Donnerstag, März 28, 2024
StartPolitikNato vor Aus?: „Schmierenkomödie im Trump-Theater: Ziel bleibt Russland“

Nato vor Aus?: „Schmierenkomödie im Trump-Theater: Ziel bleibt Russland“

US-Präsident Donald Trump schoss auf dem Nato-Gipfel harsche Worte Richtung Berlin: Der „Gefangene Russlands“ sollte mehr Geld in die Allianz einzahlen. „Das war ein taktisches Ablenkungsmanöver: Die Nato rüstet gegen Russland auf wie nie zuvor“, erklärte Politologe Ullrich Mies gegenüber Sputnik. Er warnte vor dem „Schlachtfeld Deutschland“.

Alexander Boos

„Auf dem Nato-Gipfel hat Herr Trump Deutschland vorgeworfen, es sei von Russland nahezu vollständig kontrolliert: Das ist doch eine Schmierenkomödie“, sagte Ullrich Mies im Sputnik-Interview. „Dann fordert Herr Trump einen BIP-Anteil von etwa zwei Prozent für Militärausgaben. Dann geht es munter weiter: Russland wird fortgesetzt aggressives Verhalten vorgeworfen. Insbesondere an den Grenzen.“ Von einer Auflösungserscheinung der Militärallianz könne keine Rede sein. Das „Lachhafte“ daran sei die Tatsache, dass die Nato nun tatsächlich mit den Regierungen von Georgien (als direkten russischen Nachbarn) und Mazedonien über Nato-Beitritte verhandle. „Die Stoßrichtung geht natürlich selbstverständlich gegen Russland.“

Es gehe sicher nicht um die Auflösung der Nato. „Es geht allein um die Lastenverteilung innerhalb der Nato und die Errichtung einer zukünftigen kriegerischen diktatorischen Ordnung mit dem Ziel, eine Wirtschafts-Nato zu errichten, die über den nationalen Parlamenten steht.“ Die ganze Diskussion um die BIP-Marge sei „eine Geisterdebatte. Tatsache ist, dass die Nato heute bereits etwa zwölfmal so viel für das Militär ausgibt wie Russland. Das ganze Bedrohungsgerede ist die Propagandaleistung eines Kriegsbündnisses, um den Völkern durch Angstproduktion immer mehr Geld abzupressen.“

„Bis zur russischen Grenze vorgerobbt: Nato steht nicht auf dem Spiel“
Trotz des ganzen „Trump-Theaters“ stehe die Nato-Konstruktion doch überhaupt nicht auf dem Spiel, betonte der Experte für Sicherheitspolitik. Stünde das westliche Militärbündnis „zur Debatte, dann müssten die herrschenden Politiker des Westens ja eingestehen, dass die ganze Osterweiterung in mehreren Etappen bis heute auf 29 Staaten nichts anderes war, als ein gigantischer Feldzug Richtung Osten. Sie müssten eingestehen, dass es das Ziel der Nato – hier insbesondere der USA war – die ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten im Handstreich zu übernehmen, um ihren Einfluss Richtung Osten zu sichern und die geopolitische Landkarte zu ihren Gunsten neu zu schreiben. Sie haben sich bis zu den russischen Grenzen vorgerobbt. Denn genau darum ging es spätestens seit 1994.“

In jenem Jahr hatte die Clinton-geführte US-Administration das Ziel verkündet, die ersten osteuropäischen Staaten 1999 ins Bündnis aufzunehmen. Das waren damals Polen, Ungarn und Tschechien. „Hier in irgendeiner Weise zu glauben, dieses Bündnis würde jetzt kollabieren, das sehe ich absolut nicht.“

„Putin hat Ausverkauf unter Jelzin gestoppt, seitdem ist Westen sauer“
Vor allem dürften internationale Beobachter in Bezug auf Russland und Osteuropa eine Tatsache nicht vergessen, so Mies. „Die ganzen Konflikte mit Russland tauchten erst auf, als Putin dem neoliberalen Terror unter Jelzin und dem Ausverkauf seines Landes ein Ende gesetzt hatte. Die Westmächte, allen voran die USA – aber auch die EU-Granden – hatten nie etwas anderes im Sinn, als auch Russland vollends ins neoliberale kapitalistische Lager des Westens aufzunehmen. Der Ausplünderung des Landes schob Putin jedoch einen Riegel vor, als weite Teile der eigenen Bevölkerung in der Armut versanken. Seitdem haben wir diesen neuen Systemkonflikt Nato gegen Russland.“

Jüngst haben mehrere Medien darauf hingewiesen, dass sich das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Russland seit dem Jahr 2000 und der ersten Präsidentschaft Putins mehr als vervierfacht habe. Die Weltbank bestätigt diese Aussagen. Diese politische wie wirtschaftliche Leistung machte Putin laut Mies zum „Feind Nummer Eins der herrschenden ökonomischen Klassen und politischen Kasten des Westens.“

Experte: „Washington versucht, so viel Geld wie möglich aus EU rauszupressen“
Einen grundsätzlichen Konflikt in der politischen wie „marktradikalen Ausrichtung“ zwischen Washington und Berlin sehe der Politologe nicht. „Die USA wollen sich in und durch die Europäer entlasten. Vor allem wollen die Neokonservativen in den USA eines sicher nicht: Eine Reduktion der eigenen Militärausgaben. Theoretisch wäre auch das möglich, aber das steht gar nicht zur Debatte, weil die USA ein imperialer Kriegsstaat sind.“

