Dienstag, April 23, 2024
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„Neustart!“ – Welcher Neustart denn?

Eine nutzlose GroKo, wachsende Wählerverachtung und dicke Nebelkerzen der Mainstream-Medien treiben die Spaltung im Land auf ein neues Hoch

Von Markus Gärtner

Von der Welt über den Spiegel bis zur Süddeutschen Zeitung fabulieren die Mainstream-Medien nach der Versetzung von Hans-Georg Maaßen, dessen Personalie fast die Regierung zum Einsturz gebracht hätte, jetzt von einem möglichen „Neustart“ der GroKo. Damit suggerieren die Faktenverdreher in der merkelhörigen Galaxie des Nachrichten-Universums, dass es schon einmal gelungen sei, nach der Regierungsbildung im März mit der politischen Arbeit zu beginnen und einen spürbaren Beitrag dafür zu leisten, dass wir gut und gerne in diesem Land leben. Doch das hat mit der Realität absolut nichts zu tun.

Auf den Tag genau ein Jahr lag am Montag dieser Woche die jüngste Bundestagswahl zurück. Die Hälfte dieser Zeit, sechs Monate, ging mit Sondierungen und GroKo-Verhandlungen ins Land. Erst für das nie realisierte Jamaika-Bündnis, dann für die GroKo, die nie wirklich aus den Startlöchern kam. Die andere Hälfte der Zeit seit der jüngsten Bundestagswahl wurde mit internen Streitereien vertan, in dieser Koalition, die in Umfragen längst keine Mehrheit mehr hat und die zu ihrem eigenen andauernden Störfall und Reparaturbetrieb geworden ist.

Regieren? Dafür muss ja erst einmal Stabilität in der Koalition her. „Das müsst Ihr schon verstehen, liebe Wähler.“ Mit einer wichtigen Ausnahme, versteht sich: Die am schnellsten im Bundestag durchgeboxte und mit der solidesten Mehrheit versehene Entscheidung in dieser 19. Legislaturperiode war die Erhöhung der Abgeordneten-Diäten. Die wurde souverän durchgewinkt, noch bevor es im März 2018 zur Bildung einer Regierung kam. Beim Selbstbedienen an den Fleischtöpfen der Republik war man sich so einig wie selten und so zuverlässig wie seither nur beim Koalitions-Zoff. Es ging ja schließlich um das Wohl und die Versorgung der Abgeordneten.

Wer mit sechs Jahrzehnten Lebenserfahrung und politischer Anteilnahme zurückblickt, kann sich an keine Zeit in unserem Land erinnern, in der Politiker und Medien so herablassend und verächtlich mit Wählern und Bürgern umgegangen sind wie heute. Sonst wäre auch kaum der durchaus ernst gemeinte Vorschlag eines SPD-Politikers möglich, straffällig gewordene Asylbewerber nicht nach Afghanistan abzuschieben, da dies mit den Menschenrechten unvereinbar sei, und sie stattdessen lieber in Deutschland zu behalten. Hier wird zuerst an die Rechte und die Sicherheit der Täter gedacht, dann erst an den Schutz der eigenen Bevölkerung. Der SPD-Innenpolitiker Rüdiger Veit war nicht der erste aus der politischen Kaste, der sich so geäußert hat.

In Erinnerung ist besorgten Bürgern auch, was der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg kurz nach der Ausrufung der Willkommenskultur vorschlug. Der Politiker verlangte allen Ernstes eine Zwangspflicht für deutsche Jugendliche, weil die Integration der Flüchtlinge anders nicht zu bewältigen sei. Man muss sich das eine Sekunde in Ruhe durch den Kopf gehen lassen: Die deutsche Mehrheitsgesellschaft wurde nicht gefragt, ob sie eine Migration in diesem Ausmaß haben will, aber die Lasten soll sie nicht nur schweigend schultern, sie soll auch zwangsverpflichtet werden, um beim Aufräumen des Schlamassels zu helfen, der entstand, als die Bundeskanzlerin die Staatsgrenzen und damit den Staat aufgab und sämtliche Kapazitäten zur Aufnahme von Migranten trotz der großen Hilfsbereitschaft der Deutschen maßlos überforderte.

