Dienstag, April 16, 2024
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Nato wird gegen „russische Aggression“ zwei Armeen und eine Flotte losschicken

In Brüssel findet gerade ein Treffen der Nato-Verteidigungsminister statt, und an den russischen Grenzen sind beispiellose Aktivitäten der Fliegerkräfte der Allianz zu beobachten. Besondere Unruhe wecken in Moskau die Flüge der Ende Mai nach Großbritannien verlegten US-amerikanischen Überschall-Bomber B-1B Lancer, die Atomwaffen tragen können.

Es ist durchaus möglich, dass diese Aktivitäten über den Rahmen der aktuell auf dem Territorium der baltischen Länder stattfindenden Nato-Übung Saber Strike hinausgehen. Wie US-Verteidigungsminister James Mattis gestern offen sagte, verfolgt das Bündnis das Ziel, „die russische Aggression einzudämmen“. Daraus darf man schließen, dass solche Manöver permanent stattfinden werden.

„Was auch immer wir tun, fällt es uns immer schwerer, eine gemeinsame Sprache mit den Russen zu finden“, sagte der Pentagon-Chef. „Wenn wir sehen, was bei Wahlen in Amerika und einigen europäischen Ländern passierte, oder auch andere Aspekte, beispielsweise wie Russland in Europa durch militärische Gewaltanwendung Grenzen verschiebt, dann sehen wir, dass die Nato darauf antworten muss.“ Damit meint die Allianz offenbar den Ausbau des militärischen Potenzials an den russischen Grenzen. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu führte unlängst an, dass in den baltischen Ländern und Polen aktuell schon 10 000 Nato-Militärs stationiert seien, die über alle Arten von Offensivwaffen verfügen.

„Auch die Flotten der USA und anderer Nato-Länder handeln immer intensiver. Die Zahl von Übungen der Allianz ist wesentlich gestiegen. Dabei sind sie offenbar gegen Russland gerichtet“, so der russische Militärchef.

Die während des Verteidigungsministertreffens in Brüssel veröffentlichten Dokumente zeugen davon, dass sich die Nato-Militärkräfte demnächst um ein Mehrfaches vergrößern werden. Der Generalsekretär der Allianz, Jens Stoltenberg, kündigte eine Aufstockung der Kommandostrukturen um mehr als 1200 Mann an. „Wir werden ein Kommando für den Atlantik und ein Versorgungskommando bilden, das in Deutschland sitzen wird. Das wird der Schlüsselmoment für die Truppenverlegung über den Atlantik und innerhalb Europas sein.“

Nach Einschätzung Stoltenbergs werden die Nato-Mitglieder bis 2020 „30 motorisierte Infanteriebataillone, 30 Fliegerstaffeln und 30 Kriegsschiffe haben, die binnen von 30 Tagen oder noch schneller entfaltet werden könnten“. Das bedeutet, dass das Bündnis schon in einem Jahr vor den russischen Grenzen eine Infanterie- (30 000 Soldaten, 1000 Stück Panzertechnik usw.) und eine Fliegerarmee (etwa 500 Flugzeuge und Hubschrauber) sowie einen vollwertigen Schiffsverband haben wird, der nach seinem Potenzial die russische Baltische Flotte übertreffen wird. Die Baltische Flotte verfügt nämlich nur über elf große Kriegsschiffe.

Im April 2018 hatte Schoigu erklärt, dass Russland das Kampfpotenzial seiner Streitkräfte auf einem Niveau aufrechterhalten werde, „welches die militärische Sicherheit Russlands und seiner Verbündeten garantieren könne“. Allerdings mangelt es Moskau an Verbündeten: Kein einziges Land im postsowjetischen Raum betrachtet die Nato als einen Gegner. Und sie alle pflegen militärische bzw. militärtechnische Kontakte mit der Allianz. Selbst Weißrussland, mit dem Russland eine gemeinsame Truppengruppierung hat, hält die Nato für einen Partner. Stoltenberg legte gestern viel Wert auf die Beziehungen zu Minsk:

„Ich begrüße unsere Partnerschaft mit Weißrussland. Unsere Partnerschaft  ist auf den Frieden ausgerichtet und dauert seit 1995.“

Auch in Syrien bekommt Russland keine Unterstützung von seinen Verbündeten. Bei seinem Treffen mit den GUS-Amtskollegen in dieser Woche rief Schoigu die anderen Teilnehmer auf, sich an der Konfliktregelung in Syrien zu beteiligen: „Es ist offensichtlich, dass die Sicherheit nur gemeinsam gefördert werden kann. (…) Unser praktisches Zusammenwirken in Syrien könnte sehr umfassend sein. Dabei ginge es um Minenräumung, gemeinsame Patrouillen in den Deeskalationszonen, Zulieferung von humanitären Hilfsgütern, Wiederaufbau der Infrastruktur. Wir rechnen mit Ihrer Unterstützung, die unsere Einheit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und bei der Förderung der Sicherheit zeigen würde.“

Aber vorerst hat keines der GUS-Länder auf diesen Appell reagiert. Und es ist kennzeichnend, wie solche Probleme in der Nato gelöst werden. Gerade gestern erzählte Stoltenberg, wie das Bündnis seine Beteiligung an der internationalen Koalition im Nahen Osten sowie in Afghanistan ausbauen will.

Nach seinen Worten ist nämlich ein neues gemeinsames Programm zur Unterstützung der irakischen Armee, zur „Förderung des Verteidigungspotenzials Jordaniens sowie zur Hilfe an Tunesien“ geplant. Das von allen Mitgliedsländern befürwortet wurde.

„Die Nato-Mitglieder und ihre Partner erweitern ihre Präsenz in Afghanistan sowohl durch Militärs als auch aus der Sicht der Finanzierung. Wir werden zusätzlich 3000 Instrukteure für unsere Mission zur Verfügung stellen und verhandeln gerade über eine Aufstockung der Finanzierung der afghanischen Streitkräfte nach 2020“, sagte der Nato-Chef.

Man kann nicht sagen, Russland würde Kontakte zur Nato nicht anstreben. Aber seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise 2014 verweigert die Führung des Nordatlantischen Bündnisses solche Kontakte. Wenn allerdings wirklich akute Probleme entstehen, klappt der Dialog. In der vorigen Woche fand beispielsweise eine neue Sitzung des Russland-Nato-Rats statt, in der die seit 30 Jahren größten Nato-Manöver Trident Juncture und die russische Übung Wostok-2018 besprochen wurden. Über ähnliche Themen hatten im April in Baku auch der russische Generalstabschef Valeri Gerassimow und der Befehlshaber der Nato-Truppen in Europa, Curtis Scaparotti, verhandelt.

Und heute steht Gerassimow in Finnland ein Treffen mit seinem US-Amtskollegen Joseph Dunford bevor. Sie hatten schon im vorigen Jahr mehrere Kontakte gehabt und unter anderem über die Situation in Syrien gesprochen. Allerdings haben die Amerikaner Gerassimow zufolge Moskaus Initiative „zu gemeinsamen Planungen, zu Aufklärungseinsätzen, zur Vernichtung von Terroristen usw.“ abgelehnt.

Also lassen sich vom heutigen Treffen keine richtigen Fortschritte erwarten. Die Nato (sprich die USA) will ihr gegen Russland gerichtetes Kriegspotenzial nur noch aufstocken. Moskau sieht ein, dass es sich verteidigen muss, und reagiert darauf mit der Modernisierung seiner Streitkräfte und seiner Flotte. Das provoziert wiederum das Wettrüsten, und ein „Gegengift“ gibt es vorerst nicht.

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