Der Experte betonte: „Ideologisch trennt die EU-Militär- und Kriegsenthusiasten nicht viel von den ‚US-NeoCons‘, den Neokonservativen. Es geht knallhart um Wirtschaftsmacht und Verteilungskämpfe innerhalb des westlich-kapitalistischen Lagers. Das ist keine Wertegemeinschaft unter Freunden. Das ist eine Tätergemeinschaft auf Handels- und Kriegstrip: Es wird gedroht, erpresst und getreten, bei Bedarf sanktioniert.“ Ziel sei, die Kriegswirtschaft immer weiter aufzublähen. „Bei dem ganzen internen Nato-Hickhack geht es für Tump primär darum, aus den europäischen Staaten ein Maximum an Geld in die Kriegswirtschaft abzupumpen. Die USA wollen sich in und durch Europa maximal entlasten, um sich für ihre weltweiten Kriegsoperationen den Rücken frei zu halten.“

Stoßrichtung Ost: „Erst Russland, dann China“
Konkret bedeute das, die USA wollen nun immer mehr Militärpower Richtung Russland, Ostasien und China werfen, um ihren „nächsten großen“ Herausforderer Peking maximal unter Druck zu setzen. „Dazu brauchen sie indirekt das Geld der Europäer.“ Zuvor sei aber Russland dran. „Die Nato-Staaten sind doch keine Schutzmächte vor Russland. Das ist doch grotesk. Russland hat keine Angriffs-Option und auch keine Angriffs-Idee. Das hat jetzt sogar auch Herr Stoltenberg konstatiert. Insgesamt stellt sich die Frage, vor wem ist die Nato eigentlich Schutzmacht?“

Der Experte für Sicherheitspolitik lieferte die Antwort gleich mit. Die Nato sei keine Schutzmacht und auch keine „Wertegemeinschaft. Das ist doch die größte Lachnummer überhaupt. Je nach persönlicher Befindlichkeit könnte man auch weinen. Diese Wertegemeinschaft ist eine kriminelle Tätergemeinschaft, die ganze Länder im Nahen und Mittleren Osten zerlegt hat und die Konflikte mit Russland und China weiter eskalieren will. Diese Führungsmacht hat seit über 100 Jahren über 200 Kriege geführt. Hunderte staatsterroristischer Untaten auf sich geladen wie ‚Regime-Changes‘, Geheimdienstoperationen, Umstürze am Fließband.“ Die USA seien ein faschistischer Militär-Staat „mit demokratischer Fassade.“

„Trump wird US-Truppen nicht abziehen“
Die USA brauchen dem Sicherheitspolitik-Experten zufolge ihre Besatzungssoldaten in Deutschland. „Dafür steht für Washington meines Erachtens zu viel auf dem Spiel.“ Es gebe zu viele wichtige, strategisch bedeutende US-Standorte in Deutschland. Ähnliches hatte zuvor Alexander Neu, Bundestagspolitiker für die Linken im Bundestag, im Gespräch mit Sputnik geäußert. Damit bezog er sich auf Aussagen von Trump, er wolle wohlmöglich die US-Truppen vom bundesdeutschen Territorium abziehen.

„Grundsätzlich stimme ich Dr. Neu zu, auch wenn ich kein Parteigänger bin“, erklärte Mies. „Ich halte es für nicht wahrscheinlich, dass die USA Deutschland als wichtigste Kontinentalmacht Europas aus ihrem de facto Besatzungsstatus entlassen werden. Die immer noch circa 35 000 in Deutschland stehenden US-Soldaten und zusätzlichen etwa 4 000 britischen Soldaten dienen den Angelsachsen als Sicherheitsreserve gegen unerwartete Entwicklungen in Deutschland.“ Von daher sei es unrealistisch anzunehmen, dass Trump seine US-Truppen von deutschem Boden abziehen werde.

Deutschland als „Schlachtfeld Europas“?
„Sollte sich jemals eine vernünftige deutsche Regierung konstituieren – wofür aktuell nicht viel spricht – die auf Ausgleich mit Russland setzt, vielleicht sogar auf intensive wirtschaftliche Zusammenarbeit und positiven politischen und kulturellen Austausch setzt – dann könnten die Besatzungssoldaten durchaus als Drohpotential eingesetzt werden. Sie dienen auch als Drohpotential für den sehr unwahrscheinlichen zukünftigen Fall, dass jemals eine linke Mehrheit oder Regierung in Deutschland den Marktradikalismus grundsätzlich in Frage stellen könnte“, analysierte Politologe Mies.

Auch könnte in einem potentiellen Krieg Deutschland das Schlachtfeld Europas werden. „Da darf man sich keine Illusionen machen: Die USA wären froh, wenn dieser Konkurrent – auch weltwirtschaftlich gesehen – abgeräumt wäre. Kurz gesagt: Die USA würden allenfalls eine Reduktion aus Kostengründen vornehmen, aber sie werden nicht die Besatzung Deutschlands grundsätzlich in Frage stellen.“ Das gab der Politikwissenschaftler im Sputnik-Interview zu bedenken.

Interview mit Ullrich Mies

Quelle!

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