Viel deutlicher können die Verachtung der politischen Kaste für die Bürger und die Entfremdung der Entscheider in Politik und Medien von den Menschen in diesem Land nicht werden. Was sollen Bürger denken, denen die Kanzlerin nahelegt zu akzeptieren, dass die Zahl der Straftaten bei jugendlichen Migranten nun einmal besonders hoch ist, eine Kanzlerin, die sich nach der Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena sofort entsetzt äußerte, aber die Angehörigen der Opfer des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt erst ein Jahr nach der schrecklichen Tat empfing? So handeln Apparatschiks, auf deren Kompass nur eine Jahreszahl steht: die der nächsten Wahl. Den Unmut und die Wut, die diese Verachtung der Wähler auslöst, habe ich in meinem neuen Buch »Das Ende der Herrlichkeit – Warum der viel gescholtene »deutsche Michel« bereits die Heugabeln wetzt« ausgemessen. Das Ergebnis: Wenn diese Regierung so weitermacht wie bisher, werden die Menschen in unserem Land bald schon gegen sie aufbegehren. In Chemnitz ist das erste Ventil aus dem hoch erhitzten Kessel der MS Deutschland geflogen.

Doch nach einem Ende des »weiter so« sieht es leider nicht aus. Machterhalt vor bürgerfreundlichem Regieren ist das herrschende Mantra, das Reden und Handeln bestimmt. Die Sorgen der politisch-medialen Elite gelten nicht dem Land und den schon länger hier Lebenden. Das erklärt, wie es zu einer so deprimierenden, aber zutreffenden Bilanz wie der Hambacher Erklärung 2018 des langjährigen CDU-Mitglieds und »Börsenprofessors« Max Otte kommen konnte: »Wir die Organisatoren, Teilnehmer und Unterstützer des Neuen Hambacher Festes, stellen fest, dass Meinungsfreiheit, Rechts- und Sozialstaat in Deutschland in vielerlei Hinsicht beschädigt sind.  Wir stellen mit Erschrecken fest, dass Zensur und zensurähnliche Praktiken wieder Einzug halten, dass die Diffamierung politisch Andersdenkender wieder an der Tagesordnung ist, dass die Mittelschicht durch eine verfehlte Sozial- und Wirtschaftspolitik ökonomisch bedroht ist, dass Europa in einen neuen Kalten Krieg getrieben wird und dass eine verfehlte Einwanderungspolitik die Basis unserer solidarischen und bürgernahen Gesellschaft bedroht.«

In deutschen Mainstream-Medien bleiben derart schonungslose Bilanzen zur Ära Merkel bis heute selten. Erst, als Merkel im Sommer 2018 in der Konfrontation mit der CSU sichtbar weiter an Autorität verlor, trauten sich plötzlich mehr Journalisten mit Kritik aus der Deckung. Ausländische Publikationen wie die Basler Zeitung sprechen dagegen schon seit einiger Zeit die Probleme bei uns ganz offen an: »Es ist kaum je das Wohl des eigenen Landes oder die Wünsche, Sehnsüchte und Erwartungen der Wähler und Bürger, noch sind es die Interessen der eigenen Partei: Was moderne Berufspolitiker am meisten bewegt, so muss man annehmen, ist das eigene persönliche Fortkommen.« Die Missachtung der Bürger drückt sich nicht nur in mangelnder Anteilnahme aus. Sie zeigt sich auch immer dann, wenn Politiker feststellen, dass etwas schiefgeht und dann nicht nach eigenen Fehlern suchen, sondern ihren Wählern die Schuld zuweisen. So zum Beispiel, wenn der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel Pflegekräften die Mitschuld am Personalmangel in der Branche gibt, weil sie seiner Meinung nach zu schlecht über ihren Beruf reden: »#Deal: Politik handelt konsequent und #Pflegende fangen an, gut über die #Pflege zu reden. Dann kommen viele wieder in die Pflege zurück …« Das tweetete Rüddel im Februar 2018. Auch Angela Merkel wies alle Schuld von sich und schob sie den Bürgern zu, als sie während ihrer Regierungserklärung am 21. März 2018 die Debatte über die Migrationskrise für die Spaltung im Land verantwortlich machte und nicht ihre eigene Politik.

