Samstag, April 20, 2024
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Mit Aufrüstung und Russland-Hetze – Wie der Westen den Frieden bedroht

Die Nato-Staaten rüsten auf, kaufen neue Waffen und verlegen Truppen an die russische Grenze. Von dort droht Gefahr für den Frieden, behaupten sie, sekundiert von den Medien, die das „Feindbild Russland“ pflegen. Eine Veranstaltung in Berlin hat gezeigt, wie damit die Furcht vor einem großen Krieg geschürt wird.

Vor der wachsenden Kriegsgefahr warnten am Mittwoch in Berlin der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech und der aktive Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko – während in der deutschen Hauptstadt und andernorts die vor 28 Jahren friedlich zustande gekommene deutsche Einheit gefeiert wurde. Beide saßen bzw. sitzen für die Partei Die Linke im Bundestag und betonten, keine Anhänger ständig wiederholter Katastrophenwarnungen zu sein. Doch die aktuellen Entwicklungen hätten sie nachdenklich werden lassen und bereiteten ihnen Sorge.

Prof. Dr. Norman Paech, Völkerrechtler und ehemaliger Bundestagsabgeordneter

Paech und Hunko sprachen gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin und Nahostexpertin Wiebke Diehl bei einer Veranstaltung im Berliner Haus der Demokratie, zu der die Redaktion der Zeitschrift „Ossietzky“ eingeladen hatte. „Was tun gegen den drohenden Krieg!?“ war das Thema der diesjährigen Matinee, die traditionell am Geburtstag des Namensgebers Carl von Ossietzky, dem 3. Oktober, veranstaltet wird.

Völkerrechtler Paech begründete seine Sorgen zu Beginn mit einer Rede des britischen Generalstabschefs Nicolas Carter am 22. Januar dieses Jahres. Darin hatte der hochrangige Militär, weitgehend unbeachtet von deutschen Medien, den Westen aufgefordert, sich auf einen Krieg mit Russland vorzubereiten.

Wie vor 100 Jahren

Carter hatte unter anderem Russland als „archetypischen Vertreter“ einer „staatlichen Bedrohung für unser Land“ bezeichnet. Diese Sicht würden seine „Stabschefkollegen aus den USA, Frankreich und Deutschland“ teilen, erklärte er bei seiner Rede vor dem Royal United Services Institute (RUSI). Der Militär beschrieb ausführlich die vermeintliche Notwendigkeit, sich darauf vorzubereiten, „den Krieg zu führen, den wir vielleicht führen müssen“.

Paech zitierte aus Carters „Pamphlet der Kriegsvorbereitung“ den Hinweis, dass die Parallelen der heutigen Situation zu 1914 überdeutlich seien. Zu den Ursachen für den Ersten Weltkrieg gehörte die vor 100 Jahren deutlich werdende Angst vor einem stärker werdenden Russland. London hatte sich damals allerdings für eine Zusammenarbeit mit Moskau gegen Deutschland entschieden. Nun fordert der britische Generalstabschef dazu auf, sich auf einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Dafür trage dieses mit seinen angeblichen Feindseligkeiten und „schändlichen Maßnahmen“ die Schuld – ein Vorwurf wie vor 100 Jahren.In seinem Vortrag beschäftigte Paech sich auch mit Russlands Umgang mit dem Völkerrecht. Er warf Moskau vor, mit der Übernahme der Krim trotz des entsprechenden Referendums der Bewohner der Halbinsel gegen geltendes Völkerrecht verstoßen zu haben. Es handele sich aber um eine „defensive Intervention“, so der Ex-Politiker, ähnlich wie die sowjetische Intervention 1979 in Afghanistan. In beiden Fällen habe Moskau auf die Politik der USA und deren Agieren in Nachbarländern reagiert.

Fehlende gesellschaftliche Gegenbewegun

MdB Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag

Paech fügte aus politischer Sicht hinzu: „Der Völkerrechtsverstoß Russlands ist so minimal gegenüber dem, was in Jugoslawien, im Irak und in Syrien durch westliche Politik angerichtet wurde, dass diese keinen Grund hat, sich aufzuregen.“ Die vom Westen heraufbeschworene Situation habe Russland keine andere Möglichkeit gelassen, darauf zu reagieren. Er rechne nicht damit, dass die Krim jemals wieder zur Ukraine zurückkehrt.

Für den Bundestagsabgeordneten und Europapolitiker der Linkspartei Andrej Hunko sorgt die gegenwärtige „größte Aufrüstungswelle der Geschichte seit dem Fall der Mauer 1989“ für die wachsende Kriegsgefahr. Das müsse eigentlich eine „massive gesellschaftliche Reaktion und Gegenbewegung“ hervorrufen, die aber derzeit nicht in Sicht sei.

Er erinnerte daran, dass die Rüstungsausgaben im Bundeshauhalt von 38,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 42,9 Milliarden Euro im Jahr 2019 steigen sollen. Das vielbeschworene Ziel für Nato-Länder, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Militär auszugeben, würde für die Bundesrepublik im Jahr 2024 Ausgaben von über 80 Milliarden Euro bedeuten und sie zur stärksten Militärmacht in Europa machen. Dabei sei der entsprechende Beschluss vom Nato-Gipfel in Wales 2014 rechtlich gar nicht bindend, betonte Hunko.

