Die Bundesregierung will dem Parlament die kritischen NSA-Selektoren nicht übergeben, stattdessen soll ein Sonderermittler prüfen, ob der BND illegal überwachte. Aber auch dem widersetzt sich angeblich die USA. Die Selektoren seien Staatsgeheimnisse.
Die US-Regierung lehnt den Vorschlag der Bundesregierung ab, einem Sonderermittler stellvertretend für den NSA-Untersuchungsausschuss Einsicht in die kritischen NSA-Selektorenlisten für den BND zu gewähren. Trotz des politischen Drucks dürfe die Bundesregierung keine Staatsgeheimnisse verraten, zitiert die Bild am Sonntag die angebliche Meinung in
Gleichzeitig erwäge die NSA, „die Zusammenarbeit mit Deutschland zu kappen“, um sich anderen europäischen Staaten zuzuwenden. Im Gespräch sei etwa Polen.
Ein Ermittler gegen alle Widerstände
Hintergrund für die Drohung ist der Streit um Suchbegriffe, die von der NSA an den Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt wurden, der damit seine Überwachungssysteme füttern sollte. Viele davon richteten sich offenbar gegen
deutsche und europäische Interessen, etwa weil Unternehmen oder Politiker aus der EU ausgespäht werden sollten.
Niemand glücklich mit Kompromiss
Sollten die USA tatsächlich auch einem Sonderermittler die Einsicht in die Listen verweigern, ist noch unklar, wie die Bundesregierung darauf reagiert. Mit ihrem vorgeblichen Kompromissvorschlag säße sie dann zwischen allen Stühlen, könnte nun aber auch den Eindruck erwecken, sich Widerstand aus den USA zu erwehren.
Verweigerte Zusammenarbeit
Was wollte und will Washington bei seinen Verbündeten in Europa alles ausspionieren und welche Zuträgerarbeit haben deutsche Dienste dabei geleistet? Die US-Führung will, dass das Verschlusssache bleibt. In der Affäre um die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendiensts (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA lehnt Washington einem Zeitungsbericht zufolge selbst einen sogenannten Kompromissvorschlag der Bundesregierung ab.
Das Bundeskanzleramt verwehrt dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags den Einblick in die Selektorenliste. Dem Vorschlag der Bundesregierung zufolge sollte anstelle der Abgeordneten nur eine einzelne Person für den Ausschuss die Liste der US-Spionageziele einsehen dürfen – darüber aber nicht Bericht erstatten dürfen. Wie die Welt am Sonntag unter Berufung auf Unionskreise berichtete, soll der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht, Kurt Graulich, als »Vertrauensperson« eingesetzt werden. Der Sonderbeauftragte sollte in den kommenden Monaten dem Verdacht nachgehen, dass der BND für die NSA europäische Politiker überwacht hat.
Stichwort: Selektoren
Dabei handelt es sich um E-Mail-Adressen, IP-Adressen, Domain-Endungen, Telefonnummern oder auch konkrete Suchbegriffe. Im Laufe der Jahre übermittelte die NSA nach bisherigen Erkenntnissen Millionen Selektoren, die sich auf mehr als 1,2 Millionen Personen und Unternehmen bezogen. Auf dieser Basis lieferte der BND gewonnene Daten an die USA. Etwa 40.000 der Selektoren soll der BND aber nach Prüfungen abgelehnt haben – teilweise erst, nachdem sie bereits bei der aktiven Suche eingesetzt worden waren.
Literatur:
Überwachtes Deutschland: Post- und Telefonüberwachung in der alten BundesrepublikvonJosef Foschepoth
Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte von Juli Zeh
Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald
Quellen: jungewelt.de/tagesschau.de/heise.de vom 22.06.2015