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Kunstaktion zu Drohnen und Überwachung: Internetuser dürfen Ratte töten

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Tier wird per Webcam zum realen Abschuss freigegeben – scharfe Kritik von Tierschützern

Mit einem sozialen Online-Experiment will der Künstler Florian Mehnert die Öffentlichkeit wachrütteln und die Themen Überwachung und

Drohnenangriffe in den Fokus rücken. Dafür ergreift er radikale Maßnahmen, die in einigen Tagen das Leben einer Ratte kosten könnten.

 

"Elf Tage" heißt der Versuch. Auf dessen Website ist aktuell ein

Livestream zu sehen, der die Behausung einer weißen Ratte zeigt. Besucher können das Tier rund um die Uhr dabei beobachten, wie es seinem täglichen Leben nachgeht. Wer sich mit einem beliebigen Pseudonym einloggt, landet auf einer Warteliste und darf irgendwann für einige Zeit die Ausrichtung der Kamera ändern.

Waffe soll bald scharf gestellt werden

Das wird sich am 25. März um 19 Uhr ändern. Dann nämlich wird eine an der Kamera angebrachte Waffe scharfgestellt. Wer am Zug ist, hat dann auch die Wahl, das Nagetier zu erschießen. Ein Risiko, mit dessen Erfüllung Mehnert rechnet, wie er gegenüber der Süddeutsche Zeitung erklärt. Seine Prognose: Schon bald nach Ende des Countdowns wird einer der anonymen Besucher den Abzug drücken.

Ein Versuch, der bereits kurz nach seinem Start für heftige Diskussionen im Netz sorgt. Für Mehnert kein Hindernis, sondern Mittel zum Zweck, um sein Ziel zu erreichen. Seiner Ansicht nach könne "Elf Tage" somit auch zur Plattform für andere Anliegen werden, etwa für Tierschützer.

"Kunst muss Grenzüberschreitung begehen"

"Eine Ratte stirbt im Dienste der Kunst. Mir wäre es auch lieber, wenn das nicht nötig wäre. Aber die Menschen sind heutzutage so dermaßen abgestumpft, da muss die Kunst eine Grenzüberschreitung begehen", erklärt Mehnert seine Motivation. Zielgruppe: Die "breite Masse", die "nie auf die Straße geht".

Er wolle demonstrieren, dass man über das Internet töten könne und verweist dabei auf das Drohnenprogramm des US-Militärs. Stirbt ein Terrorist durch ein ferngesteuertes, bewaffnetes Fluggerät, würde das in Deutschland jedoch kein Interesse hervorrufen. Dementsprechend wenig Betroffenheit gäbe es, obwohl es durchaus möglich sei, dass eines Tages der Spieß umgedreht werde.

"Wer sagt denn, dass der IS nicht auch Drohnen über Berlin fliegen lässt?", so Mehnert zur Süddeutschen Zeitung. Die zehn Tage Vorlaufzeit sollen demonstrieren, dass auch Drohnenattacken umfassende Überwachung der Opfer vorausgeht.

Viele Besucher wollen Tod der Ratte

"Ich rechne mit einem Massaker", sagt der Künstler, der sich gleichzeitig nicht darüber wundert, dass bei einer parallel laufenden Umfrage zuletzt etwa 40 Prozent der Teilnehmer sich für den Tod der Ratte ausgesprochen hatten (Anm.: Stand vom 13. März, zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels ließ sich das aktuelle Ergebnis nicht aufrufen). Er sieht die Hemmschwelle der Allgemeinheit durch die "Gamification der Gesellschaft" gesenkt.

Tierschützer kündigen Anzeige an

Wenig überraschend findet Mehnerts Vorhaben scharfe Kritiker unter Tierschützern. "Wir hoffen, dass er sein Vorhaben nicht wirklich umsetzt", erklärt ein Sprecher von Peta Deutschland gegenüber dem WebStandard. Die Organisation hat den Künstler bereits kontaktiert und darüber in Kenntnis gesetzt, dass man im Falle einer Scharfstellung der Waffe Anzeige erstatten werde. Schon am Freitag, nach Bekanntwerden des Experiments, hatten sich zahlreiche empörte Menschen bei Peta gemeldet, schildert man.

Bei einem Verfahren rechnet man mit guten Chancen auf einen Schuldspruch für Mehnert bzw. ein Verbot des Versuchs. Dabei beruft sich Peta auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus dem Jahr 2012. Damals wollte eine Künstlerin unter dem Titel "Der Tod als Metamorphose" zwei Hundewelpen mit einem Kabelbinder in einer Art Zeremonie hinrichten. Die Richter, so berichtete der Focus, untersagten die Aktion unter Verweis auf das Tierschutzgesetz, das hier über die Freiheit der Kunst zu stellen sei.

Keine Kunst "am Rücken eines Tieres"

Für das Grundanliegen, für die Themen Überwachung und Drohnenkrieg zu sensibilisieren, zeigen die Tierschützer prinzipiell Verständnis. "Künstler müssen teilweise zu radikalen Aktionen greifen, um auf sich aufmerksam zu machen", heißt es bei Peta. "Dies darf aber keinesfalls auf dem Rücken eines Tieres geschehen."

(Georg Pichler, derStandard.at, 14.03.2015)

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