Systematische Russland-Hetze

Hinzu kämen die Aufrüstungsmaßnahmen der Europäischen Union (EU), über den sogenannten Europäischen Verteidigungsfonds bis zu den Infrastruktur-Maßnahmen für schnellere Militärtransporte. Beides sei nach den EU-Verträgen so eigentlich nicht möglich, weshalb sie durch Formulierungstricks und „zynische Haushaltstitel wie ‚Connecting Europe Facilities‘“ verschleiert würden.

Das Ganze werde begleitet von einem „systematischen Aufbau eines Feindbildes Russland, einer Russland-Hetze, deren Höhepunkt die Skripal-Affäre im März dieses Jahres war“. Das werde weitergehen, vermutete der Bundestagsabgeordnete. Für all die Vorwürfe, die als Anlass für Strafmaßnahmen gegen Russland wie Sanktionen und Diplomatenausweisungen genommen werden, gebe es keine nachprüfbaren Beweise. Aber bei der Bevölkerung im Westen bleibe auch dank der medialen Darstellung der Eindruck vom „bösen Russland“ hängen.Hunko widersprach der angeblichen Gefahr aus dem Osten für das Baltikum und Polen. Die historisch begründeten Ängste dort sollten ernst genommen werden, forderte er. Aber es gebe neben dem fehlenden Sinn dafür keinerlei Hinweise auf russische Angriffspläne. Die habe auch die Bundesregierung nicht, wie sie ihm aktuell in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt habe.

Europarat als antirussische Arena

Der Europapolitiker der Linkspartei wies darauf hin, dass die Gefahr drohe, dass der von der EU unabhängige Europarat in Kürze zerbrechen könnte. Das sei der Fall, wenn am kommenden Dienstag der von mehreren Ländern angestoßene Kompromissvorschlag im Streit mit Russland nicht angenommen wird. Der brach aus, nachdem 2014 in Folge der Ukraine-Krise die Rechte der russischen Abgeordneten in den Gremien des Europarates beschnitten wurden. Das soll über neue Regeln rückgängig gemacht werden.

Politikwissenschaftlerin Wiebke Diehl

Russland hatte bereits seine Mitgliedsbeiträge eingestellt und droht, aus der 1949 gegründeten Organisation mit derzeit 47 Mitgliedsstaaten auszusteigen. Welche Bedeutung das hat, machte Hunko daran deutlich, dass es sich um die einzige internationale Organisation handelt, die den Raum von Lissabon bis Wladiwostok umfasst. Die sei den USA ein Dorn im Auge, nicht nur weil sie als Land, in dem die Todesstrafe noch gilt, darin nicht Mitglied sein könne. Washington betreibe derzeit aktiv Lobbyarbeit gegen den Kompromiss, mit dem Russland im Europarat gehalten werden könnte.

Der Abgeordnete verwies im Interview mit Sputnik auf die geopolitischen Interessen im Westen an dieser Konfrontation. Die machte die Politikwissenschaftlern Wiebke Diehl in ihrem Beitrag zur Veranstaltung ebenfalls deutlich, bei dem es um die Lage in Syrien ging.

Fortgesetztes westliches Ziel in Syrien

Sie erinnerte daran, dass sich westliche Staaten und deren arabische und türkische Verbündete von Beginn an in den Konflikt in Syrien seit Frühjahr 2011 einmischten. Deren Ziel sei der Regime Change in Damaskus, von dem zwar nicht mehr geredet werde, der aber nicht aufgegeben worden sei. Das Interesse teile auch Israel, das dafür selbst islamistische bewaffnete Kräfte in Syrien unterstützt habe.

Diehl machte darauf aufmerksam, dass es für den Westen und seine Partner um die Kontrolle der Rohstoffe und der entsprechenden Transportwege in der Region des Mittleren Osten gehe, sowie darum, Russland und China von diesen fernzuhalten. „Dabei würde eine selbstbewusste und unabhängige syrische Regierung, die von außen nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren ist, natürlich stören.“Der Krieg werde begleitet von einer Propaganda-Kampagne gegen Syrien und Russland, einschließlich der Vorwürfe angeblicher Chemiewaffeneinsätze durch die syrischen Regierungstruppen. Diehl verwies auch auf die antisyrischen Sanktionen der EU, die das Leid der Bevölkerung vergrößern würden.

Israel als Gefahr für den Weltfrieden

Dagegen habe Russland neben seiner militärischen Unterstützung für Damaskus von Anfang an auf einen Dialog mit allen Seiten in dem Land gesetzt, um eine politische Lösung zu ermöglichen. Die Syrer, mit denen sie gesprochen habe, hätten auf die Frage nach einem Ende des Krieges gesagt: „Der wäre leicht zu beenden, wenn man uns in Ruhe lassen würde und wir in Frieden miteinander leben könnten, wie wir das seit jeher getan haben.“ Die Politikwissenschaftlerin, die unter anderem in Damaskus studiert hat, befürchtet aber, dass dieser Wunsch nicht so schnell erfüllt wird.

Für Völkerrechtler Paech gehört die Lage im Mittleren Osten zu den größten globalen Gefahren für den Frieden weltweit. Im Interview erklärte er dazu: „Dort könnte es passieren, dass ein irrsinnig gewordener oder durch die interne Politik gezwungener Netanjahu oder Liebermann zu den Waffen greift und gegen Iran vorgeht, auch als präemptiver Schlag, obwohl es konkret keine Angriffspläne seitens des Iran gibt.“ Ein solcher israelischer Angriff könnte zu einem „Krieg von Weltausmaß“ führen und die USA mithineinziehen, auch die Nato. Das sei für ihn gegenwärtig die konkretere Kriegsgefahr, so Paech.

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