Donnerstag, April 25, 2024
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Kritik an Erdogan endet sogar für Schüler vor Gericht

Tränengas gegen Protestierer ist in der Türkei ein immer gewohnteres Bild, parallel geht die Justiz rigoros gegen Erdogan-Kritiker vor 

Die Justiz geht immer häufiger im Auftrag des Staatschefs gegen Kritiker vor.

Dass Teenager hin und wieder Dinge von sich geben, die Erwachsene auf die Palme bringen, sollte eigentlich zur Normalität gehören. Doch in der Türkei ist das anders, zumindest wenn sich junge Leute in der Öffentlichkeit kritisch über Präsident Recep Tayyip Erdogan äußern. Im zentralanatolischen Konya steht ab heute, Freitag, ein 16-jähriger Schüler vor Gericht, weil er das Staatsoberhaupt beleidigt haben soll. Dem Buben drohen vier Jahre Haft. Und sein Fall ist nicht der

einzige seiner Art.

Mehmet Emin Altunses, hatte im Dezember bei einer Veranstaltung in Konya gesagt, er erkenne Erdogan nicht als Präsident an. In Anspielung auf die Korruptionsvorwürfe gegen die Erdogan-Regierung und auf den umstrittenen neuen Amtssitz des Präsidenten sagte Altunses, für ihn sei Erdogan der "Chef von Korruption, Bestechung und Diebstahl" und wohne in einem "illegalen Palast".

 

Turkey's President Tayyip Erdogan addresses the pr

Präsident Erdogan schüchtert Gegner ein, sagt die Opposition – Foto: REUTERS/HANDOUT

Für die türkischen Behörden reichte das, um den Schüler aus dem Unterricht heraus zu verhaften. Zwar kam Altunses nach zwei Tagen wieder auf freien Fuß, doch gab das Justizministerium in Ankara der Justiz in Konya die Erlaubnis, ein Verfahren gegen den Teenager anzustrengen. Im jetzt beginnenden Prozess vor einem Jugendgericht wird Altunses von Oppositionsgruppen unterstützt.

 

Im EU-Bewerberland Türkei sehen Regierung und Behörden kein Problem darin, dass selbst Minderjährige wegen Meinungsäußerungen mit Haft bedroht werden. Jeder sei aufgerufen, dem Präsidenten den gebührenden Respekt zu zollen, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Kritik wird als Majestätsbeleidigung ausgelegt.

13-Jähriger verhört

Im westtürkischen Ayvalik wurde diese Woche ein 13-jähriger Schüler von der Staatsanwaltschaft verhört, weil er Erdogan mit einem Kommentar auf Facebook beleidigt haben soll. In Antalya erhielt ein 17-Jähriger eine Bewährungsstrafe wegen unliebsamer Äußerungen über Erdogan.

Volljährige Erdogan-Kritiker sind sowieso leichtes Opfer für die Justiz: Ein Gericht in Ankara erließ am Donnerstag Haftbefehl gegen den Kolumnisten Ömer Aytac, der nicht zu einer Verhandlung wegen angeblicher Präsidentenbeleidigung erschienen war.

Mitunter agiert die Justiz auf ausdrückliche Aufforderung von Erdogans Anwälten. So muss die frühere türkische Schönheitskönigin Merve Büyüksarac mit zwei Jahren Haft rechnen, weil sie über Instagram ein Gedicht weitergab, das sich im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre über Erdogan lustig macht. Die Staatsanwaltschaft war nach einer Beschwerde der Anwälte des Staatspräsidenten tätig geworden. Büyükarac wurde vorübergehend festgenommen.

Erdogan geht schon seit Jahren mit rechtlichen Schritten gegen Kritiker vor, wenn er sich beleidigt fühlt. So erwirkte er mehrere Strafverfahren gegen den Karikaturisten Musa Kart, der den langjährigen Regierungschef und heutigen Präsidenten unter anderem als Katze zeichnete, die sich in einem Wollknäuel verfangen hat.

Seit Erdogans Wahl zum Staatspräsidenten im vergangenen Jahr häufen sich die Ermittlungen, Anzeigen und Strafverfahren. Dabei war Erdogan selbst in der Frühzeit seiner Karriere Ende der 1990er-Jahre ins Gefängnis gekommen, weil er öffentlich ein Gedicht vortrug, das ihm als Volksverhetzung ausgelegt wurde. Jetzt zieht er nach Ansicht von Kritikern als Präsident die Grenzen der Meinungsfreiheit immer enger.

Der Oppositionspolitiker Atilla Kart wirft Erdogan vor, mit "Angst, Druck, Drohungen und Festnahmen" zu arbeiten, um seine Gegner einzuschüchtern. "Der Gesellschaft soll eine Botschaft übermittelt werden", sagte Kart über den Fall des jungen Altunses in Konya.

 

 

(KURIER) ERSTELLT AM 06.03.2015, 06:00
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