Im transatlantischen Raum ist die Zeit für politisches und diplomatisches Geschick gekommen: Was gestern noch galt, ist heute vergessen. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist da keine Ausnahme, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Mittwoch.
Einerseits pocht sie stets auf die Einhaltung des Völkerrechts, andererseits aber befürwortete sie den US-Raketenschlag gegen einen syrischen Fliegerstützpunkt, mit dem die Amerikaner gegen alle möglichen Völkerrechtsnormen verstoßen hatten. Diese Position bekräftigte Merkel auch bei ihrem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump am 10. April.
Inzwischen wurden aber die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, der zufolge nur 29 Prozent der Bundesbürger diesen Luftschlag begrüßen. Falls die Bundesrepublik selbst an einem solchen Einsatz teilnehmen würde, wäre das für die Deutschen ein Alptraum. Dabei zeigten sich viele von ihnen überzeugt, dass sich Merkel unter Trumps Druck tatsächlich in einen globalen Konflikt einmischen und dadurch die „westlichen Werte“, von denen sie immer wieder redet, vernachlässigen würde.In Berlin weiß man natürlich von solchen Stimmungen. Allerdings bemüht sich die Kanzlerin aktuell vor allem um die Aufrechterhaltung der frisch geknüpften Kontakte zu Trump, der in jeder Hinsicht die Führungsrolle in der Nato spielt.
Angesichts dessen sieht Berlin Trumps Entscheidung für den Raketenangriff gegen den syrischen Militärflugplatz als gerechtfertigt an. Dennoch heben Merkel und ihr Umfeld die große Bedeutung der politischen Bemühungen um die Syrien-Regelung hervor, und zwar unter Mitwirkung Russlands.
Das klingt wie ein Axiom. In Wahrheit ist die Situation aber eine andere, obwohl die Basisstrukturen für die Wiederaufnahme der vor einigen Jahren auf Eis gelegten russisch-deutschen Beziehungen vorhanden sind. Leider sind vor Merkels baldiger Reise nach Moskau, von der man theoretisch wichtige Fortschritte erwarten könnte, neue negative Umstände in der Weltpolitik entstanden. Es ist immerhin klar, wie sich das Gespräch im Kreml gestalten könnte, wenn Merkel das Vorgehen der USA in Syrien rechtfertigen würde.Aber egal wie, ist die Bedeutung des russisch-deutschen Zusammenwirkens enorm. Auch Merkels persönliche Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, die sie seit vielen Jahren unterhalten, sind ein allgemein anerkannter Faktor für die europäische Autorität der Kanzlerin. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Berlin große Verpflichtungen gegenüber den USA und der Nato hat. Wenn sich Merkel dabei souveräner verhalten würde, wie das ihre Vorgänger Helmut Kohl und Gerhard Schröder taten, dann würde es wohl derzeit weniger Probleme in den Beziehungen zwischen Berlin und Moskau geben.
Die Deutschen sind bekanntlich große Anhänger der Stabilität, wovon auch zahlreiche Meinungsumfragen zeugen. Aber die jüngsten Ergebnisse zur Stimmung im Vorwahlkampf sehen so aus: 33 Prozent würden aktuell für die CDU/CSU stimmen. Die Sozialdemokraten um Martin Schulz dürften mit 31,5 Prozent rechnen. Die Linke und die AfD würden je acht Prozent der Stimmen, die Grünen sieben Prozent und die FDP sechs Prozent bekommen.
Auch im außenpolitischen Bereich mögen die Deutschen kein zu forsches Vorgehen. Sie machen sich Sorgen über die politischen Eskapaden Trumps und haben deshalb Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, wenn er von seiner Treue zur Nato usw. redet.Aber es sieht so aus, dass Merkel jetzt auf Trumps Seite steht und vom Kurs seines Vorgängers Barack Obama quasi abgewichen ist. Übrigens werden sie sich bald treffen: Obama wurde zum Evangelischen Kirchentag Ende Mai eingeladen, der in Berlin und Wittenberg stattfindet. Daran wird natürlich auch Merkel teilnehmen. Es ist ja spannend, wie sie sich mit ihrem alten Freund verständigen wird, dem ihr neuer Partner in Washington alle möglichen Probleme der Amerikaner vorwirft.
Beitragsbild: © AFP 2017/ Ronny Hartmann
Quelle: Sputnik Deutschland
