Donnerstag, April 25, 2024
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Lexikon der Phantominseln: Wo sind sie geblieben?

Versunkene Paradiese und eisige Kontinente, Teufelsfelsen und Goldinseln. Seit jeher tauchen in den Karten der Weltmeere sagenumwobene Inseln auf, die es nicht gibt und nie gegeben hat.

Doch immer wieder wurden sie zum Ziel tollkühner Expeditionen: Jahrhundertelang glaubten Seefahrer, Könige, Militärs, Piraten und Kartenmacher an ihre Existenz und suchten mit Schiffen, zu Fuß und aus der Luft nach ihnen.

Antilia, Breasil, Friesland oder die Insel Kalifornien zum Beispiel – wie haben die Inseln ihren Weg in Karten und Atlanten gefunden? Nautische Irrtümer und Doppelentdeckungen mögen eine plausible Erklärung für das Entstehen von Phantominseln sein, bewusste Irreführung von Seeleuten und Seemannsgarn die andere.

Andere wiederum, wie Atlantis, haben einen mythischen Ursprung (Bild: Die Magnetberg-Insel, „rupes nigra“, bildete nach alter Vorstellung den Nordpol; hier die Region auf der Karte von Gerhard Mercator (1512–1594)).

Die ersten Welt- und Seekarten waren unvollständig, unbekannte Orte wurden einfach mit fantasievollen Tierdarstellungen verziert. Dirk Liesemer beschreibt in „Lexikon der Phantominseln“ 30 solcher Fantasiegebilde, die die großen Entdecker suchten, aber nie fanden.

Im Zeitalter der Entdeckungen hatten Weltkarten oft weiße Flecken, meist getarnt durch phantasievolle Tierdarstellungen. Aber auch das Gegenteil gab es: Phantominseln, Eilande, die es gar nicht gibt: 30 von ihnen versammelt Dirk Liesemer in einem kleinen Lexikon und erzählt ihre mitunter bizarre, mitunter sehr vergnügliche Geschichte.

Wäre Christoph Kolumbus losgesegelt, wenn er wirklich gewusst hätte, wie lange es dauern würde, bis er wieder auf Land trifft (Niemand hat Kolumbus ausgelacht: Fälschungen und Legenden der Geschichte richtiggestellt)?

Er unterschätzte nicht nur den Erdumfang, er war sich auch sicher, unterwegs auf die Insel Antilia zu treffen. Die sollte ein wenig westlich der Kanaren, hatte der Florentiner Gelehrte Paolo dal Pozzo Toscanelli im Jahre 1474 behauptet. Als Kolumbus dann vor Amerika endlich auf eine Inselgruppe stieß, nannte er sie folgerichtig – Antillen (Rätselhafte Landkarten, die nach vorherrschender Lehrmeinung nicht existieren dürften (Videos)).

Die Insel existierte nur auf dem Papier

Kolumbus war nicht der einzige, der von einer falschen Karte beeinflusst wurde: Mitte 1912 fror die „Deutschland“, das Schiff der zweiten deutschen Antarktisexpedition im Südpazifik, im Packeis fest. Angeblich waren es nur 60 Kilometer bis zur Insel New South Greenland.

Expeditionsleiter Wilhelm Filchner machte sich mit zwei weiteren Forschern auf. Sie kamen dabei fast ums Leben: Denn: Die Insel existierte nur auf dem Papier.

Detailreich und spannend schildert Dirk Liesemer den Überlebenskampf der Antarktisforscher. Wie sie sich mit Skiern übers Eis kämpfen, ihren kargen Proviant strecken und schließlich zurück zum Schiff finden – keine leichte Aufgabe im südpolaren Winter.

Geglaubt hatten sie einem Karteneintrag des amerikanischem Kapitäns Benjamin Morrell. Doch dieser war eher phantasievoll als akribisch, zudem versessen darauf, in die Geschichte der Seefahrt einzugehen: Deshalb verdankten alte Karten ihm auch die Inseln Byers und Morrell, die niemand außer ihm je gesehen hat.

Eine weitere Phantominseln; direkt am Nordpol erhebe sich ein meerumflossener schwarzer Magnetberg, lateinisch „rupes nigra“ (schwarzer Felsen) genannt, der für den Ausschlag der Kompassnadeln verantwortlich sei. Noch der große Kartograf Gerhard Mercator zeichnet diesen Magnetberg 1598 in seine Polkarte ein.

Andere, weniger spektakuläre Nicht-Inseln haben es hingegen sogar bis in die Karten des digitalen Zeitalters geschafft. So die Sandy Islands im östlichen Korallenmeer des Pazifiks, die noch bis 2013 auf Google Earth verzeichnet waren (Rätsel um Phantominsel Sandy Island gelöst).

  

Weil jemand unbedingt etwas entdecken wollte

Liesemer bietet in seinen fesselnden Abenteuerberichten und historischen Beschreibungen verschiedene Gründe für die Entstehung dieser Fata-Morgana-Inseln: Einfache Irrtümer, weil Seefahrer im Nebel die Orientierung verloren oder ihre Aufzeichnungen und Messungen nicht korrekt waren. Psychologische Motive, weil jemand unbedingt etwas entdecken wollte oder musste – so wie bei Amerigo Vespucci, auf den die Aurora-Inseln westlich der Falklands zurückgehen (Die ungelösten Rätsel der Entdeckergeschichte (Videos)).

Mitunter entstanden solche Inseln aus politischen Gründen. Bermeja etwa, die angeblich erstmals im Jahre 1536 von Alonso de Chabes 160 Kilometer vor Yucatán gesichtet wurde und die für Mexiko lange bedeutsam waren: Schließlich besitzt der Staat, zu dem eine Insel gehört, die Hoheitsrechte im Meer im Umkreis von 200 Seemeilen – im ölreichen Golf von Mexiko war das sehr wichtig.

Und nicht zuletzt wurden Inseln in Karten eingetragen, weil die Zeichner ihren Financiers verpflichtet waren: So Phélipeaux und Pontchartrain im Lake Superior. Mit denen setzte der Pariser Kartograf Nicolas Bellin 1744 seinem Gönner Louis II. Phélypeaux de Pontchartrain ein Denkmal. Jahrzehnte später stritten sich dann sogar die Unterhändler im amerikanisch-britischen Friedensvertrag erbittert um die imaginären Flecken.

Das kurze Fazit: Dirk Liesemer mischt Entdeckergeschichte, kartografische Anekdoten, Kultur und Politik zu einem sehr unterhaltsamen feinen kleinen Buch für Liebhaber verrückter Geographie.

Literatur:

Das erfundene Mittelalter  von Heribert Illig

Kolumbus kam als Letzter: Als Grönland grün war. Wie Kelten und Wikinger Amerika besiedelten. Fakten, Funde, neue Theorien von Hans-Joachim Zillmer

Im Labyrinth des Unerklärlichen. Rätselhafte Funde der Menschheitsgeschichte von Klaus Dona

Quellen: PublicDomain/deutschlandradiokultur.de/wdr.de am 26.08.2016

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