Donnerstag, März 28, 2024
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Mit neun Jahren allein nach Deutschland“Geld reicht nicht“: Behörden warnen vor Infarkt bei Flüchtlingsbetreuung

Flüchtlinge, Jugendämter, Betreuung

Sie sind jung und sie kommen allein: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stellen die Jugendämter vor große Probleme. Das Geld der Bundesregierung werde nicht für die ununterbrochen nach Deutschland reisenden Kinder reichen, sagen die Behörden. Trotzdem sind sie zuversichtlich.

 

Neun Jahre. Älter ist Rahid (Name von der Redaktion geändert) nicht. In der vergangenen Woche stand der kleine Mann vor Rainer Schwarze, dem Jugendamtsdirektor des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg – ohne

Eltern und ausgezehrt nach einer endlos langenReise. Rahid hatte sich allein bis in die deutsche Hauptstadt vorgekämpft, er ist ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling.

Schwarze und sein Team kümmern sich jetzt um das Kind, das Bürgerkrieg und 

Unruhen erlebt hat, das sich nach einer Zukunft mit innerer Ruhe und Chancen sehnt. Sie werden versuchen, ihm eine Heimat in Deutschland zu schaffen und auch seine Mama und seinen Papa zu finden, die Rahid auf der Flucht verloren hat. „Diese jungen Menschen, die zu uns kommen, haben einen großen Willen“, sagt Schwarze. Der kleine Rahid ist die Personifizierung dieses Willens.

2015 bis zu 30.000 Kinder und Jugendliche

Es sind Geschichten wie diese, mit denen deutsche Behörden derzeit tausendfach zu tun haben. Noch im Jahr 2009 kamen weniger als 3000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland an. Vier Jahre später waren es 5600, 2014 dann 10.000. Und in diesem Jahr rechnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Bundesinnenministerium mit 20.000 bis 30.000 Kindern und Jugendlichen, die zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen landen – die überwiegende Zahl sind Jungen.

Das Ganze habe sich zu „einer enormen Herausforderung“ ausgewachsen, sagte Birgit Zeller, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, heute in Münster. In der Domstadt sprachen an diesem Dienstag etwa 150 Fachleute unter anderem über dieses Thema, eingeladen von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter und vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

„Stehen vor einer menschlichen Mammutaufgabe“

Und alle waren sich einig: „Alle rund 600 Jugendämter in Deutschland stehen vor einer sozialen, pädagogischen und vor allem auch menschlichen Mammutaufgabe“, so Birgit Zeller.

Um diese Aufgabe bewältigen zu können, bräuchten die Ämter vor allem mehr Personal, erklärte Zeller. Vier Mitarbeiter sollten pro Jugendamt zusätzlich eingestellt werden, hieß es, das seien also insgesamt über 2000 Mitarbeiter.

„Das Geld wird nicht reichen“

Dass der Bund 350 Millionen Euro zugesagt habe, um die Kommunen bei den Kosten für die jungen Flüchtlinge zu entlasten, sei ein Anfang, aber nicht mehr, findet Zeller. „Das Geld wird nicht reichen.“

Die meisten jungen Menschen sind zwischen 16 und 18 Jahre alt. Viele kommen aus Syrien – unter anderem, um dort dem Bürgerkrieg und dem Kriegsdienst zu entfliehen. Sie seien gut ausgebildet, hätten große Ambitionen und wollten in ihrem Leben beruflich etwas erreichen, sagte der Berliner Jugendamtsleiter Schwarze, der aus dem Alltag berichtete.

Es dauert viel zu lange, bis Wohnraum entsteht

In der größten deutschen Stadt würden dringend 1700 Heimplätze gebraucht, um die unbegleiteten Flüchtlinge unterzubringen. Dass diese Plätze in den kommenden fünf Jahren geschaffen werden, bezweifelt er allerdings. Aufgrund der Verordnungen dauere es in Deutschland viel zu lange, bis Wohnraum entstehe, so Schwarze.

Seine Mitarbeiter sorgen dafür, dass die jungen Zuwanderer möglichst schnell die deutsche Sprache lernen. Sie bringen sie in den Pflegeheimen mit deutschen Kindern und Jugendlichen zusammen, lassen sie viele Dinge spielerisch einüben und schicken sie auch schnell ins Großstadtleben, um Schulen, Verkehrsmittel, Vereine und andere Organisationen kennenzulernen.

Schon jetzt 5000 statt 3500 junge Flüchtlinge in NRW

In Berlin, Frankfurt, Hamburg oderMünchenleben viele der jungen Flüchtlinge, aber auch in Nordrhein-Westfalen kommen immer mehr an. Gerade erst hat das NRW-Familienministerium die Zahl von rund 3500 minderjährigen Flüchtlingen nach oben korrigiert. Mittlerweile sind etwa 5000 in Aachen, Dortmund oder Bielefeld angekommen. Eine Gesetzesänderung, die im November in Kraft tritt, soll gewährleisten, dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr von ausgewählten Jugendämtern in Deutschland betreut werden, sondern über die ganze Republik verteilt werden können

 

„Wir werden das schaffen“

Die Bundesarbeitsgemeinschafts-Vorsitzende Zeller hat Respekt vor dem, was die Jugendämter nun in den kommenden kälteren Monaten erwartet. Angst jedoch hat sie nicht. „Ich bin optimistisch“, sagt Zeller, „wir werden das schaffen.“

 

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