Freitag, April 19, 2024
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Österreichs Kanzler fordert Ende der Beschwichtigungspolitik: „Erdogan nimmt Masse der Türken in Geiselhaft“

Erdogans Anhänger im Internet drohen Österreichs Regierung mit der Vernichtung durch den IS. In Hass-Postings folgen sie der extravaganten Politik des türkischen Präsidenten, der immer mehr versucht, seine eigene Person und Politik mit dem Land Türkei und den türkischen Massen gleichzusetzen. Eine derartige Vereinnahmung des Volkes durch seine Führer kennt man sonst allerdings nur noch von der kommunistischen Partei Chinas oder den nordkoreanischen Diktatoren.

Ähnlich extrem verhalten sich derzeit Erdogan-Fans im Internet. Ein Unterstützer des türkischen Präsidenten drohte gar dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) mit den islamistischen Terroristen: „Die Türkei wird alle Flüchtlinge nach Österreich schicken und ISIS wird Ihre Regierung vernichten.“ Die Nachricht wurde per Twitter an Kern geschickt.

„Seit Samstag brandet auf Twitter und vor allem auf Facebook eine virtuelle Hasswelle gegen Kern“, schreibt „OE24„. Nach Informationen des großen österreichischen Online-Portals würden derzeit von der Türkei aus u. a. auch Morddrohungen gegen Kern gepostet. Doch auch in heimischen Foren der Erdogan-Szene werden Bundeskanzler Kern und Außenminister Kurz attackiert.

Bundeskanzler Kern: „Schluss mit Appeasement“

„OE24“ sprach den Bundeskanzler im Interview darauf an, dass derzeit Österreich und er auch persönlich von Erdogan-Fans auf Twitter und Facebook bedroht würden. Kern dazu: „Wir dürfen uns auf keinen Fall einschüchtern lassen. Drohungen, auch Morddrohungen vom rechten Rand und vom radikalen Teil der türkischen Community, sind seit zwei Monaten meine Realität.“

Kern forderte ein Ende der Beschwichtigungspolitik: „Es muss Schluss mit Appeasement sein“, so der SPÖ-Kanzler.

Erdogan ist nicht die Türkei

Wie die Zeitung klarstellt, würde derzeit Kritik an Erdogan von radikalen Türken als „Kritik an Türken“ verdreht. Dazu meinte der Kanzler deutlich trennend, dass Österreich seine Linie konsequent vertreten müsse: „Ich betreibe kein Türken-Bashing, ich kritisiere das Vorgehen von Erdogan und von Radikalen. Die Masse der Türken wird von ihnen in Geiselhaft genommen“, ergänzte Kern noch.

Einem „Aus“ des Flüchtlingsdeals sieht Kern ohne Furcht entgegen. Österreich sei kein Bittsteller und die EU sitze auf dem längeren Ast. „Wir brauchen zwar die Türkei, aber diese braucht uns wirtschaftlich erst recht. Sonst steuert die Türkei auf einen Staatsbankrott zu“, ist sich Kern gewiss.

Erdogan kritisiert fehlende Meinungsfreiheit in Österreich und Deutschland

Am Freitag sagte der türkische Präsident Erdogan in einer Rede im Präsidentenpalast: „Einige Leute geben uns Ratschläge. Sie sagen, sie sind besorgt.“ Doch die EU und die USA sollten sich „um ihre eigenen Angelegenheiten“ kümmern, so Erdogan, der den Kritikern sagte: „Schaut auf Eure eigenen Taten.“

Auch beklagte sich der Staatsführer, dass seit dem gescheiterten Putschversuch kein einziger ranghoher westlicher Politiker die Türkei besucht habe, um sein Mitgefühl auszudrücken: „Diese Länder und Staatsführer, die sich nicht um die türkische Demokratie, das Leben unserer Bevölkerung und deren Zukunft sorgen, während sie so besorgt über das Schicksal der Putschisten sind, können nicht unsere Freunde sein“, sagte Erdogan einem Bericht der österreichischen „Krone“ zufolge.

Außerdem äußerte sich der Staatschef am Freitag darüber, dass es in Österreich und Deutschland „keine Meinungsfreiheit“ gebe und die in diesen beiden Ländern lebenden Türken nicht protestieren dürften. Ihnen sei es teilweise verboten worden, die türkische Flagge vor ihren Häusern zu hissen, schreibt die „Krone“ in einem weiteren Lagebericht.

Gerade zu einer Zeit, in der Erdogan die Gunst der Stunde für landesweite Säuberungen nutzt und bereits nach offiziellen Angaben mehr als 18.000 Menschen verhaften und mehrere Zehntausende an Staatsangestellten suspendieren ließ und nach den teils mit Ausschreitungen verbundenen Demonstrationen nationalistischer Türken in Deutschland und in Österreich, sollte diese Aussage doch mehr als nur Verwunderung hervorrufen.

(sm)

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