Donnerstag, April 25, 2024
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Österreich-Ungarn – neues Machtzentrum Europas?

Ungarn erwartet eine engere Kooperation mit Österreich unter dessen neuer Regierung. Besonders in Bezug auf „Migration und die Rolle Mitteleuropas in der EU“ sieht Budapest Gemeinsamkeiten. Experten gehen von einer Annäherung zwischen Österreich, Ungarn und den Visegrád-Staaten und einer Neupositionierung Wiens in Europa aus.

Österreich-Ungarn war ein Vielvölkerstaat in Europa, der von 1867 bis 1918 existierte. Neben der jetzigen Fläche der Länder Österreich und Ungarn umfasste das Staatsgebiet auch komplett die heutigen Staaten Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina sowie Teile der gegenwärtigen Staaten Italien, Serbien, Montenegro, Rumänien, Polen und der Ukraine. Finden diese historischen Partnerländer nun als Gegenpol zu einer von Deutschland und Frankreich geführten Europäischen Union wieder zusammen?

Heinz-Christian Strache, Spitzenkandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), hatte bereits einen Anschluss Österreichs an die Visegrád-Gruppe, welche aus Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn besteht, gefordert. „Österreich sollte mit diesen Staaten vermehrt zusammenarbeiten, vielleicht sogar Mitglied der Visegrád-Gruppe werden“, sagte Strache Mitte Oktober in einigen Talkshows. Nach dem „Rechtsruck“ könnte bei einer Koalition zwischen der FPÖ und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) von Sebastian Kurz ein „Ostruck“ folgen.

Zurück in die Vergangenheit?

Van Handel ist Angehöriger des Hauses Habsburg-Lothringen, welches die historischen Herrscher für die Österreichisch-Ungarische Monarchie stellte. Er sagte im Sputnik-Interview, er erwarte eine engere Zusammenarbeit – nicht nur zwischen Österreich und Ungarn, sondern auch zwischen den anderen traditionellen K. u. K.-Staaten und der österreichischen Republik:

„Ich sehe nicht nur Österreich und Ungarn, ich sehe natürlich auch die Tschechische Republik, Slowakei, Kroatien, Slowenien, wo überall sehr gute Kontakte bestehen. Man kann die Geschichte niemals wiederholen. Man kann 1918 nicht revidieren. Man kann aber schauen, wo ein vernünftiger Wirtschaftsraum ist und wo die Menschen miteinander können. Sowohl in ihrer Kultur, in ihren Traditionen, in ihren Religionen, in der gesamten gemeinsamen Geschichte, und hier muss man – glaube ich – wirtschaftlich und durchaus auch politisch viel enger zusammen arbeiten.“

Für van Handel ist klar, dass die traditionellen Nachbarn Österreichs – insbesondere die Visegrád-Staaten, aber auch Kroatien, Slowenien und Oberitalien – Österreich besonders nahe liegen. Ein Beitritt zu Visegrád kommt für ihn zwar nicht in Frage, es sei aber durchaus möglich, eine erweiterte Gruppe beispielsweise unter dem Stichwort Mitteleuropa zu bilden, um die Länder, die seit Jahrhunderten verbunden gewesen seien, zu einer gewissen Arbeitsgemeinschaft zu bringen. Die könne dann in der EU mit einer Stimme reden. „Das ständige Diktat von Deutschland und Frankreich ist für die kleineren Länder in der EU nicht erfreulich“, fügte van Handel hinzu.

Neupositionierung in ganz Europa

Der Politologe Auinger hat im März sein Buch „Die FPÖ – Blaupause der neuen Rechten in Europa“ im Promedia-Verlag veröffentlicht. Es gebe durchaus zumindest teilweise eine „Orbanisierung“ der Politik Österreichs. Diese müsse nicht einmal nur auf das Konto der FPÖ gehen. Auch der designierte Bundeskanzler Kurz habe sich in der Vergangenheit mehrmals gegen das sogenannte Ungarn-Bashing ausgesprochen, gegen  Vorwürfe also, welche aus einer Position der moralischen Überlegenheit oder auch Überheblichkeit gegen die ungarische Regierung ausgesprochen würde.

Was die prinzipielle Stellung zur Fluchtbewegung betreffe, gebe es keine großen Unterschiede zwischen Österreich und Ungarn, so Auinger, auch wenn die Lage selbst im Großen und Ganzen bereinigt sei. Er erwarte keine neue Donau-Monarchie, wohl aber eine Neupositionierung der mitteleuropäischen Staaten, wie er erläutert:

„In ganz Europa steht eine Neupositionierung an, und die frühere österreichische Raison ist im Grunde genommen schon erledigt. Die ersten 15 Jahre war die Europa-Raison davon getragen, dass das Mitmachen in Europa der Erfolgsweg ist. Österreich benutzt den Binnenmarkt, Österreich ist Nettozahler, Österreich gewinnt an Statur und Einfluss in Europa darüber: Das war der undiskutierte Erfolgsweg. Wenn aber nicht klar ist, wie es mit Europa weiter geht – denken Sie an den Brexit, dann ist natürlich klar, dass ganz methodisch jeder europäische Staat, auch Österreich, seine Interessen von Grund auf neu definieren muss und bestimmen muss, mit wem will man was gegen wen durch- oder aufziehen.“

Allerdings hatte der designierte österreichische Bundeskanzler Kurz gleich nach der Wahl am 15. Oktober einen Visegrad-Beitritt Österreichs ausgeschlossen und das Land als „Brückenkopf in der Europäischen Union“ bezeichnet. „Ich möchte eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich und anderen Staaten“, sagte Kurz. „Und ich möchte gleichzeitig einen guten Kontakt zum Osten Europas. Ziel ist es, dass die Spannungen in der Europäischen Union weniger, nicht mehr werden. Wenn wir da einen Beitrag leisten können, als ein Land, das geografisch im Herzen Europas liegt, dann werden wir das tun. Aber das bedeutet weder einen Beitritt zu den Visegrad-Staaten oder sonst irgendwas.“

Bolle Selke   Quelle!

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