Donnerstag, März 28, 2024
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Kontrolle des Konsumenten: Smart im Drohnenmodus

Schlaue Dinge, die die Welt nicht braucht: Globale Konzerne wollen unsere Nannies ­werden. Das Ziel: Nachhaltige Gewinne und Konsumentenkontrolle.

Ende August ist in Deutschland IFA-Zeit. Alljährlich präsentieren auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin Anbieter das neueste elektronische Spielzeug. TV-Geräte mit hochauflösenden Monitoren und Computerherzen, die sich mit einer das Auge überfordernden Pixelfülle präsentieren – und sich heimlich oder offen mit dem Hersteller in Verbindung setzen, um die Gewohnheiten des Nutzers zu petzen.

Der Fernseher könnte neben Smartphone und PC/Laptop wichtigste Schnittstelle einer digital vernetzten Welt des Individuums bzw. der Familie werden. Dazu all die anderen »Gadgets« und »Tools« in und um die Wohnung, das Haus, das Auto. Digitale Vernetzung heißt das Zauberwort. Es ist Versprechen und Fluch, verspricht nachhaltige Gewinne und perfekte Kontrolle.

Was haben Drohnen mit Zukunft zu tun? Derzeit gilt die Bezeichnung hauptsächlich unbemannten Fluggeräten. Die sind wahlweise für private und institutionelle Spionagezwecke, das Eliminieren böser Feinde oder auch die zügige Anlieferung von Konsumartikeln durch Händler geeignet. Entsprechend verschieden sind Form und Ausstattung. Ihre Gemeinsamkeit: Die Flugapparate gelten als »smart«, also schlau.

Schlau soll künftig vieles werden. Einschlägige Riesenkonzerne sind der Meinung, der neue Mensch brauche dringend komplex vernetzte Helferlein. Das scheinbar überforderte Wesen Homo sapiens digitalis braucht eine »Nanny«. Es soll sich schließlich seiner Kreativität widmen und nicht wertvolle Lebensstunden vergeuden, um Flugpläne zu studieren, Straßenkarten zu lesen, Wetterberichte zu verfolgen, Lebensmittel zu kaufen, Politik zu verstehen, Börsenkurse abzufragen. Das können Algorithmen besser (Die erschreckende ‚Smart City‘ der Zukunft: Die nächste Masche der Kontrolle im 21. Jahrhundert).

Seit es gelungen ist, dem Konsumenten digitale »Assistants« (als Applikationen bezeichnete Programme für Smartphones und PC) schmackhaft zu machen, bekommt die zweite Wortbedeutung von »Drohne« bzw. »Drohn« Relevanz: Bei Bienen, Wespen oder Hummeln werden so die zur Fortpflanzung des Volkes nötigen »Männchen« bezeichnet. Sie begatten die Königin, ansonsten führen sie ein meist kurzes Leben ohne weiteren Sinn.

Das hat in der analogen Vergangenheit dazu geführt, dass »Drohne« etwa soviel bedeutete wie monofunktionaler Faulenzer. Vielleicht ist damit der Entwicklungsweg des »modernen Verbrauchers« definiert. Dessen Verbreitung dürfte sich vorerst auf die alten Industriestaaten des Westens, die aufstrebenden Wirtschaftsmächte Asiens und die durch Grundrente reich gewordenen Ölstaaten beschränken.

Ab kommenden Freitag wird auf der IFA das Thema wieder illustriert. Beispielsweise das »vernetzte Zuhause«. Dies ist ein alter Hut, seit Microsoft zur Jahrtausendwende bereits über Kühlschränke sinnierte, die sich selber füllen. Das durchcomputerisierte Haus bzw. die komplett vernetzte Wohnung sind Experimentierfelder (Wodurch wir emotional abstumpfen und unsere Menschlichkeit verlieren können (Videos)).

 

Sie gelten als entscheidende Schnittstelle für das Aufeinandertreffen der warenproduzierenden und Dienstleistungen anbietenden Wirtschaft mit dem Individuum namens Verbraucher. Die Anbieter versprechen Sicherheit vor ungebetenen Besuchern, wollen dem Bewohner vermeintliche Routinearbeiten abnehmen, bieten Komfort und Bequemlichkeit im spielerischen Umfeld.

Internetprovider und überforderte Vor-Ort-Techniker der Deutschen Telekom haben derzeit viel zu tun. Lampen, Toaster, Waschmaschinen, Türschlösser, Jalousien, Gartensprenger, Heizungen, Poolthermometer, Sicherheitskameras, Wetterstationen, Blutdruckmesser, Küchen- und Personenwaagen – alles Mögliche wurde (und wird) mit Sendern versehen und per App steuerbar gemacht, resümierte die Nachrichtenagentur dpa diese Woche in einer IFA-Vorschau.

Richtig funktioniert das Ganze eher sporadisch, »Plug and Play« bleibt auch 16 Jahre nach dem Millenniumshype eine Kann-Bestimmung (Mensch 2.0: Wie uns die schöne neue Cyborg-Welt schmackhaft gemacht werden soll (Videos)).

Doch die globalen Plattformgiganten aus dem kalifornischen Silicon Valley machen Druck: Google, Amazon oder Apple haben ihre Vision, den Willen sie zu verwirklichen und die notwendigen Milliardensummen um Hindernisse aus dem Weg zu kaufen ebenso wie die politische Rückendeckung aus Washington.

Geschlossene Kreisläufe vom Entwickler über die Produzenten, Distributoren und Vermarkter bis zum Nutzer zu etablieren und zu kontrollieren ist das Ziel. Es geht um Baukastensysteme, in denen auch mittlere und kleine Anbieter diverser Waren und Leistungen sich ein Plätzchen kaufen können.

Wen stört es schon, dass die Visionen sich an der Realität reiben. Die Anbieter sicher nicht. Bedürfnisse werden geschaffen. Das betrifft nicht nur das schlaue Zuhause. Auch selbstfahrende Autos (Computer mit Antrieb) will kaum ein Kunde. Doch die Branche verpulvert Milliarden an Entwicklungskosten für solche Projekte – und sie werden ebenso kommen wie der freiwillig implantierte Chip (Chip-Implantate: Pläne des US-Militärs für die Bürger – RFID-Chips-Hersteller wirbt auf deutschen Straßen (Video)), die ultimative Schnittstelle im Verbraucher selbst. Manipulation ist dann kein böses Wort mehr, sondern Ausdruck ökonomischer Notwendigkeit, um Drohnenwesen am Funktionieren zu halten.

Literatur:

Das Ende des Zufalls: Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht von Rudi Klausnitzer

RFID. Vom Ursprung einer (all)gegenwärtigen Kulturtechnologie von Christoph Rosol

Superintelligenz: Szenarien einer kommenden Revolution von Nick Bostrom

Quellen: PublicDomain/jungewelt.de am 27.08.2016

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