Donnerstag, März 28, 2024
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Nahost-Experte Steinbach: Die USA werden sich aus Idlib raushalten

Am Freitag treffen sich die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei in Teheran, um die Lage in Syrien zu besprechen. Besonders die Türkei bringt die geplante Großoffensive der syrischen Armee gegen die letzte große Terroristenhochburg Idlib in eine Zwickmühle, meint der Nahost-Experte Udo Steinbach. Die USA werden sich dagegen raushalten.

Herr Steinbach, die syrische Armee plant die Zurückeroberung von Idlib. Welche Rolle spielt diese Region?

Die Region spielt für das syrische Regime eine große Rolle, denn deren Rückeroberung würde praktisch bestätigen, dass das Regime nicht nur überlebt, sondern das gesamte Staatsgebiet wieder in seine Gewalt bekommt. Das ist psychologisch und politisch wichtig. Darüber hinaus ist die Region nicht unwichtig für die Nachbarn, insbesondere für die Türkei.

Auf welche Gegenwehr wird die syrische Armee in Idlib stoßen? Wer hält sich dort auf?

Zunächst sind dies die Türken, die dort eine Reihe von kleinen Stützpunkten unterhalten und auch entschlossen zu sein scheinen, einen gewissen Widerstand zu leisten, denn sie haben sich mit Luftabwehr-Raketen ausgerüstet. Der größere Teil militärischen Widerstandes ist jedoch von einer Reihe von Nachfolgeorganisationen der al-Nusra-Front zu erwarten. Das sind beinharte Islamisten, die sich nach und nach nach Idlib zurückziehen mussten. Das ist ihr letzter Punkt des Widerstandes, den sie verteidigen werden. Denn die Frage für diese Extremisten ist, wo sie von dort noch hingehen können. Sie sind praktisch umzingelt von der syrischen Armee.Es gibt bereits erste militärische Aktionen, aber noch scheinen die internationalen Player in der Region sich abstimmen zu wollen. Morgen werden die Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei über ihr Vorgehen in Idlib beraten. Worum geht es da?

Da geht es um die Frage, ob das Ganze stattfinden wird oder nicht. Im Prinzip sind die Weichen natürlich schon gestellt in Richtung eines Angriffs. Eigentlich geht es hier nur noch um die Türkei, die dagegen ist. Die Russen sind dafür, und auch die Iraner unterstützen die syrische Politik. Die Türkei hat zumindest einen gewissen Einfluss auf eine Reihe islamistischer Gruppen in dieser Region. So laufen schon seit geraumer Zeit Gespräche der Russen mit den Türken, ob sie diese islamistischen Gruppen nicht zur Aufgabe bewegen können.

Diese drei Länder bilden das Astana-Format, das vom Westen versucht wird kleinzureden oder gar zu behindern. Aber sie schaffen im Gegensatz zur Uno schon Fakten, oder?

Ja, sie schaffen Fakten, aber sie kommen einer politischen Lösung auch noch nicht wirklich näher. Nach wie vor steht die Frage: Wird das Assad-Regime bleiben? Und wenn ja, wie lange? Mir scheint, dass auch die Russen inzwischen daran interessiert sein könnten, die Verhandlungen wieder in Richtung Genf zu verlegen. Ich habe das Gefühl, dass Frau Merkel mit Herrn Putin darüber gesprochen hat, dass die deutsche und die europäische Politik beim Thema Syrien wieder zum Zuge kommt.

Was ist eigentlich aus dem ursprünglich für diese Woche geplanten Syrien-Gipfel mit Merkel und Macron geworden? Der findet nun wohl doch nicht statt. Hat sich Europa damit nicht wieder aus dem Thema zurückgezogen?

Natürlich haben Sie Recht, die europäische Position ist schwach und blass. Aber ich glaube, es ist eine richtige Entwicklung, die Russen in Richtung Genf zu drängen. Denn die Russen wollen eine Lösung der Syrien-Krise, weil ihnen ihr Engagement dort langsam zu teuer wird.

Die Türkei hat bereits viele Flüchtlinge aufgenommen. Idlib würde sicher noch einmal zu einer großen Welle führen, was die Türkei und damit auch Europa wieder teuer zu stehen kommen würde. Wie könnte ein für die Türkei akzeptabler Kompromiss aussehen? Und was ist das Interesse Deutschlands, dessen Außenminister gerade in der Türkei war, um das Thema Syrien zu besprechen?

Das Interesse Deutschlands ist, dass die zu erwartende Flüchtlingswelle nicht nach Europa kommt, dass man sie in der Türkei aufhält. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Herr Maas durchaus bereit, die Türkei diesbezüglich finanziell zu unterstützen. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Türkei zwischen allen Stühlen sitzt, die in der Region aufgestellt sind. Sie versuchen, mit den Russen zu verhandeln, aber in Moskau ist die Entscheidung einer Intervention bereits gefallen. Die Rolle der Türkei ist längst nicht so stark, wie immer angenommen wird. Das ist auch einer der Gründe, warum Ankara mittlerweile wieder auf die Europäische Union zugeht.Wie werden die USA reagieren? Werden Sie sich aus Idlib raushalten?

Das sieht so aus. Außer bestimmten Tweets mit Warnungen vor einer humanitären Katastrophe haben wir noch nichts aus Washington vernommen. Von irgendwelchen militärischen Aktionen oder einem Paukenschlag politischer Natur war nicht die Rede. Das bleibt in den Händen der beteiligten Parteien – hoffentlich auch wieder unter Beteiligung Europas.

Theoretisch könnten die USA in Syrien direkt auf ihren alten, neuen Erzfeind Iran stoßen.

Das ist das einzige Interesse, das die USA vielleicht noch in der Region haben. Darum, was in Damaskus vor sich geht, geht es Trump kaum noch. Es geht ihm nur noch um den Iran, wo sich das amerikanische mit dem israelischen Interesse trifft. Es geht beiden darum, den Einfluss des Irans in der Region, in Syrien zu beschränken. Und da dies nicht unmittelbar etwas mit Idlib zu tun hat, werden sich die USA wohl raushalten.

Präsident Putin denkt schon an die Zeit danach. Er hat das Thema Wiederaufbau Syriens ins Spiel gebracht. Wird sich der Westen daran beteiligen, auch wenn der Präsident nach wie vor Assad heißt?

Es sieht danach aus. Wobei es natürlich eine kühne Unterstellung ist, dass der Präsident auch weiter Assad heißen wird. Aber es gibt dazu in der Tat zumindest für einen bestimmten Zeitraum keine Alternative. Und in dieser Zeit wird sich der Westen der Verpflichtung nicht entledigen können, Syrien beim Wiederaufbau zu helfen.Prof. Dr. Udo Steinbach ist Mitgründer und Gesellschafter der „HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform“. Er war seit 1976 Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg und ist Mitglied in zahlreichen Gremien von Wissenschaft, Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsförderung mit Bezug auf den Nahen und Mittlere Osten.

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