Donnerstag, März 28, 2024
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Krank auf dem Papier: Krankenkassen zahlen Ärzten Prämien für Diagnosen (Videos)

Gesetzliche Krankenkassen schummeln nach Darstellung der Techniker Krankenkasse (TK) im großen Stil bei der Abrechnung von Leistungen.

Ihr Vorstandsvorsitzender Jens Baas räumte in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ein: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.

„Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen.“ Es gebe sogar Verträge mit Ärztevereinigungen, die mehr und schwerwiegendere Diagnosen zum Ziel hätten. Die Kassen ließen sich zudem in dieser Richtung von Unternehmensberatern beraten, erläuterte Baas.

Besonders intensiv würden die regionalen Kassen diese Schummelei betreiben. „Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen.“ Baas meine dabei offenbar die Kassen der AOK, schreibt die Zeitung. Aber auch seine Kasse könne sich dem nicht entziehen, räumte der TK-Chef ein (Pharma-Mafia: Krankheitserfindungen – Ihre Masche: „Sie sehen ja übel aus!“ (Video)).

Ohne Manipulationen könnte Beitragssatz sinken

Für all das hätten die Kassen seit 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben, die für die Behandlung der Patienten fehle, sagte der Chef der größten deutschen gesetzlichen Krankenkasse.

Ohne die Manipulationen könnte der Beitragssatz der TK 0,3 Prozentpunkte niedriger liegen. „Ich möchte, dass das System manipulationsresistent gemacht wird“, sagte Baas zur Begründung, warum er die Schummeleien seiner und der anderen Kassen öffentlich macht.

Der Risikostrukturausgleich (RSA) weist einer Kasse Geld aus dem Gesundheitsfonds zu je nach Schwere der Erkrankung der Versicherten. Er ist vielen Kassen seit längerem ein Dorn im Auge. Einige Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen hatten sich Anfang März zu einer RSA-Allianz zusammengeschlossen und eine Finanzreform noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Sie sehen insbesondere die Allgemeinen Ortskrankenkassen durch das jetzige System im Vorteil.

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Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte, dieses Schummeln könne auch den Tatbestand des Betrugs erfüllen. Und wenn dies so wäre, müsse man von organisiertem Betrug sprechen.

„Dann wäre es an der Zeit, den Krankenkassen auf die Finger zu schauen. Die paritätisch besetzte Selbstkontrolle ist eine Farce. Seit Jahren sind die Aufsichtsgremien im Dornröschenschlaf. Doch die Gesundheitsminister von Bund und Länder schauen weg“, kritisierte Brysch (Die Pharmaindustrie: Das Geschäft mit unserer Gesundheit).

Kassen geben den Ärzten die Schuld

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führt die Manipulationen auf mangelnde Transparenz bei den Kassenabrechnungen zurück.

Die Ärzte boykottierten „die Einführung von verbindlichen Kodierrichtlinien in den Arztpraxen“, erklärte GKV-Sprecher Florian Lanz der „Passauer Neuen Presse“. Durch die ungenauen Maßstäbe zur Feststellung der Schwere einer Krankheit seien die Diagnosen nur eingeschränkt vergleichbar und Manipulationen möglich (Geldgier und falsche Hoffnungen: So verdienen Ärzte an todkranken Patienten).

Video: Sinnlose Therapien – Viele strapaziöse Behandlungen haben nur minimale Effekte: Die Initiative „Gemeinsam klug entscheiden“ will Patienten informieren, damit diese sinnlose Therapien vermeiden. Doch das Projekt trifft auch auf Kritik (Gesundheitssystem: In der Fortschrittsfalle).

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=62063

  

Video: „Es ist ein Skandal!“ – Eine Milliarde Euro geht jährlich durch frisierte Diagnosen verloren: Krankenkassen überzeugen Ärzte, ihre Patienten auf dem Papier kränker zu machen. Und was haben sie davon? „Geld!“ – das sagt der Chef der Techniker Krankenkasse selbst (Deutschland: Im Land der Lügen – Wie uns die Pharmaindustrie und Politik mit Zahlen manipulieren (Video)).

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=62076

Literatur:

Pharma-Mafia: Ärzte und Patienten im Würgegriff der Arzneimittelindustrie von Dr. Peter Echevers H. PEH

Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leugnen: Wie Ärzte und Pharmaindustrie die Gesundheit der Patienten vorsätzlich aufs Spiel setzen von Peter C. Gøtzsche

Big Pharma: Wie profitgierige Unternehmen unsere Gesundheit aufs Spiel setzen

Quellen: PublicDomain/3sat.de am 10.10.2016

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