Mittwoch, April 24, 2024
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Mysteriöser Untergang – Archäologin erklärt Zerfall der Stadt Teotihuacan

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Von Pyramiden und Brandanschlägen: Seit Jahrhunderten rätseln Forscher weltweit, wie es zum mysteriösen Untergang der einst florierenden mexikanischen Stadt

Teotihuacan kam. Jetzt glaubt eine Archäologin, die Lösung gefunden zu haben.

Die mittelamerikanische Metropole war zwischen 100 und 650 nach Christus bekannt für ihre vielseitigen

Kulturschätze, wie Muschel- und Edelsteinschmuck. Doch im siebten Jahrhundert nach Christus wurde Teotihuacan eines Tages verlassen aufgefunden. Auf einen Angriff von außen gab es keinerlei Hinweise.

(Bild: Modell der Sonnenpyramide)

Jetzt will die Archäologin Linda Manzanilla das Geheimnis gelüftet haben. Laut Manzanilla kam es durch Spannungen zwischen den Führern einzelner Stadtteile und der herrschenden Elite zum Zerfall der Metropole.

Obwohl die Bürger untereinander gemeinschaftsorientiert organisiert waren, stritten sich die Anführer mancher Stadtteile um die Gunst der Stadtherren. Im Laufe der Auseinandersetzungen kam es zu Brandanschlägen auf mehrere Hauptgebäude Teotihuacans. Außerdem wurden zahlreiche Skulpturen in den Palästen zerstört. Jahrhunderte später fanden Azteken auf der Durchreise die Stadt menschenleer auf.

Für die Nachgeborenen markierten die Ruinen von Teotihuacan den “Ort, an dem Menschen zu Göttern werden”. Denn wer die riesigen Pyramiden und Plätze erbaut hat, die 50 Kilometer nordöstlich von Mexiko-Stadt in Staunen versetzen, hatten die Menschen längst vergessen, als die ersten Spanier an der Küste Mexikos erschienen. Teotihuacan war mit bis zu 200.000 Einwohnern um 500 n. Chr. eine der größten Städte der Welt. Und eine der erstaunlichsten. Hier gab es weder Wagen noch Waffen und Werkzeuge aus Metall noch eine Schrift.

Warum diese Stadt, die von Archäologen gern als “Mutter der mittelamerikanischen Kulturen” bezeichnet wird, im 7. oder 8. Jahrhundert n. Chr. verlassen wurde, gehört zu den großen Fragen der präkolumbischen Anthropologie. Jetzt hat Linda Manzanilla von der Universidad Nacional Autonóma in Mexiko-Stadt eine neue Erklärung vorgeschlagen: Spannungen zwischen der städtischen Elite und den regionalen Führern der einzelnen Stadtviertel führten zum Kollaps dieser hochkomplexen Gesellschaft.

Im Fachjournal “Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) zeichnet die Archäologin ein Bild vom komplizierten Leben in der Metropole. Linda Manzanilla vermutet, dass Vulkanismus im Tal von Mexiko ihren Aufstieg begünstigte. Demnach führte ein Ausbruch des Vulkans Popocatepetl im 1. Jahrhundert n. Chr. dazu, dass viele Menschen von dort nach Teotihuacan kamen. Die Forscherin verweist auf den Vulkan Xitle, der im 4. Jahrhundert ähnliche Wanderungsbewegungen auslöste.

Bald wurde Teotihuacan zum Anziehungspunkt für verschiedenste ethnische Gruppen. Wie DNA-Analysen und Stiluntersuchungen ihrer Relikte zeigen, stammten sie aus vielen Teilen des heutigen Mexiko – aus Chiapas, Oaxaca, Puebla oder Veracruz. Wer die Elite war, die das Zusammenleben dieser Gruppen organisierte, ist allerdings bis heute unbekannt.

Magnet für agile Migranten

Möglicherweise war es eine Theokratie, die mithilfe eines Tributimperiums die Stadt unterhielt. Das gelang über Jahrhunderte hinweg ohne Schrift. Obwohl in einigen Vierteln der Stadt Spuren von Schriftzeichen gefunden wurden, muss bislang davon ausgegangen werden, dass die urbanen Führer die Verwaltung ohne Schrift leisteten.

Diese Elite hatte die Stadt in mehrere deutlich voneinander getrennte Viertel eingeteilt. In ihnen lebten und arbeiteten Menschen, die auf gewisse Handwerke spezialisiert waren und womöglich gleicher oder ähnlicher Abstammung waren. Wahrscheinlich bedienten sich die Einwohner unterschiedlicher Viertel sogar verschiedener Sprachen. Durch die Jahrhunderte hinweg dürfte Teotihuacan seine Anziehungskraft auf agile Migranten nicht verloren haben. Die Integrationskraft der Metropole war beeindruckend.

Die Gesellschaft der Stadt “zog ihren Nutzen aus dem Wissen, den technischen Kenntnissen und der Erfahrung, die die Fremden in die Stadt brachten”, schreibt Manzanilla. Insbesondere widmet sich die Archäologin dem Viertel Teopancazco im Süden der Stadt. Dessen Bewohner hatten offenbar besondere Verbindungen zum etwa 250 Kilometer entfernten Meer. Nur in diesem Stadtteil seien Kleidungsstücke mit Muschelschmuck hergestellt worden. Diese waren vermutlich bei der herrschenden Elite sehr gefragt.

Innere Widersprüche der Gesellschaft

Im Stadtteil La Ventilla hatte man sich dagegen auf die Fertigung von Schmuck aus Edelsteinen spezialisiert. Linda Manzanilla vermutet, dass die lokalen Eliten in den Stadtteilen in heftiger Konkurrenz zueinander standen und um die Gunst der herrschenden Eliten wetteiferten. “Dieser Wettbewerb führte zu einer hochkomplexen Gesellschaft, aber einer mit inneren Widersprüchen”, schreibt Manzanilla. Diese Spannungen führten schließlich in den Untergang.

Dass die Stadt kein Opfer von Invasoren wurde, haben Archäologen beizeiten erkannt. Zwischen dem Ausgang des 6. und frühen 8. Jahrhundert wurden die Hauptgebäude der Stadt entlang der sogenannten Straße der Toten von den Bewohnern angezündet. Möglicherweise, so das Resümee von Linda Manzanilla, weil der Interessenausgleich zwischen Zentrale und den Stadtvierteln nicht mehr funktionierte.

Erst vor wenigen Monaten hatten mexikanische Wissenschaftler zwischen der Sonnenpyramide und dem Tempel der gefiederten Schlange einen Tunnel entdeckt, in dem Zehntausende Artefakte geborgen werden konnten. Möglicherweise handelte es sich um einen Eingang zur Unterwelt, an dem die Eliten zu ihren verstorbenen Mitgliedern Kontakt aufnahmen. Das könnte in Höhlen geschehen sein, die am Ende des Tunnels gefunden wurden. Sollten darin die sterblichen Überreste von Fürsten oder Priestern ans Licht kommen, wäre die Entschlüsselung Teotihuacans um einen wichtigen Schritt weiter.

Quellen: PRAVDA TV/en.wikipedia.org/WeltOnline/FocusOnline vom 17.03.2015

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