu rechtfertigender Rachebedürfnisse. Will der Staat einer Straftat moralisch überlegen sein, darf er sie unter dem Deckmantel eines Gesetzes auch nicht nachvollziehen, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten”. Das ist jetzt nicht auf meinem Mist gewachsen. Kann ich aber so unterschreiben!

Ich hoffe jetzt nur, dass die NSA all diese ketzerischen Ausführungen nicht mitbekommen hat. Meine jüngste Tochter reist für drei Wochen in die Staaten. – nach South Dakota. Dort gibt es immer noch den ‚Goldenen Schuss‘. Gut, das Mädel nimmt da an einem eigentlich unverfänglichen Schüleraustauschprogramm teil und wird vermutlich keinem aufrechten Amerikaner den Job streitig machen. Sie muss also kaum befürchten, schon bei ihrer Ankunft am Airport inhaftiert und dann prompt in den nächsten gen Heimat startenden Flieger zurückgeschickt zu werden. Im obligatorischen ELSTA-Formular hat die aufgeregte, reisefiebrige junge Dame den Heimatschutzbehörden ja auch treuherzig und, wie ich meine, glaubhaft versichert, in Amerika keine terroristischen Aktionen zu planen. Von schwarzer Hautfarbe ist sie auch nicht. Aber man weiß ja nie….

Verteiler: Neopresse

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