Freitag, April 19, 2024
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Michael Klonovsky: Auf der Recep-Bahn nachts um halb Eins

Hamburg sei „bereit für eine muslimische Bürgermeisterin“, verkündet Ole von Beust, der einstige Oberbürgermeister der Stadt. Deshalb unterstütze er die Entscheidung der Hamburger CDU-Führung, Aygül Özkan als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl 2020 zu nominieren. Seine Begründung lässt an Kompetenzfixierung wenig zu wünschen übrig: „Mein Gott, ich bin schwul, und die Menschen haben mich gewählt. Und eine Frau, die es geschafft hat, ist doch ein gutes Symbol.“

Von Michael Klonovsky

Wäre die CDU noch eine konservative Partei, müsste man jetzt konstatieren, dass da Einer in die Falle der linken Identity politics getappt ist. Denn was könnte nebensächlicher sein als die Tatsache, dass ein Politiker männlich, weiblich, muslimisch, hinduistisch, atheistisch, schwul oder stockschwul ist? Sind das nicht samt und sonders Privatangelegenheiten wenn nicht gar Konstrukte, die Niemanden etwas angehen? – zumindest bis die Bunte zur Home-Story bei denjenigen anreist, die sich einen Imagezuwachs davon versprechen, dass die Leser des Blödenblattes Privates von ihnen erfahren? Warum sollte Hamburg für eine Muslimin „bereit“ sein und nicht eher z.B. für eine Expertin?

Nun, ein Blick auf die Bundesregierung verrät, dass die Verbindung von Amt und Erfahrung im einstigen Land der Denker und Ingenieure kein zentrales Kriterium mehr darstellt. Auch der Herr Wowereit war ein zweitklassiger Bürgermeister, aber nicht, weil er schwul ist. Er ist öffentlich auf diesem Ticket gefahren, weil er ahnte, dass er damit bei den Medien besser ankommen und seine Kritisierbarkeit einschränken werde. Das ist aber nicht unser Thema, sondern Frau Özkan. Die CDU-Politikerin ist die Tochter eines Gastarbeiters, in Deutschland geboren, nahm mit 18 die deutsche Staatsbürgerschaft an, studierte Jura bis zum zweiten Staatsexamen, ist zugelassene Rechtsanwältin, arbeitete bei T-Mobile und Postcon, trat 2004 in die CDU ein, wurde 2010 als erste Muslimin Ministerin, nämlich für Frauen und „Gedöns“ (Gerhard Schröder) in Niedersachsen etc. pp. Soweit alles normal. Es gibt weder einen Grund, besonders hervorzuheben, noch sich darüber zu echauffieren, dass sie als Muslimin Bürgermeisterin werden soll. Sie erfüllt alle formellen Kriterien. Und dass sie daheim zweisprachig und „bikulturell“ lebt, ist erstens ihre Sache und sieht zweitens z.B. bei mir daheim nicht anders aus.

Dass gleichwohl viele derjenigen, die schon länger als die Familie Özkan hier leben, eine muslimische Kandidatin problematisch finden, hat damit zu tun, dass sie einem Moslem einen Loyalitätskonflikt unterstellen oder andichten oder jedenfalls für möglich halten, und solche Gedanken sind ja keineswegs aus der Luft gegriffen, wie zuletzt und sehr populär der Fall Özil/Gündogan vorgeführt hat, aber auch das Wahlverhalten der hier lebenden Türken nahelegt. Recep der Prächtige betrachtet „seine Landsleute“ in Deutschland als politische Verfügungsmasse, er ermuntert sie, mehr Kinder zu zeugen und sich als türkische pressuregroup und Staat im Staate zu etablieren. Frau Özkans Berufung wurde in der Türkei aufmerksam registriert und positiv bewertet. Der türkische Außenpolitiker Yaşar Yakış erklärte, sie zeige den in Deutschland lebenden Türken, dass sie es bis in höchste Positionen schaffen könnten. Zu welchen Zwecken? Viele Biodeutsche fürchten eine Art schleichende, feindliche Übernahme. Wie das Szenario dafür ausschauen könnte, hat Michel Houellebecq in seinem Roman „Unterwerfung“ beschrieben. Dass man eine plurale, freie, demokratisch verfasste Gesellschaft über Wahlen erobern und abschaffen kann, haben die Nazis exemplarisch vorgeführt. Wie der Blick in Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit zeigt, sind sie für Nichtmuslime, also für Anders- oder gar Ungläubige, nicht besonders attraktiv, die Letzteren müssten also verrückt sein, solche Zustände herzustellen. (Klar, man könnte konvertieren, doch wer will schon in einen Verein wechseln, wo er befürchten muss, eines Tages auf Maas, Augstein, Hofreiter und Göring-Eckardt zu treffen?)