Wie wenig deutsche Politiker vom Wahlvolk halten, zeigt sich vor allem, wenn es Beleidigungen hagelt. Zum Beispiel, wenn Sigmar Gabriel TTIP-Gegner als »reich und hysterisch« abkanzelt, oder wenn sich Jens Spahn arrogant über Hartz-IV-Empfänger äußert. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezeichnete, als er das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 sah, einen Teil der AfD-Wähler als »Bodensatz«, versprach dann aber nach dem folgenden Aufschrei, den bösen Vergleich nicht mehr zu verwenden. Trotzdem bleibt es dabei, linke Politiker bis hinein in die CDU verteufeln die AfD lieber, anstatt sie als das zu diskutieren, was sie wirklich ist: ein Partei gewordener Hilferuf eines sträflich vernachlässigten, nicht ernst genommenen und teils sogar verabscheuten Bürgertums in der Mitte der Gesellschaft. Würde man die inzwischen zweitgrößte Partei in Deutschland unter dieser ehrlichen Annahme analysieren, kämen viele unangenehme Wahrheiten über die etablierten Parteien in Berlin zutage. Das aber sucht das herrschende Parteienkartell mit finsterer Entschlossenheit und eiserner ideologischer Disziplin zu vermeiden.

Deutlich wird die Verachtung auch, wenn Peter Tauber arrogant Millionen Minijobber in Deutschland belehrt: »Wenn Sie was ordentliches (Rechtschreibung wegen des Zitats nicht korrigiert) gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.« Bestens in Erinnerung sind auch die »Dumpfbacken«, über die Wolfgang Schäuble sprach, die »Schande für Deutschland«, als die Heiko Maas Regierungsgegner bezeichnete, oder die »Ratten«, die Sachsens Innenminister meinte. Der Tonfall gegenüber Kritikern und Abweichlern, die den vorgegebenen Meinungskorridor verlassen, ist in meiner Erinnerung noch nie so verächtlich und maßlos gewesen wie in unseren Tagen. Gänzlich über die Stränge wird bevorzugt dann geschlagen, wenn es um die bösen, »fremdenfeindlichen Ossis« geht sowie gegen »ostdeutsche Lebenslügen«, oder »Die Lebensdepression des ostdeutschen Mannes.« Die Deutschen zwischen Dresden und Rostock sind ständig die Prügelknaben, wenn Schuldige für eine Unzufriedenheit und einen Protest gesucht werden, den sich Politiker und Journalisten mit mangelnder Befähigung zur Selbstkritik nicht erklären können.

Die Ostdeutschen haben im Unterschied zu den Deutschen im Westen des Landes eine Diktatur erlebt. Sie haben sehr feine Antennen dafür, wenn die Demokratie ausgehöhlt, die Meinungsfreiheit beschnitten und Zensur eingeführt werden. Man kann das auch noch prägnanter ausdrücken, wie der Buchautor Thomas Schiller (»Gedient: Ein NVA-Soldat erzählt«), der heute in Texas lebt. Kürzlich schrieb Schiller auf seiner Facebookseite: »Deutschland entpuppt sich immer mehr als eine Kloake von Rechtsbrüchen, Bevormundung, Denkverboten und Kriminalisierung von Meinungen. Deutschland wird ausgehöhlt von fettgefressenen Parteibonzen, die die Bürger des Landes auspressen wie Zitronen. Die Demokratie wurde durch eine Parteiendiktatur ersetzt … Nein, wir waren 1989 NICHT für Bananen und Malle auf der Strasse! Das, wofür wir damals unseren Arsch riskiert haben, ist heute lange abgeschafft.

Quelle!:

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