Was aber hat das mit Frau Özkan zu tun? Fairerweise muss man sagen: Nichts. Wahrscheinlich Nichts. Wir Deutschen sind in historicis Kausalitäts-mysteriker bzw. -narren, wir müssen uns abgewöhnen, überall Vorläufer und Wegbereiter zu vermuten, sowohl retrospektiv als auch prospektiv. Oder?

Wollte Frau Özkan der Islamisierung den Weg bereiten, müsste man Spuren davon in ihrer politischen Tätigkeit finden. Als niedersächsische Ministerin riet sie den Eltern von Migrantenkindern, ihre Sprösslinge frühzeitig in die Kita zu schicken, damit sie dort Sprache und Regeln des Aufnahmelandes lernen. Das passt schon mal nicht. In einem Interview verlangte sie mehr Richter mit Migrationshintergrund, „damit die Betroffenen auch sehen, hier entscheidet nicht eine fremde Autorität, sondern wir gehören da auch zu“. Gute Idee, ich bin dafür, dass hier mehr Richter mit ungarischem, vietnamesischem oder israelischem Migrationshintergrund Urteile fällen, aber dazu müssen sie die entsprechenden Voraussetzungen vorweisen, sonst läuft all das auf der Ebene jener sympathischen Friedensrichter, die in Neukölln und andernorts auf für uns eher unkonventionellem Wege Fremdheitsgefühle abbauen. Aber das wird Frau Özkan wahrscheinlich nicht anders sehen.

Ausgewogen säkular mutet es an, dass die nunmehrige Bürgermeisterkandidatin vor ein paar Jahren erklärte, Unterrichtsräume an staatlichen Pflichtschulen sollten frei von religiösen Symbolen sein, weder Kreuze noch Kopftücher hätten in Klassenzimmern Etwas zu suchen. Nach Kritik aus den eigenen Reihen (ich meine die CDU) erklärte sie, sie habe solche Vorstellungen voreilig und in einer gewissen Unkenntnis der Verhältnisse in Niedersachsen artikuliert. (Wenn sie wirklich „voreilig“ gesagt haben sollte – der Link auf Wikipedia zu ihrer damaligen Erklärung ist leider tot –, wäre das komisch, aber immerhin: Keine Kopftücher. Wobei diese Äquidistanz in einem muslimischen Land schwer vorstellbar wäre und auch hierzulande immer noch ein G’schmäckle hat.)

Ins wirkliche Sündenregister der Kandidatin gehört, dass sie vor acht Jahren – wieder voreilig! – versuchte, eine „Mediencharta für Niedersachsen,“ zu etablieren. Diese sollte Journalisten zu einer „kultursensiblen“ Sprache sowie zur Unterstützung sogenannter Integrationsmaßnahmen verpflichten. Sogar der Deutsche Journalistenverband und die SPD-Fraktion witterten damals Zensur – inzwischen wachsen solche Sprachregelungen, auf den Status von „Empfehlungen“ gedimmt, wie Fliegenpilze aus dem Boden. Auch in diesem Fall zog Frau Özkan es vor, wieder zurückzurudern.

Die Frage ist nicht, ob Hamburg „bereit“ für eine muslimische Bürgermeisterin, sondern ob Frau Özkan für dieses Amt geeignet ist, was ich angesichts der zahlreichen Ungeeigneten, die hierzulande politische Ämter ausüben, nicht als latent moslemfeindliche Überdifferenzierung verstanden wissen will. Ihr Glaube sollte dabei unwichtig sein. Es gibt ja auch Muslime in der AfD und muslimische AfD-Wähler; andererseits sind die Kanzlerin oder Frau von der Leyen oder Frau Nahles gerade keine Musliminnen. Allah wollte es so! Und sollte sich herausstellen, dass die CDU-Kandidatin es nicht packt, können die Hamburger die Dame ja wieder abwählen.

Quelle!:

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